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Doping im Radsport
Gnadenlos statt Null-Toleranz

Das Radsport-Team Sky versprach einst, beim Doping "null Toleranz" zu zeigen. Jetzt ist der Rennstall Vorreiter beim Dehnen von Regeln und Aushebeln von Traditionen - trotz laufenden Dopingverfahrens gegen Top-Fahrer Chris Froome.

Von Tom Mustroph | 22.04.2018
    Radprofi Chris Froome während der Vuelta
    Radprofi Chris Froome während der Vuelta 2017 (imago sportfotodienst)
    Chris Froome genießt die Tour of the Alps. Sie ist sein Vorbereitungsrennen für den Giro d'Italia.
    "Es sind sehr kurze, aber scharfe Etappen hier. Das führt zu sehr aggressivem Fahren. Und das ist perfekt für viele von uns. Es bringt das letzte bisschen Intensität vor dem Giro in den nächsten Wochen. Das hier ist besser als jedes Training, das ist sicher", sagte Froome am Rande des Rennens in den Alpen. Er dominiert es nicht, aber er ist vorn mit dabei.
    Ginge es nach einigen Anti-Doping-Kämpfern, wäre der Brite gar nicht am Start. Er hätte bestenfalls still für sich trainieren dürfen. Denn im vergangenen Herbst wurde er mit einer nicht erlaubten Dosis des Asthmamittels Salbutamol erwischt. Andere Fahrer mit dem gleichen Delikt wurden früher gesperrt. Bei Froome läuft das Verfahren weiter. Und es wird wohl auch weiter laufen, wenn er beim Giro d'Italia Anfang Mai startet.
    Haben Froomes Verteidiger das Verfahren verzögert?
    Ihm selbst scheint die Situation immerhin nicht ganz zu behagen.
    "Wir arbeiten so hart es geht, um diese Sachen noch vor dem Giro zu lösen. Ich hoffe sehr, dass ich nicht in dieser Situation ins Rennen gehen muss, und wir tun alles, um ein Resultat zuvor zu erhalten", sagte er noch im März.
    Doch es gibt Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner vorgeblichen Eile. Wiederholt sickerte durch, dass Froomes Verteidigerteam mit immer neuen Theorien das Verfahren verzögerte. Erst war es ein Nierenleiden, das als Ursache vorgebracht wurde. Dann wurde das Testverfahren als solches angegriffen.
    Solange kein Urteil gefällt ist, darf Froome weiter fahren.
    Das gefällt kaum jemandem im Radsportzirkus. Ralph Denk, Chef des Rennstalls Bora hansgrohe:
    "Schlecht für den Sport, schlecht für den Radsport. Aber die Regeln hat nicht der Radsport gemacht. Meines Wissens hat die Regel die Wada gemacht. Und an sich ist die Regel schlecht. Entweder raus oder rein. Team Sky kann man da vielleicht gar keinen so großen Vorwurf machen. Die halten sich an die Regeln. Aber das Regelwerk finde ich nicht in Ordnung."
    Das Regelwerk sah ursprünglich noch nicht einmal ein öffentlich kommuniziertes Verfahren bei einer Überschreitung des Grenzwerts vor. Französische Medien erfuhren aber davon und machten so den Fall publik. Eine Grenzwertüberschreitung von Salbutamol zieht laut dem Reglement der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auch nicht automatisch eine Suspendierung nach sich.
    "Ein Desaster für das Ansehen des Radsports"
    Team Sky setzt aber auch andere Maßstäbe an als andere Teams. Als 2007 der italienische Sprinter Alessandro Petacchi mit einer zu großen Menge Salbutamol erwischt wurde, suspendierte ihn sein damaliges Team Milram auf eigene Veranlassung. Team Sky, das sich selbst früher mit seiner Null-Toleranz-Politik gegenüber Doping brüstete, agiert im Vergleich zu Rennställen wie Milram großzügig. Null Toleranz?
    Froomes Agieren bringt seinen Sport gewaltig in die Bredouille.
    Der neue Weltradsport-Präsident David Lappartient sieht es als katastrophal an, dass Christopher Froome sowohl beim Giro als auch bei der Tour de France mit dem Damokles-Schwert einer nachträglichen Sperre über dem Kopf antreten will.
    "Das wäre ein Desaster für das Ansehen des Radsports. Vom juristischen Standpunkt aus hat er das Recht, zu fahren. Aber für das Ansehen unseres Sports wäre das ein Desaster", betonte Lappartient. Der neue UCI-Boss empfiehlt dem viermaligen Tour-de-France-Sieger recht unverblümt einen Startverzicht.
    "Ich denke, auch für ihn, um sich mehr auf seine Verteidigung konzentrieren zu können, wäre es besser, wenn er nicht starten würde."
    Froome konzentriert sich nur auf den Sport
    Froome schert sich nicht darum. Er beharrt auf seinem Startrecht. Die Giro-Veranstalter laden ihn auch nicht aus. Sie freuen sich über die Aufmerksamkeit, die Froomes Double-Versuch ihnen beschert. Die Tour de France-Organisatoren prüfen noch, ob es Klauseln gibt, dem Briten den Start zu verwehren.
    Zum Lachen ist momentan nur einem zumute: Chris Froome.
    "Das hier ist schon ein kleiner Vorgeschmack auf den Giro. Man sieht ein bisschen, wo die einzelnen Leute gerade stehen. Ja, das ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt", meinte Froome bei der Tour of the Alps. Er konzentrierte sich in seiner Vorfreude auf die rein sportliche Auseinandersetzung - und bemüht sich, den Schatten zu ignorieren, den er auf seinen Sport wirft.