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Design im Informationszeitalter

250 Euro kostet der Eintritt auf dem Berliner Designer-Kongress Typo 2002 und das ist sogar noch der Studententarif. Dennoch nehmen rund 1200 Besucher an diesem Treffen der Werbe-Profis statt, das gestern begann. Denn der Kongress kann sich rentieren: Neben Know-How kann auch einen Arbeits- oder Praktikumplatz dabei herausspringen.

10.05.2002
    Gerlinde Niesche ist extra aus Wien angereist, zum Kongress der Designer und Werbefachleute in Berlin. Die 26jährige ist noch Neueinsteigerin – deshalb muss sie auf der Tagung erst einmal Werbung für sich selbst machen: "Ich würde mich freuen, wenn ich ein paar Leute kennen lerne. Wenn jemand da ist, bei dem ich denke, mit ihm würde ich extrem gerne arbeiten, dann würde ich den auch ansprechen." Kongress-Stars wie Erik Spiekermann stöhnen dagegen: "Also ich weiß, dass ich die nächsten Tage alle zwei Minuten von jemandem angequatscht werde." Spiekermann ist Top-Designer in Berlin, London und San Francisco - und Honorarprofessor in Bremen. Zwar ist er längst nicht mehr Inhaber eine großen Agentur mit 200 Angestellten, aber das hat sich wohl noch nicht überall herumgesprochen: "Deswegen werde ich alle Sekunde von jemandem angehalten, der bei mir Praktikum machen möchte oder einen Job sucht. Das finde ich auch in Ordnung. Man muss frech, unverschämt und neugierig sein."

    Dass man in der Branche einfach hartnäckig sein muss, weiß auch Alexander Dewhirst, der auf der Tagung seine Jobbörse "Designerdock" präsentiert, die mit rund 5000 Textern, Grafikern und Web-Gestaltern in der Adress-Kartei bundesweit größte Vermittlungs-Agentur der Werbebranche. Aber Dewhirst vermittelt nicht nur, sondern gibt auch Tipps für eine eigenständige Bewerbung: "Man muss mehrmals sagen: 'Hey, hier bin ich', jede zweite Woche mit der Personalabteilung reden und sich irgendwas zum Hinschicken ausdenken, einfach damit man gesehen wird. Besonders die Grafiker sind sehr erfinderisch, manchen bauen kleine Flugzeuge, bringen sie vorbei und dann ist da eine Bewerbung drin, manche machen Diplomarbeiten über das Bewerben, es ist wirklich unbegrenzt." Kreativität ist gefragt. Besonders seitdem die Industriefirmen ihre Marketingetats immer mehr kürzen und viele Multimedia-Firmen wieder von der Bildfläche verschwinden. Und doch: In den Agenturen herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, so dass fitte Leute - egal ob sie sich über Jahre hochgedient haben oder ob sie frisch von der Fachhochschule kommen - immer irgendwo unterschlüpfen können.

    Auf der Typo 2002 geht es aber auch um die Jobs der Zukunft, buchstäblich um das Designen neuer Berufe. Branchenkenner Erik Spiekermann etwa geht davon aus, dass sich bald schon immer mehr Experten um das Gestalten von Informationen kümmern werden. Informations-Designer oder Informations-Architekten sind Berufe der Zukunft, so Spiekermann: "Mir fällt als bestes Beispiel ein, weil ich es selber gemacht habe, als vor sechs Jahren in Düsseldorf der Flughafen abgerannt ist, sind 18 Leute umgekommen, die meisten, weil sie den Notausgang nicht gefunden haben. Sie haben die Schilder nicht gesehen, die waren irgendwo in der Ecke, schlecht beleuchtet und zu dunkel. Wir haben deswegen als erste Aufgabe, als wir den Flughafen neu beschildert haben, dafür gesorgt, dass man überall hellgrüne, sehr leuchtende Notausgangsschilder sieht. Wenn es mal brennt, ist es egal, wie ästhetisch die sind, dann ist wichtig, dass man rauskommt." Derzeit beschäftigen sich weltweit erst rund 300 Gestalter mit dem Informations-Design. Doch sie werden eines Tages gefragt sein - da ist man sich auf dem Berliner Kongress sicher.

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    Die Messe Typo 2002 dauert noch bis Samstag, den 11.5.2002