Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Deutsch-österreichisches Satiriker-Duo auf Tour
"Als Norbert Hofer angesprochen zu werden ist echt unangenehm"

Ihre wöchentliche Late-Night-Show "Willkommen Österreich" hat längst Kult-Charakter, zumindest in Österreich: Derzeit stellen die Kabarettisten Stermann und Grissemann in Deutschland ihr neues Programm "Gags, Gags, Gags" vor – also im Prinzip die Fernsehshow auf der Bühne. Ob und wie das funktioniert?

Dirk Stermann und Christoph Grissemann im Gespräch mit Andreas Beckmann | 13.03.2017
    Die Kabarettisten Dirk Stermann (l.) and Christoph Grissemann aus Österreich.
    Die Kabarettisten Dirk Stermann (l.) and Christoph Grissemann aus Österreich. (picture-alliance/ dpa / Barbara Gindl)
    Andreas Beckmann: 350 mal gab's "Willkommen Österreich" im Fernsehen. Warum, Christoph Grissemann, jetzt die Idee, das auf Bühne zu bringen?
    Christoph Grissemann: Das entstand eigentlich ausschließlich aus Mangel an anderen Ideen. Wir haben gedacht, wir nutzen einfach die Gelegenheit, durch unsere Fernseh-Prominenz auch auf der Bühne das Geld aus den Leuten herauszuholen. Wir haben keine Impulse und keine Ideen für ein Kabarett-Programm gehabt und haben gedacht, wir machen einfach die Fernsehsendung auf der Bühne.
    Andreas Beckmann: In Deutschland kennt man die nicht so gut, auch wenn man sie im Internet anschauen kann. Dirk Stermann, was zeichnet diese Fernseh-Sendung aus? Was passiert da?
    Dirk Stermann: Das ist eine ganz klassische Late-Night-Show und ich glaube, was sie auszeichnet, ist, dass sie relativ echt ist. Also, wir verhalten uns wie Menschen sich verhalten und weniger wie Fernseh-Moderatoren sich verhalten. Das heißt, wir sind mal betrunken, wir sind mal müde, wir sind mal ärgerlich aufeinander und das wird alles ausgelebt, ohne dass es quasi eine Show ist, sondern es ist dann tatsächlich so, dass wir dann betrunken sind und wirklich sauer sind aufeinander.
    Stermann und Grissemann touren mit ihrem neuen Bühnenstück "Gags, Gags, Gags" durch Deutschland
    Stermann und Grissemann touren mit ihrem neuen Bühnenstück "Gags, Gags, Gags" durch Deutschland (Udo Leitner)
    Beckmann: Im Pressetext ist angekündigt: "feine Beschimpfungen". Wie macht man das, beschimpfen und dabei fein bleiben?
    Grissemann: Ich glaube, das kann der Wiener. Der Wiener kann das schlimmste zu einem Menschen sagen, aber er kann das mit Charme verzieren, die Worte, die grauenhaften. Und das ist für mich eine feine Beschimpfung. Wenn es vom Tonfall so daher kommt, als wäre es eine Liebeserklärung, aber in Wahrheit ist es die Zerstörung eines Menschen, das kann der Wiener.
    "Skandal, das die Böhmermann-Affäre überhaupt ein Skandal war"
    Beckmann: Das Thema Beschimpfung ist ja in Deutschland im Moment, zumindest in der Kabarettszene sehr virulent wegen der Böhmermann-Geschichte. Ihr habt auch Erdogan und die Ziege drin und trotzdem ist es nicht so skandalös. Wie macht ihr das?
    Grissemann: Skandalös? Naja, was soll daran skandalös sein. Es war ja schon ein Skandal, dass das überhaut, dass die ganze Böhmermann-Affäre überhaupt ein Skandal war. Meiner Meinung nach ist das lächerlich! Böhmermann kann doch machen was er will. Insofern ist das auch wieder nur eine Satire auf die Böhmermann-Affäre. Allein die Verwendung des Wortes Ziege in einem Satz mit dem Wort Türkei ist ja nichts anderes als eine satirische Betrachtung dieser seltsamen Affäre. Also, es steckt überhaupt kein Skandal-Potenzial und Wallungswert in diesem, unserem Programm. Insofern kann jeder reingehen. Keiner wird tatsächlich ernsthaft beleidigt und alle Nationen haben, glaube ich, auch kein Problem mit unserem Programm. Wir sind eine Blödel-Beschimpfungsmaschine, aber ernst nehmen muss man uns, glaube ich, nicht.
    Beckmann: Ihr seid aber durchaus für Provokationen auch gut. Ihr habt jetzt vor kurzem "Austria Second" präsentiert, eine Selbstbeweihräucherung, eine ironische, für Österreich, wo es darum ging, Österreich hat den Muslim-Bann erfunden, zweimal die Türken geschlagen, zwei Weltkriege begonnen. Hat Euch das überrascht, dass dann aus der FPÖ zum Beispiel wieder die Rede war, von wegen, so etwas mit "Zwangsgebühren", also wollt Ihr solche Provokationen auch oder ist das ein ungewollter Nebeneffekt?
    Stermann: Das war wirklich interessant, fand ich, weil wir gerade über Böhmermann gesprochen haben: Damals hat die FPÖ massiv aufgeschrien, dass Satire alles darf, weil es natürlich gegen Türken ging. Der FPÖ hat das ja gut gefallen, die haben ja Böhmermann massiv verteidigt. Als wir das dann gemacht haben, hat die FPÖ das genaue Gegenteil gemacht und hat uns dann beschimpft, weil wir Österreich schlecht gemacht haben. Das heißt, das war auch ein gutes Momentum um zu sehen, wie diese Leute funktionieren in ihrem Kopf. Also wann immer es gegen jemanden geht, den sie auch nicht gut finden, ist das super, wann immer es quasi gegen sie und ihre Leute geht, ist es natürlich furchtbar und muss sofort verboten werden.
    "Satire kann nichts Besseres passieren, als von einer rechtspopulistischen Partei beschimpft zu werden"
    Grissemann: Ja, aber solche "Provokationen" in Anführungsstrichen werden nicht von uns irgendwie angedacht und extra ins Programm gesetzt, sondern so etwas passiert oder passiert nicht und wenn man von der FPÖ beleidigt wird, ist das natürlich das Beste, was einem passieren kann als Satire-Sendung im Fernsehen, besser geht es ja gar nicht. Jede negative Werbung ist auch eine Werbung und wir hatten nach dieser kleinen FPÖ-Affäre wieder bessere Quoten. Das weiß natürlich auch Herr Strache von der FPÖ und hält sich tunlichst zurück jahrelang, bis er dann einmal vielleicht kurz etwas sagt, aber etwas Besseres kann Satire gar nicht passieren, als dass sie großflächig von einer rechtspopulistischen Partei beschimpft wird.
    Christoph Grissemann, gebürtiger Tiroler, war ursprünglich auch als Radio-Moderator aktiv
    Christoph Grissemann, gebürtiger Tiroler, war ursprünglich auch als Radio-Moderator aktiv (Udo Leitner)
    Beckmann: In den Medien hier in Deutschland, aber auch in den USA wird zum Teil gesagt, die Satiriker sind die letzten Analytiker oder Kritiker, die Politiker wie Trump oder Hofer oder hier von der AfD ernst nehmen müssen. Ist da was dran?
    Stermann: Ich glaube, dass das stimmt. Das habe ich jetzt schon von mehreren Seiten gehört, die Rechts-Populisten kennen oder aus dieser Bewegung kommen wie zum Beispiel der Stefan Petzner, den wir auch schon mal in der Sendung hatten. Und die Leute behaupten alle dann, dass das einzige, wovor Rechtpopulisten Angst haben, Satire ist. Also nicht der politische Gegner, also nicht das Argument, ist das, was sie fürchten, sondern dass man sich lustig macht über sie. Die wollen halt Angst verbreiten und ein Angstklima schaffen, davon leben sie ja, und wenn man sich über dieses Klima lustig macht, das sie schaffen, dann fällt ihre kleine Welt in sich zusammen.
    Beckmann: Täuscht der Eindruck, oder seid Ihr in letzter Zeit, gerade auch im Zusammenhang mit den ewig sich hinziehenden Präsidentschaftswahlen, wieder etwas politischer geworden?
    Grissemann: Ich glaube, der Eindruck täuscht.
    Stermann: Ich glaube, der Eindruck täuscht nicht, weil es eine politischere Zeit war und weil in Österreich es monatelang oder eigentlich ein Jahr lang um diese Frage ging und das Land so in zwei Teile gefallen war und wir halt immer über die Dinge reden, die gerade anliegen. Und insofern war das eine politischere Zeit und war dieses Thema häufiger präsent.
    "Es ist egal, auf welcher Bananenschale Charlie Chaplin ausrutscht, Hauptsache er rutscht aus"
    Beckmann: Sind solche ja nicht unbedingt schlechten, aber konfrontative Zeiten gute Zeiten für Kabarettisten?
    Stermann: Ich glaube, jede Zeit ist gleich gut. Das haben wir oft schon gesagt und das stimmt auch. Für uns ist es völlig egal, ob es Howard Carpendale ist oder H.C. Strache, über den man redet, eigentlich. Als Privatmensch nicht, aber als Bühnenfigur ist es für uns egal. Das wird vielleicht H.C. Strache ärgern, aber er ist dann für mich auch nicht mehr wert als die Schlagersängerin Michelle.
    Grissemann: Um es sinnbildlich zu sagen, es ist egal, auf welcher Bananenschale Charlie Chaplin ausrutscht, Hauptsache er rutscht aus. Insofern ist das Medium, das man bearbeitet, fast wurscht. Stimmt. Ob es der Songcontest ist oder ein Getränkeautomat, über den man Witze macht, ist fast egal. Hauptsache, der Witz stimmt.
    Dirk Stermann kommt gebürtig aus Duisburg, lebt und arbeitet aber seit 1988 in Österreich
    Dirk Stermann kommt gebürtig aus Duisburg, lebt und arbeitet aber seit 1988 in Österreich (Udo Leitner)
    Stermann: Die Aufregung ist natürlich größer, wenn es etwas Gesellschaftspolitisches ist, wo gerade alle drüber reden.
    Grissemann: Ja, aber wenn alle über Trump reden, ist es natürlich auch langweilig, den letzten Trump-Frisurenwitz zu machen. Da rede ich dann lieber über Borkenkäfer als über Donald Trump.
    Beckmann: Könnt Ihr Politiker noch ernst nehmen?
    Stermann: Naja, kann man schon, man muss es ja auch ernst nehmen, weil es ja auch teilweise einen Bezug zum eigenen Leben hat.
    "Man braucht ein klares visuelles Bild eines Menschen, den man parodieren muss"
    Beckmann: Ihr hattet ja auch einen lange Zeit in "Willkommen Österreich", den ihr fast liebevoll porträtiert habt, den ehemaligen Bundespräsidenten Fischer, mit Grissemann als etwas vertrotteltem Bundespräsidenten und Stermann als Präsidenten-Gattin. Wie kommt Ihr zu so einer speziellen Beziehung zu einem Politiker? Was zeichnet diesen Fischer für Euch aus?
    Grissemann: Zum einen war die Parodie Heinz Fischer insofern naheliegend, als er leicht parodierbar ist vom Äußeren. Er hat eine Betonfrisur und er hat sehr buschige Augenbrauen. Das heißt, durch das Aufsetzen einer grauen Perücke und durch das Ankleben zweier buschiger Augenbrauen ist man Heinz Fischer. Plus der Anzug natürlich und die verkrampften Bewegungen. Das heißt, man braucht ein klares visuelles Bild eines Menschen, den man parodieren muss. Insofern war Fischer ideal, plus Fischer ist in Österreich so etwas wie wahrscheinlich Merkel in Deutschland, irgendwie der Papi der Nation. Alle mögen ihn irgendwie ganz gern. Und er selbst hat diese Parodie auch immer zugelassen und das nie verhindert, was ja auch relativ einzigartig ist. Er könnte ja mit einer kleinen Mail locker verhindern, dass wir ihn parodieren. Und Stermann als Präsidenten-Gattin ist natürlich auch kurios gewesen, insofern war das, glaube ich, für das ganze Land Österreich, die beste Parodie, die man machen konnte zu der Zeit.
    Beckmann: Darf van der Bellen mit einer ähnlichen Ehre rechnen?
    Christoph Grissemann und Dirk Stermann
    Christoph Grissemann und Dirk Stermann (Udo Leitner)
    Stermann: Im Bundespräsidentschaftswahlkampf hat ja Christoph immer den Norbert Hofer gespielt und ich den Alexander van der Bellen, der interessanterweise aber nicht sehr leicht zu parodieren ist, weil er so wenig Angriffsflächen bietet. Er ist Raucher, er ist bedächtig, er denkt nach, bevor er antwortet, und er ist langsam und alt. Jemand der nachdenkt bei einer Antwort, das ist schwer zu parodieren. Wohingegen Norbert Hofer, der Kandidat der Rechtspopulisten, ganz viele Angriffsflächen bot. Da gab es so viele Möglichkeiten und wäre Norbert Hofer Bundespräsident geworden, hätte Christoph wahrscheinlich den Norbert Hofer öfter spielen müssen, aber er ist, glaube ich - oder? - ziemlich froh, dass Du das nicht machen musst.
    Grissemann: Ich bin sehr froh! Ich möchte auch nicht als der Präsidentenparodist Österreichs in die Geschichte eingehen. Ich kann nicht alle Präsidenten parodieren! Aber vor allem Hofer war mir dann auch echt unangenehm. Wenn du auf der Straße dann angesprochen wirst als Norbert Hofer ist das etwas Unangenehmeres, als wenn du als Heinz Fischer angesprochen wirst, bzw. mit dieser Parodie in Verbindung gebracht wirst. Insofern war ich froh, dass es Norbert Hofer nicht geworden ist, aber er hat ja angedroht, dass er in vier Jahren wieder antritt und ich traue es unserem schrecklichen Land zu, dass er dann tatsächlich zum Präsidenten gewählt wird. Und dann muss ich wieder raus und mir den Stock holen und mir die komische Frisur machen und bin dann erneut Norbert Hofer. Aber, das ist halt der Fluch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.