Donnerstag, 25. April 2024

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Deutsch-russisches Handwerker-Programm
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Pforzheim und Irkutsk

Die deutsch-russischen Beziehungen leiden schon seit Monaten unter dem Ukrainekonflikt und könnten jetzt weiter belastet werden. Doch wo es im Großen knallt, da funktioniert es oft im Kleinen. So profitieren zum Beispiel Handwerker im sibirischen Irkutsk von einem Programm ihrer Partnerstadt Pforzheim. Wirtschaftliche und menschliche Beziehungen, die der Krise trotzen.

Von Thomas Franke | 18.07.2014
    Ein Installateur kniet bei der Montage eines Waschbeckens im Badezimmer auf dem Boden. Mit der Wasserwaage tariert der Sanitärfachmann die korrekte Lage des Beckens aus.
    Russische Handwerker profitieren vom Deutschen Handwerker Know-how. (dpa / Thomas Schmidt)
    "Darf ich mich vorstellen, ich heiße Jewgenij Scherbakow."
    Mehr Deutsch konnte Jewgenij Scherbakow nicht, als er vor der Auswahlkommission aus Pforzheim stand. Dabei waren gute Deutschkenntnisse Teilnahmebedingung. Aber er wollte unbedingt etwas lernen, und das hat die Kommission offenbar überzeugt. Das war 2008.
    "Mir eröffneten sich Horizonte. Die Ausbildung, die wir in der Sowjetunion bekommen haben, war sehr eingeschränkt. Bis dahin hatten wir immer nur Tapeten geklebt. Stuckatur als Schmuck hatte ich noch nie gesehen."
    3 Monate lernte Scherbakow nicht nur Verputzen, er lernte Gerüstbau, sammelte Erfahrungen beim Parkettlegen und bei der Wärmedämmung, restaurierte Fassaden.
    "Sehr interessant war der Pflichtkurs im Anschluss: Existenzgründung. Wie arbeiten die Leute? In welcher Kleidung arbeiten sie? Welches Werkzeug benutzen sie? Sie ist die logistische Kette? So kam ich mit riesig viel Wissen im Gepäck zurück nach Irkutsk. Ich habe eine Brigade aufgestellt und angefangen, mein Wissen weiter zu geben."
    Heute besitzt Jewgenij Scherbakow eine Kette von Geschäften mit Baumaterial und ist Generalimporteur für zwei westliche Hersteller. Er gibt Kurse für Handwerker und betreut Baustellen. In Russland wird zurzeit viel gebaut.
    Im Geschäft diskutiert ein Paar, in welcher Farbe ihr neues Haus gestrichen werden soll. 400 Quadratmeter Wohnfläche.
    "Das einzige Problem ist Geld. Sonst haben wir keine Probleme."
    "Wenn man eine große Baustelle hat, hat man immer zu wenig Geld."
    "Wir finanzieren das aus eigenen Mitteln. So viel, wie wir verdienen, geben wir auch aus."
    Kredite sind teuer. Im günstigsten Fall zahlen die Kunden 12 Prozent Jahreszins, meist jedoch 15-20 Prozent. Irina und Boris Ivanov haben ihr Geld im internationalen Schmuckgeschäft verdient. Der Mann zeigt auf Scherbakow.
    "Jenja zieht mir das Geld aus der Tasche."
    Sie wolle Wohlstand für alle, sagt Irina Iwanowa. Doch dazu brauche man kluge politische Führer. Die Atmosphäre in Irkutsk ist nicht so aggressiv wie in Moskau. Dort werden westliche Ausländer derzeit durchaus feindlich betrachtet. Jewgenij Scherbakow winkt ab:
    "Im Geschäft spüren wir das nicht. Im Fernsehen ja. Aber ich habe sowieso keine Zeit, Fern zu sehen. Moskau unterscheidet sich vom Rest Russlands. Das merken alle. Zumindest in Irkutsk sind bisher alle positiv gestimmt. Ich denke, wir finden die nötigen Worte, um diesen Konflikt zu lösen. Meine Partner jedenfalls sind optimistisch. Wir arbeiten mit Material und Technologien aus Deutschland. Wir verdienen zusammen Geld. Wir brauchen einander einfach."