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Deutsch-türkischer Journalist
Deniz Yücel - cool, kritisch, eingesperrt

Vor einem Jahr wurde der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in der Türkei inhaftiert und saß monatelang in Einzelhaft. Der "Welt"-Korrespondent hat sich auch im Gefängnis nicht einschüchtern lassen und verlangt nicht nur die Freilassung, sondern auch einen fairen Prozess.

Von Karin Senz | 14.02.2018
    Deniz Yücel am 21.07.2016 in Berlin
    Der Journalist Deniz Yücel im Juli 2016 bei einer Veranstaltung in Berlin - seit einem Jahr ist er in der Türkei inhaftiert (imago stock&people)
    Zigarette im Mundwinkel, großer Schnauzbart, Sonnenbrille – das ist Deniz Yücel, wie ihn deutsche Medien immer wieder auf Fotos zeigen. Mit dem Namen hatte der eine oder andere Politiker anfangs noch so seine Probleme.
    Der ARD-Hörfunk-Journalist Mehmet Uksul hat Yücel immer wieder bei der Arbeit in Istanbul getroffen.
    "So wie ich ihn kennengelernt habe, ist Deniz Yücel schon jemand, der seinen Beruf mit Leidenschaft macht. Also alles andere als hektisch. Sondern ruhig, gelassen, cool."
    Türkischer Außenminister genervt über das Yücel-Image
    Den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu dagegen nervt dieses Image des prominentesten deutsch-türkischen Gefangenen in seinem Land:
    "Deniz Yücel kannte doch früher keiner. Jetzt ist er in Deutschland zum Helden geworden. Es gibt 2.000 Türken, die in Deutschland im Gefängnis sitzen. Stelle ich wegen ihnen irgendwelche Forderungen?"
    Früher schon unbequem für die türkische Regierung
    Der 44-jährige Journalist war aber auch früher schon unbequem für die türkische Regierung. 2013 kam er nach Istanbul, um über die Gezi-Park-Proteste am Taksim-Platz zu berichten - kritisch, sehr kritisch. Damals schrieb er noch für die links gerichtete "taz". 2015 wechselte Yücel dann als Türkei-Korrespondent zur eher konservativen Tageszeitung "Welt". Er interviewte auch einen PKK-Anführer. Die kurdische PKK gilt in der Türkei als Terrororganisation.
    Ohne Akkreditierung ein "Terrorist"
    Yücel hatte keine Arbeitserlaubnis als Journalist. Damit war er für die türkische Regierung auch kein Journalist, sondern ein Terrorrist - und Agent. So hat ihn zumindest Präsident Recep Tayyip Erdogan nach seiner Verhaftung genannt. Die Istanbuler Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Oya Baydar kennt Yücel gut:
    "Es gibt nicht den geringsten Grund, dass er in Haft sitzt, nicht einen einzigen kleinen Grund. Aber Tayyip Erdogan hat ihn als Agenten bezeichnet, ihn mit der PKK in Verbindung gebracht. Nur - es liegt absolut nichts gegen ihn vor. Deniz Yücel ist nicht so einer. Ich kenne ihn seit seiner Kindheit noch aus Deutschland."
    Monatelange Isolationshaft in der Türkei
    Manche sagten, er sah am Anfang im Gefängnis fast erholter aus, als draußen. Mehr Schlaf, keine Zigaretten. Seine Frau Dilek Mayatürk Yücel kann ihn einmal im Monat für eine Stunde besuchen.
    Monatelang war er in Isolationshaft. Kurz vor Weihnachten wurde die dann gelockert. Die Anwältin Deniz Yildirim ist ebenfalls Deutsch-Türkin und saß selbst, wie Yücel, wegen Terrorvorwürfen in der Türkei im Gefängnis. Nachdem sie rauskam, hat sie ihn vor Kurzem besucht. Als Anwältin bekam sie schneller Zugang. Eineinhalb Stunden haben sie geredet.
    Und gerne auch ironisch. Als der türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, er sei nicht glücklich darüber, dass es in Yücels Fall noch keine Anklage gibt, da antwortete er aus dem Gefängnis raus, das habe ihn bekümmert. Er wolle nicht, dass Cavusoglu seinetwegen unglücklich ist. Sagt der ARD-Hörfunk-Journalist Mehmet Uksul.
    Frei kommen alleine reicht ihm nicht
    Yücel hat sich auch im Gefängnis offensichtlich nicht einschüchtern lassen. Die Isolationshaft nennt er eine Foltermethode, die türkische Justiz die unabhängigste "wo gibt von ganze Welt". Es sei eine Lüge, dass die türkische Regierung in seinem Fall nur Beobachter sei.
    Er verlangt einen fairen Prozess in der Türkei. Frei kommen alleine reicht ihm nicht - wobei er schon weiß, was er macht, wenn er raus kommt: seine Frau und Freunde umarmen - und sich eine Zigarette anzünden.