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"Deutsch-polnische Beziehungen sind so gut wie nie"

Mit dem Sieg des ehemaligen Freiheitskämpfers Bronislaw Komorowski wird Polens Weg in die Euro-Zone leichter, sagt Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Um die guten Beziehungen zu Polen zu stärken, sollte das deutsch-polnische Jugendwerk noch besser unterstützt werden.

Cornelia Pieper im Gespräch mit Friedbert Meurer | 05.07.2010
    Friedbert Meurer: Am Telefon begrüße ich nun Cornelia Pieper von der FDP, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und zuständig für die deutsch-polnischen Beziehungen. Guten Morgen, Frau Pieper.

    Cornelia Pieper: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Sind Sie froh, dass Komorowski Präsident Polens wird und nicht Jaroslaw Kaczynski?

    Pieper: Das polnische Volk hat in freier Wahl entschieden, es hat sich für Bronislaw Komorowski entschieden, ich gratuliere dem neuen Präsidenten Polens und ich bin schon jetzt auch sehr erfreut darüber, weil ich glaube, dass klar wird, dass mit diesem Präsidenten, der ja im Grunde genommen auch aus der Bewegung Solidarnosc kommt, der im Grunde genommen auch der Partei des Ministerpräsidenten Tusk angehört, es leichter sein wird, auf dem Weg Polens in Europa, in die Euro-Zone weiter voranzukommen und gemeinsam zusammenzuarbeiten.

    Meurer: Was wissen Sie über den neuen polnischen Staatspräsidenten Komorowski?

    Pieper: Ich selbst habe ja die Solidarnosc sehr aktiv verfolgt, weil ich selbst 1980 in Polen studiert habe, auch die Streiks miterlebt habe. Ich weiß, dass der Bronislaw Komorowski, der neue Präsident, ein sehr, sehr herausragender Freiheitskämpfer auch der Solidarnosc-Bewegung war, Herausgeber einer Untergrundzeitung, verhaftet und interniert war in der damaligen Zeit, als die PVAP, die kommunistische Partei, noch regiert hat. Er hat sich immer für ein freies und demokratisches Europa eingesetzt, er ist ein Bürgerrechtler und ich glaube, damit hat Polen auch eine herausragende Persönlichkeit gewählt.

    Meurer: Komorowski gilt ja als wirtschaftsliberal, als Wirtschaftsreformer. Polen boomt ökonomisch im Augenblick, was hier in Deutschland relativ wenig zur Kenntnis genommen worden ist. Wählen die Polen im Aufschwung eher einen Wirtschaftsreformer?

    Pieper: Ich stelle mit Freuden fest, dass der Reformkurs der liberal-konservativen Regierung Tusk auch von der Bevölkerung positiv begleitet wird. Das ist für mich auch das Ergebnis der Präsidentenwahlen. Wir haben erlebt, dass 2009 in Zeiten der Krise Polen das EU-Mitgliedsland mit dem höchsten Wirtschaftswachstum war. Sie werden ihr Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wahrscheinlich noch mal verdoppeln. Man ist dabei, auch das hohe Defizit im Haushalt abzubauen und von über sieben auf unter drei Prozent zu drücken. Das alles sind gute Signale auch für unsere Zusammenarbeit und für eine Stärkung Europas.

    Meurer: Ist es sogar so, dass wir von den Polen was lernen können?

    Pieper: Ich denke, wir können uns gegenseitig bereichern, was unsere Erfahrungen anbelangt. Auch von den Polen können wir natürlich was lernen, gar keine Frage, denn die Polen sind ein Volk, was nicht nur sehr patriotisch veranlagt ist, sondern was im Grunde genommen auch sehr durch Eigeninitiative, durch Kreativität und Leistungsbereitschaft sich auszeichnet, und das wird sehr positiv auch die Entwicklung nicht nur in unseren Beziehungen, sondern in Europa beeinflussen.

    Meurer: Der neue Präsident Komorowski, Frau Pieper, will sich dafür einsetzen, dass Polen innerhalb der nächsten fünf Jahre Mitglied im Euro-Club wird. Ist Polen reif für die Euro-Währung?

    Pieper: Ja. Polen hat ja, der Regierungschef Tusk hat ja selbst zum Ausdruck gebracht, dass das ein klares Ziel auch Polens bleibt. Das begrüßen wir auch außerordentlich. Als europäisches Mitgliedsland ist natürlich Polen auch gefordert, jetzt auch die Kriterien zu schaffen, um Mitglied in der Euro-Zone zu werden. Ich glaube, dass Polen das auch in fünf Jahren erreichen wird, vielleicht sogar noch eher, wenn dieser erfolgreiche Wirtschaftskurs fortgesetzt wird. Deswegen ist es ein gutes Ziel, was auch der Präsident hier noch mal zum Ausdruck gebracht hat.

    Meurer: An der Spitze, an der politischen Spitze Polens, Frau Pieper, stehen jetzt zwei deutschlandfreundliche Politiker, Donald Tusk als Premier, sein Parteifreund Komorowski als Staatspräsident. Wenn wir uns erinnern: der Streit um die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung scheint beigelegt, Erika Steinbach hat ja verzichtet. Sind die deutsch-polnischen Beziehungen so gut wie nie zuvor?

    Pieper: In der Tat sind die deutsch-polnischen Beziehungen so gut wie nie zuvor. Das hat ja einmal der deutsche Außenminister, Herr Westerwelle, mehrmals auch deutlich gemacht, auch mit seinem ersten Besuch als Außenminister in Polen nach Amtsantritt, aber auch der polnische Außenminister Sikorski hat bei seinem letzten Treffen mit Herrn Westerwelle gesagt, die Beziehungen sind so gut wie nie. Das liegt aber auch daran, dass wir in die Zukunft blicken. Wir wollen gemeinsam Europa gestalten, auch mit dem Schwerpunktthema östliche Partnerschaft, auch mit den Beziehungen zu Russland, die sich ja erfreulicherweise für Europa auch dank der Initiative Polens sehr positiv entwickeln. Das sind alles Themen, die wir gemeinsam gestalten können. Von daher, glaube ich, ist es berechtigt zu sagen, dass die Beziehungen zwischen unseren Ländern noch nie so gut wie jetzt waren.

    Meurer: Vielleicht sehen das die Vertriebenen hier in Deutschland anders. Sind deren Interessen unter die Räder geraten?

    Pieper: Wir haben ja auch immer dazu beigetragen, dass es eine Erinnerungskultur gibt. Gerade hat in Berlin die deutsch-polnisch-russische Historikerkonferenz zur Aufarbeitung auch der Geschichte stattgefunden. Auch was die Geschichte der Vertriebenen anbelangt, das Erinnern, sind, denke ich, alle Beteiligten offen. Ich halte es für richtig, dass das Zentrum gegen Vertreibung auch mit dem historischen Museum gemeinsam auf den Weg gebracht wird. Ich halte es für richtig, dass die Besetzung des Stiftungsrates durch das Parlament, durch den Deutschen Bundestag erfolgt. Das hat auch die polnische Seite sehr begrüßt. Von daher gibt es auch auf dem Gebiet keine Spannung.

    Meurer: Was sind, Frau Pieper, die Herausforderungen für die deutsch-polnischen Beziehungen in der nächsten Zeit, zum Beispiel vielleicht die Freizügigkeit, die es nächstes Jahr geben wird? Polen können uneingeschränkt dann in Deutschland arbeiten.

    Pieper: In der Tat wird das kommen. Das ist ja im Grunde genommen auch schon Beschlusslage. Aber für die Zukunft, will ich sagen, kommt es sehr darauf an, dass wir unsere partnerschaftlichen Beziehungen, insbesondere die Beziehungen zwischen den Menschen beider Länder voranbringen, aber auch in Zusammenarbeit mit Frankreich dieses sogenannte Weimarer Dreieck weiter ausgestalten mit Initiativen, mit Aktivitäten. Ihr liegt sehr daran, Brücken zu bauen insbesondere von Deutschland nach Polen, aber auch zurückzuschlagen, zivilgesellschaftliche Initiativen zu stärken. Das alles wird die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern noch mehr festigen und ausbauen, und daran müssen wir arbeiten, daran will ich auch arbeiten.

    Meurer: Viele Polen interessieren sich mehr für Deutschland, als Deutsche sich für Polen interessieren. Kann man das ändern?

    Pieper: Das kann man ändern. Wir haben ja jetzt schon einen sehr guten Jugendaustausch auf den Weg gebracht, dank des deutsch-polnischen Jugendwerkes, was leider noch nicht so gut ausgestattet ist wie das deutsch-französische Jugendwerk. Aber diese Begegnungen von Schülern, von Studenten sind mir ganz wichtig.

    Meurer: Aber da gibt es ja auch die Ungleichheit, dass mehr Polen nach Deutschland wollen, mehr polnische Jugendliche als umgekehrt.

    Pieper: In der Tat, und da müssen neue Schwerpunkte gesetzt werden. Ich habe gemerkt, dass wenn deutsche Schüler nach Polen reisen sie sehr begeistert sind, dass es eigentlich nur an Wissen über Polen fehlt, und dieses Wissen müssen wir vermitteln. Ein Beitrag dazu ist das deutsch-polnische Geschichtsbuch, was gerade geschrieben wird und was in den Schulen in beiden Ländern eingesetzt werden soll.

    Meurer: Da wir heute so viel über Fußball reden, Frau Pieper, ist die Europameisterschaft übernächstes Jahr in Polen eine Chance für die deutsch-polnischen Beziehungen?

    Pieper: Ja, 2012. Ich freue mich schon darauf. Sie finden ja, die Europameisterschaften im Fußball, nicht nur in Polen, sondern auch im Nachbarland, der Ukraine, statt, was ja auch das enge Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine aufzeigt. Jetzt warten wir erst mal ab, wir sind ja immer noch in den Weltmeisterschaften drin. Ich bin auch ganz noch im Freudentaumel des letzten Sieges der deutschen Mannschaft gegen Argentinien und ich wünsche der Mannschaft viel Erfolg, jetzt erst mal für die Weltmeisterschaft und zukünftig natürlich auch für die Europameisterschaft.

    Meurer: Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt (FDP), zu den deutsch-polnischen Beziehungen nach der Präsidentschaftswahl gestern in Polen. Frau Pieper, danke schön und auf Wiederhören.

    Pieper: Danke Ihnen, Herr Meurer.