Dienstag, 16. April 2024

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Deutsch in Migranten-Familien
"Es geht nicht um Pflicht und Zwang"

Deutsche Sprachkenntnisse von Migranten seien von überragender Bedeutung für die Integration, sagte Wolfgang Bosbach im DLF. Die Forderung der CSU, wonach Migranten-Familien zu Hause Deutsch sprechen sollten, "hat nichts mit Zwang zu tun", betonte der CDU-Politiker.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Christiane Kaess | 08.12.2014
    Ein Porträtfoto des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    In den Interpretationen von Politikern und Medien sieht Bosbach den Versuch, sich nicht ernsthaft mit dem Anliegen der CSU auseinanderzusetzen. "Wenn ich auf Dauer in Deutschland leben möchte, dann ist es von Bedeutung, in welchem Umfang ich deutsche Sprachkenntnisse habe", betonte Bosbach.
    Für den Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses steht außer Frage, dass die Muttersprache eines jeden zur Identität gehört. Jeder Einzelne entscheide individuell und souverän, wann und wo er welche Sprache benutze. Ein Zwang, wie seiner Meinung fälschlich von den Medien in den CSU-Vorstoß hineininterpretiert, habe die Schwesterpartei nicht gemeint. "Wenn man für Integration wirbt, hat das nichts mit Ressentiments gegen Ausländer zu tun. Man kann diesen Vorschlag auch umdrehen und anschließend draufschlagen", so Bosbach.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Für die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ist die CSU in Absurdistan angekommen wegen eines, wie sie es wörtlich bezeichnet, "komplett bescheuerten Vorschlags". Im Entwurf eines Leitantrages zu deren Parteitag Ende der Woche heißt es unter dem Titel "Integration durch Sprache": "Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie Deutsch zu sprechen."
    Wir sind jetzt telefonisch verbunden mit Wolfgang Bosbach von der CDU. Er ist Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag. Guten Morgen!
    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen.
    Kaess: Herr Bosbach, wir haben es gerade gehört. Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagt, es geht die Politik nichts an, ob ich zuhause Lateinisch, Klingonisch oder Hessisch rede. Hat er das damit gut auf den Punkt gebracht?
    "Es geht erkennbar nicht um eine rechtliche Verpflichtung"
    Bosbach: Na ja, gut. Natürlich: Wenn man den CSU-Vorschlag nicht so nimmt, wie er tatsächlich gemeint ist, sondern indem man ihn karikiert, indem man die Behauptung aufstellt, die CSU hätte Deutsch zuhause zur Pflicht machen wollen, dann kann man sich natürlich so äußern.
    Mittlerweile haben ja die Journalisten ganz Deutschland die Gelegenheit gegeben, einmal über die CSU herzuziehen, und auch wenn ich Sie jetzt enttäuschen muss: Ich möchte mich in diese Reihe nicht stellen, denn hier geht es ja erkennbar nicht um eine rechtliche Verpflichtung, Deutsch zu sprechen - deswegen ist auch Sprachpolizei und anderes mindestens so kritikwürdig wie der Vorschlag der CSU -, sondern die CSU will wohl deutlich machen, dass deutsche Sprachkenntnisse für die Integration in unserem Land, insbesondere für die Integration von Kindern von überragender Bedeutung sind. Das ist alles.
    Kaess: Aber die Formulierung des Vorschlages heißt schon so, "soll dazu angehalten werden", und das klingt nach Auflage. Geht es den Staat tatsächlich etwas an, was in den eigenen vier Wänden gesprochen wird?
    "Anhalten bedeutet doch nicht Rechtspflicht oder Sprachpolizei"
    Bosbach: Was heißt angehen? Was verstehen Sie unter angehen?
    Kaess: Das, was man zum Beispiel aus dieser Formulierung "soll dazu angehalten werden" lesen kann.
    Bosbach: Ja. Anhalten heißt für mich darauf hinweisen, deutlich machen, betonen. Das hat mit Pflicht, das hat mit Zwang überhaupt nichts zu tun. Sehen Sie mal, es ist doch ein großer Unterschied, ob die CSU sagen würde - und dann wäre jede Kritik berechtigt -, wir verlangen, wir halten das für eine Rechtspflicht, wir setzen das durch, dass zuhause Deutsch gesprochen wird - selbstverständlich würde die CSU einen solchen Vorschlag nicht machen -, oder ob man sagt, liebe Leute, wir weisen darauf hin, dass Kenntnisse der deutschen Sprache für die Integration in Staat und Gesellschaft, für die schulischen Lernerfolge, für Erfolg im Beruf von großer Bedeutung sind, deswegen betonen wir die Wichtigkeit von deutschen Sprachkenntnissen. Das ist doch alles! "Anhalten" bedeutet doch nicht Rechtspflicht oder Sprachpolizei. Deswegen, ich frage mich jetzt ganz ernsthaft: Warum setzt man sich nicht mit dem ernsthaft, von mir aus auch kritisch auseinander, was die CSU tatsächlich fordert, sondern dreht diesen Vorschlag der CSU weiter, damit man ihn kritisieren kann.
    Kaess: Aber die CSU fordert ja tatsächlich Deutsch in der Familie und im öffentlichen Raum. Das geht doch in Richtung Verdrängung der eigenen Muttersprache, und gehört die denn nicht zur Identität eines Menschen?
    Bosbach: Doch, selbstverständlich! Es ist nur ein großer Unterschied, ob man sagt, ich habe meine Muttersprache, die Sprache meiner Eltern und Großeltern, ich möchte aber auf Dauer in Deutschland leben. Und warum machen wir eigentlich Sprachstandserhebungen bei Vier- und Fünfjährigen schon vor der Einschulung, wenn wir der Meinung sind, das Lernen der deutschen Sprache ist doch nicht von so großer Bedeutung?
    Warum gibt es eigentlich den Paragraphen vier Absatz drei in der Integrationskurs-Verordnung, der auch darauf abstellt, wie wird eigentlich zuhause gesprochen? Warum machen wir eigentlich Sprachkurse wie "Mama lernt Deutsch", wenn es angeblich nicht von Bedeutung ist, in welchem Umfange man Kenntnisse der deutschen Sprache hat? Es geht doch nicht um Pflicht, es geht doch nicht um Zwang, es geht doch nicht darum, dass der Staat kontrollieren oder sich auch nur einmischen soll, wie zuhause gesprochen wird. Es geht um die Betonung der Bedeutung der deutschen Sprachkenntnisse für diejenigen, die jedenfalls auf Dauer in Deutschland hier leben und arbeiten möchten.
    Kaess: Aber wo soll denn die Muttersprache noch gesprochen werden, wenn nicht mehr in der Familie und auch nicht mehr im öffentlichen Raum?
    Bosbach: Ja selbstverständlich kann man die Muttersprache sprechen, so häufig wie man es möchte. Das ist doch nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, welche Integrationschancen habe ich. Oder meinen Sie jetzt nur die Muttersprache oder die Sprache der Eltern und Großeltern?
    Kaess: Die Muttersprache.
    Bosbach: Ja! Meinen Sie jetzt nur diese Sprache, oder neben der deutschen Sprache?
    "Es geht nicht um Pflicht und Zwang"
    Kaess: Nein. Ich frage Sie, wo die überhaupt noch gesprochen werden soll, wenn man sagt, auch nicht mehr zuhause in der Familie und im öffentlichen Raum.
    Bosbach: Entschuldigung! Das entscheidet doch jeder Einzelne. Jeder Einzelne entscheidet individuell und souverän, wann er wo welche Sprache benutzt, sei es in der Familie oder sei es im öffentlichen Raum. Das steht doch völlig außer Streit. Ich hoffe aber, dass auch außer Streit steht, dass, wenn man in der Schule Erfolg haben will, im Beruf Erfolg haben will, gute Integrationschancen in der Gesellschaft, dass dann das Beherrschen der deutschen Sprache von großer Bedeutung ist.
    Kaess: Das ist natürlich jetzt eine ganz andere Formulierung als das, was die CSU formuliert hat.
    Bosbach: Ja, genau! Deswegen sage ich ja, das ist eine Frage, wie man das auslegt, was man unter "anhalten" zu verstehen hat. Meiner Überzeugung nach geht es nicht um Pflicht und Zwang. Da weiß die CSU doch selber, so was kann und soll überhaupt nicht durchgesetzt werden. So was könnte auch gar nicht sanktioniert werden vom Staat. Selbstverständlich denkt auch in der CSU niemand daran, jemand nach Hause zu schicken, der kontrolliert, in welcher Sprache dort gesprochen wird.
    Kaess: Das ist genau die Frage, wie beabsichtigt diese Formulierung war. Herr Bosbach, dieser CSU-Vorschlag ist jetzt viel als Stimmungsmache auch bezeichnet worden. Ist das angebracht in einer Situation, in der wir fast täglich diskutieren, wie wir umgehen sollen mit den vielen Flüchtlingen, die nach Europa und nach Deutschland kommen?
    Bosbach: Ich glaube, wenn man sagt - das gilt jedenfalls für die Flüchtlinge, die aus Syrien kommen, das gilt für die Flüchtlinge, die aus dem Irak kommen, für diejenigen, die vor politischer Verfolgung, Krieg oder Bürgerkrieg fliehen. Vielleicht geht auch ein Teil wieder zurück, der größte Teil wird aber in Deutschland bleiben, oder zumindest in Deutschland bleiben wollen. Dann bieten wir ihnen doch Sprach- und Integrationskurse an! Das ist doch eine Forderung. Sie können auch jetzt erleichtert auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Arbeit aufnehmen. Und wenn man dann darauf hinweist, dass deutsche Sprachkenntnisse dieses sehr erleichtern, dann hat das doch nichts mit Fremdenfeindlichkeit, mit Xenophobie zu tun. Wenn man für Integration wirbt, dann hat das doch nichts mit Ressentiments gegen ausländische Mitbürger zu tun.
    Ich verstehe es ja gerade nicht als Zwang, als Pflicht, das was die CSU vorschlägt, sondern als Betonung der Bedeutung von deutschen Sprachkenntnissen, wenn man jedenfalls auf Dauer in Deutschland bleiben will. Ich gebe sofort zu: Man kann diesen Vorschlag auch umdrehen und dann anschließend draufschlagen. Das kann man auch, das verstehe ich. Aber interessant ist ja, dass sich jedenfalls ein großer Teil der Kritik nicht mit dem beschäftigt, wie man den Antrag jedenfalls auslegen könnte, sondern wie man ihn auslegen will, damit man ihn anschließend kritisieren kann.
    Kaess: So verdreht haben wir ihn jetzt nicht wirklich, aber lassen Sie uns in dem Zusammenhang noch auf eine Forderung der deutschen Wirtschaft vom Wochenende gucken. Die fordert nämlich einen noch schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber, weil deutsche Firmen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern suchen und viele Flüchtlinge gut ausgebildet sind. In diesem Zusammenhang hat DIHK-Präsident Schweitzer genau das "Problem" mit der Sprache angesprochen. Er sagt, ein Land wie Deutschland, das international so vernetzt ist wie kaum ein anderes, braucht junge Menschen, die sich in mehreren Kulturen auskennen und mehrere Sprachen sprechen. Das hört sich ganz anders an als der CSU-Vorschlag.
    "Es gibt jetzt einen erleichterten Arbeitsmarktzugang"
    Bosbach: Erstens hat er da recht. Zweitens hat Herr Schweitzer - ich habe das nicht so verstanden - nicht gesagt, dass deutsche Sprachkenntnisse in diesem Zusammenhang überhaupt keine Bedeutung haben. Die CSU sagt doch nicht, es darf nur Deutsch gesprochen werden und keine andere Sprache. Wo steht das in dem Antrag der CSU drin? Sondern die CSU sagt: Wer auf Dauer in Deutschland leben möchte, der sollte sich jedenfalls darum bemühen, die deutsche Sprache in Wort und Schrift so gut wie möglich zu beherrschen.
    Bisher hatten wir, was den Arbeitsmarktzugang angeht, eine neunmonatige Sperrfrist. Das war der europaweit einheitliche Zeitraum. Jetzt haben wir das gesenkt auf drei Monate. Das wird den Zuzug nach Deutschland nicht dämpfen, das wird ihn eher verstärken, wenn man sagt, es gibt jetzt einen erleichterten Arbeitsmarktzugang in Deutschland gegenüber den anderen Staaten der Europäischen Union. Nun gut.
    Kaess: Werden wir noch mehr Sprachen bekommen im Land?
    Bosbach: Bitte?
    Kaess: Werden wir noch mehr Sprachen bekommen im Land?
    Bosbach: Ja. Mit jedem Zuzug aus einem anderen Sprachraum bekommen wir Sprachenvielfalt. Das ist präzise festgestellt. Aber in den ersten drei Monaten läuft doch auch das Aufnahmeverfahren. Da gibt es die Unterbringung in den Erstaufnahme-Einrichtungen der Länder, dann kommt die Zuweisung vor Ort, dann wird entschieden, ob ein dauerhaftes Bleiberecht oder vorübergehender Abschiebeschutz, oder ob man kein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommt, und erst dann kann man doch sinnvollerweise, erst nach der Frist von drei Monaten, den Arbeitsmarktzugang gewähren. Die Durchführung des Anerkennungsverfahrens, das muss schon sichergestellt sein in den ersten drei Monaten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Frist von drei Monaten weiter reduzieren.
    Kaess: ... , sagt Wolfgang Bosbach von der CDU. Er ist Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag. Danke für das Gespräch.
    Bosbach: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.