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Deutsch lernen
Unabhängig vom Aufenthaltsstatus fördern

Rund 180 "Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse" gibt es in Berlin. So heißen die Willkommensklassen im Amtsdeutsch. Hier lernen sowohl Kinder von geduldeten Flüchtlingen und Asylbewerbern als auch Zuwanderer aus Osteuropa. Entscheidend ist allein das Recht auf Bildung.

Von Dorothea Jung | 25.01.2014
    "Einen schönen guten Morgen! Guten Morgen Frau Müller Noack. Was haben wir denn heute für einen Tag? Freitag."
    In der Willkommensklasse der Grundschule am Teltow-Kanal in Berlin Neukölln. Die zwölf Jungen und Mädchen, die hier mit ihrer Lehrerin Gabriele Müller-Noack im Stuhlkreis sitzen, konnten kein Wort deutsch, als sie in diese Lerngruppe kamen. Inzwischen haben sie aber schon kleine Fortschritte gemacht.
    Schülerin: "Ich heiße Simona."
    Lehrerin: "Ich komme aus?"
    Schülerin: Ich komme aus Bulgarien, ich bin acht Jahre.
    Lehrerin: "Alt."
    Schülerin: "Alt."
    Lehrerin: "Okay, Emilian?"
    Schüler: "Ich heiße Emilian, ich komme aus der Ukraine, ich bin neun Jahre alt."
    Lehrerin: "Sehr gut."
    Die Kinder strahlen, wenn ihnen ein Satz gelingt. Ganz offensichtlich haben sie Spaß am Lernen. Aber es fällt ihnen nicht leicht, sich lange zu konzentrieren.
    Gabriele Müller-Noack: "Viele Kinder können wenig lesen uns schreiben, wenn sie zu uns kommen. Und manche auch gar nicht, und die sind auch diesen Schulbetrieb nicht so gewöhnt, wie das hier in Deutschland läuft."
    Thema der heutigen Stunde: Obst und Gemüse. Mithilfe kleiner Lernspiele lässt die Lehrerin Wörter üben wie Salat, Banane, Tomate und:
    "Karotte! JA!"
    Und dann geht es an die schwierigeren Übungen: Die Begriffe sinnvoll zuzuordnen, richtig zu lesen und zu schreiben und einen Satz wie "Die Erdnüsse schmecken salzig" korrekt auszusprechen.
    Schüler: "Die Erdnüsse schm, - schm-."
    Lehrerin: "Sag mal fünf Mal: schmecken."
    Schüler: "Schmecken, schmecken, schmecken, schmecken."
    Lehrerin: "Lacht, ja!"
    Grundschullehrerin Gabriele Müller - Noack leitet eine von rund 180 Berliner "Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse" - so heißen die Willkommensklassen im Amtsdeutsch des Landes. Für die Zuordnung eines Kindes in eine derartige Klasse spielen nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung für Bildung weder seine Nationalität noch sein Aufenthaltsstatus eine Rolle, sondern allein sein Recht auf Bildung. Deswegen kann es sein, dass in einer Klasse sowohl Kinder von geduldeten Flüchtlingen und Asylbewerbern als auch Zuwanderer aus dem osteuropäischen Raum lernen. Insgesamt sind im vergangenen Jahr in Berlin mehr als 2500 Kinder ohne Deutschkenntnisse eingeschult worden. In einigen Bezirken bringen die Schulen diese Kinder in Regelklassen unter und erteilen ihnen zusätzlich gesonderten Sprachunterricht. Aber ein Großteil der Schulen entscheidet sich für die Einrichtung vorübergehender Willkommensklassen. Gabriele Müller-Noack zufolge ist das sinnvoll.
    Gabriele Müller Noack: "Die Kinder brauchen sehr viel Einzelrückmeldung von den Lehrern. Man muss direkt Bezug nehmen auf die Schwierigkeiten, die die Kinder mitbringen. Und wenn sie dann schon gleich in der Regelklasse untergebracht werden, dann fehlt das, weil da sehr viel mehr Kinder sind und der Lehrer sich nicht so einzeln um sie kümmern kann."
    Das Ziel sei immer, ein Kind so schnell wie möglich in eine Regelklasse einzuschulen, versichert Gabriele Pronzinski, die Rektorin der Teltow-Kanals-Grundschule, spätestens nach einem Jahr.
    Rektorin: "Und wenn die Kinder es schaffen, früher so gut zu sein, dass sie am Unterricht teilnehmen können, dann werden sie auch vor Ablauf eines Schuljahres in Regelklassen überführt."