Die zornige alte Dame aus England zeigt sich in der Zuordnung ihrer Sympathien vorsichtig, in ihren Schuldzuweisungen aber eindeutig. Daß die Sowjetunion als Reich des Bösen alle Verachtung trifft, nimmt nicht Wunder. Wohl aber, daß die USA nicht minder schlecht abschneiden. Ausgerechnet dem strikt antikommunistischen Reagan-Amerika wirft Doris Lessing 1986 Vertuschung und Kumpanei vor - als hätten sich beide Supermächte abgesprochen, es nach Korea und Vietnam nicht zu einem dritten, offenen Stellvertreterkrieg kommen zu lassen. Gleich mehrfach fordert die weltberühmte Autorin, die Mudschahidin mit Stinger-Raketen auszustatten, damit sie sich gegen russische Luftangriffe zur Wehr setzen könnten. Eine im pazifistisch orientierten intellektuellen Establishment dieser Tage sehr abweichende Meinung, die erklärt, warum es Doris Lessing trotz ihrer Berühmtheit schwer fiel, die afghanischen Aufzeichnungen zu publizieren. Heute wissen wir, daß die dann doch gelieferten amerikanischen Raketen zwar den Rückzug der Sowjetarmee beschleunigten, das geschundene Land aber mitnichten in den Frieden bombten.
Bringt die Lektüre eines solchen Berichts mit begrenztem Wahrnehmungshorizont nach anderthalb Dekaden überhaupt noch etwas? Ja - weil Doris Lessing eine große Erzählerin ist. Ihre Beschreibungen aus den Flüchtlingslagern, ihre Diagnose des Islams als Katastrophe für gebildete und emanzipierte Frauen überragt die situativen Kurzschlüsse im politischen Bereich. Geboren im Iran, aufgewachsen in Rhodesien, erweist sich diese Tochter des britischen Weltreichs als interessierte und mitfühlende Beobachterin. Immer wieder wirkt das Fremde merkwürdig vertraut, erinnern sie Geräusche und Gerüche an die persische Kindheit. Ja ihre Sympathie geht so weit, daß sie - Urbild der westlich-emanzipierten Frau - die Verschleierung als legitime Rückzugsmöglichkeit in Erwägung zieht. Später probiert sie diese Kulturtechnik in London selbst aus. Sofort gesteht sie sich das Bedürfnis ein, die Augen stark schminken zu wollen, denn sie sind das einzige zur Kommunikation und Aufmerksamkeitserheischung freigebliebene Areal. Solch fesselnde Stellen von anderthalb Seiten befreien das Buch von seiner Zeitgebundenheit. Es macht eben doch einen Unterschied, ob eine Dichterin oder ein Kriegsberichterstatter hinter der Schreibmaschine sitzt.