Freitag, 19. April 2024

Archiv

Deutsch als Fremdsprache
Wirtschaftsinteressen im Vordergrund

Früher lernten viele Deutsch, um beispielsweise die Lyrik von Hölderlin im Original lesen zu können. Heute hat sich das gewandelt. Etwa 400 Wissenschaftler aus aller Welt diskutieren bei einem Kongress der Universität Münster darüber, wie wir Sprachen lernen, warum wir es tun und wie es einfacher werden könnte.

Von Heike Zafar | 21.03.2014
    Mehrere Wörterbücher stehen auf einem Tisch in einer Schule. Im Hintergrund ist eine Tafel zu sehen, vor der eine Frau steht.
    Rund 400 Wissenschaftler aus aller Welt beschäftigen sich in Münster mit dem Thema Spracherwerb (picture alliance / dpa / Marcus Führer)
    "Der, die, das…. das ist eine Singe… wir lernen diese Lied in Schule."
    Zugegeben: Deutsch ist nicht leicht, eine Sprache voller grammatikalischer Tücken und Stolpersteine: fünf Jahre lernen Yves und Marine jetzt schon Deutsch - und zwar – trotz allem, mit viel Spaß:
    "Das ist eine schöne Sprache, wenn ich hörte Deutsch ich finde die Sprache gut."
    Es könnte also schlimmer sein, aber: was kann man tun, damit ihr die deutsche Sprache etwas leichter von den Lippen geht? Solchen und ähnlichen Fragen widmet sich die 41. Jahrestagung: "Deutsch als Fremd- und Zweitsprache" an der Uni Münster - und es scheint komplizierter zu sein als man denkt.
    Wirtschaftliche Situation entscheidend
    "Variierende Gebrauchsmuster präpositionaler Anschlüsse aus der Perspektive des Deutschen als Fremdsprache" lautet etwa einer von 60 Vorträgen dieser Tagung - tatsächlich geht es darum, ob man sagt: er ist stolz über das Ergebnis? oder stolz auf das Ergebnis? Die Germanistin Fe Li ist zum Beispiel extra aus Schanghai angereist. In ihrem Land nehme das Interesse an der deutschen Sprache derzeit enorm zu, sagt sie, aber: Nicht etwa, weil die Chinesen Deutsch besonders lieben.
    "Viele Leute lernen Deutsch nur als Instrument, um andere Fächer zu studieren, zum Beispiel, Wirtschaft, Chemie oder Physik man kann nicht sagen ob beliebt oder nicht beliebt, es kommt darauf an, ob die wirtschaftliche Situation gut ist oder schlecht ist."
    Etwas ernüchternd, aber es ist das, was auch die Germanisten in ihren Forschungen herausgefunden haben: in den Schulen überall in der Welt wird Deutsch als Fremdsprache immer weniger unterrichtet, an den Universitäten und in der Erwachsenenbildung nimmt die Bedeutung zu, sagt auch Professor Uwe Koreik, Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache:
    "Ich würde sagen, die Bedeutung des Deutschen hat sich verändert, sie ist stärker berufsorientiert und praxisbezogen geworden, wer z. B. als Arzt nach Deutschland kommt, muss deutsch können das ist nicht mehr wie vor 40 Jahren wenn Germanistikstudenten nach Deutschland kamen, um Hölderlin im Original lesen zu können und dann für ein Germanistikstudium nach Deutschland kamen."
    Deutsches Fachvokabular wichtig
    Nicht Gedichte, sondern Worte wie "Gusseisenflansche" oder "Magnetresonanztherapie" sind gefragt – zum Beispiel bei arbeitslosen Griechen und Spaniern. Sie tragen derzeit kräftig dazu bei, dass Deutschkurse im Ausland boomen - Professor Uwe Koreik:
    "Das macht sich auch in der Nachfrage nach Fachsprachen sehr deutlich, Fachsprache Technik, Wirtschaft. Und zum Teil besteht das Problem, dass Lehrkräfte, die das kompetent unterrichten können, gar nicht ausreichend vorhanden sind."
    Computerprogramme können die fehlenden Sprachlehrer nicht ersetzen, sagt Uwe Koreik, auch das wird Thema dieser Tagung sein. Dabei wäre das sogenannte autonome Sprachenlernen vielleicht eine Lösung für Länder wie zum Beispiel Chile. Deutschlehrer werden dort händeringend gesucht, bestätigt Carola Orellana. Sie ist Dozentin an der Uni in Concepción und - vor allem um Kontakte zu anderen Deutschdozenten zu finden, zur Tagung nach Münster gereist.
    "Es ist kompliziert, weil es keine Förderung gibt an den Schulen, also es gibt keine Deutschlehrer, es gibt keine Ausbildung für Deutschlehrer in Chile, insofern fehlt es an Lehrern, aber auch so gibt es noch Interesse an die deutsche Sprache, weil es einen wissenschaftlichen Austausch gibt, zum Beispiel Ingenieure, Biologie, … die Deutsch lernen wollen."
    Erstes Fazit der Tagung: deutsche Literatur und Lyrik sind nicht mehr so gefragt bei den Deutsch-Lernenden im Ausland: Aber: Als Wissenschaftssprache und für geschäftliche Beziehungen nimmt die Bedeutung unserer Sprache zu.