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Deutsche arbeiten immer häufiger nachts und an Wochenenden

Jeder vierte Beschäftigte war im vergangenen Jahr auch samstags im Einsatz, fast jeder Zehnte arbeitete regelmäßig auch nachts. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Arbeitszeiten der Deutschen liegen damit über dem europäischen Durchschnitt.

Von Günter Hetzke | 20.08.2012
    40,7 Stunden pro Woche – so lange arbeiten Arbeitnehmer, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, durchschnittlich in Deutschland. Und immer mehr Menschen müssen auch am Wochenende und in der Nacht Dienst schieben. So die heute veröffentlichten Angaben des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2011. Zahlen, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund alles andere als erfreulich sind, denn, so Annelie Buntenbach heute im Deutschlandfunk:

    "Die zeigen wirklich eine dramatische Situation. Der Druck hat irrsinnig zugenommen. Viele sind überlastet, auch weil die Beschäftigungsverhältnisse immer unsicherer geworden sind. Viele sind gestresst und die Arbeit schwappt ins Wochenende und in den Urlaub rein. Die Zahl der psychischen Erkrankungen hat eklatant zugenommen."

    Das hatte in der vergangenen Woche auch eine Studie der AOK bestätigt, der Fehlzeitenreport 2012, wonach viele Arbeitnehmer vermehrt an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen, weil sie zunehmend auch außerhalb des Betriebes für den Arbeitgeber tätig sind. Nahezu jeder Achte ändert danach sogar seine privaten Pläne aufgrund beruflicher Verpflichtungen. Die Folge: Die Zahl der Fehltage nimmt zu, weil oft die psychische Belastungsgrenze überschritten wurde. Warum aber leisten immer mehr Beschäftigte Überstunden oder arbeiten auch in ihrer Freizeit? Für DGB-Vorstandsmitglied Buntenbach gibt es zahlreiche Gründe:

    "Ich glaube, dass die Arbeitsverdichtung einfach irrsinnig zugenommen hat und der Druck auf die Beschäftigten. Und gleichzeitig haben natürlich auch unsichere Beschäftigungsverhältnisse zugenommen, wie Leiharbeiter zum Beispiel oder Befristungen. Und gerade Jüngere haben große Schwierigkeiten überhaupt nach ihrer Ausbildung oder nach ihrem Studium irgendwo fest in den Beruf zu kommen. Und wer fürchtet, gleich wieder dann auf der Straße zu stehen, für den ist der Druck natürlich auch irrsinnig hoch."

    Tatsächlich, so das Statistische Bundesamt, beginnen immer weniger junge Menschen ihre Erwerbstätigkeit mit einer Festanstellung, sondern starten zunächst mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen - eine Tendenz, die nicht nur bei Berufseinsteigern zu beobachten ist, sondern auch bei Menschen, die ihre Stelle wechseln. Und zeitliche Befristung heißt eben auch: In dieser Zeit will und muss man zeigen, was man leisten kann, und das eben auch am Wochenende oder im Urlaub. Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit sind für viele inzwischen eine wesentliche Voraussetzung, um sich im Job zu beweisen.

    Das Hangeln von Befristung zu Befristung statt sicherer Arbeitsverhältnisse und eine Zunahme von Nacht- und Wochenendarbeit – haben die Gewerkschaften auf dem Arbeitsmarkt versagt? Das bestreit Annelie Buntenbach, räumt aber ein:

    "Aber natürlich ist es für uns als Gewerkschaften auch da schwer, wo Leiharbeit so zunimmt, wo Beschäftigungsverhältnisse zweiter Klasse dann im Betrieb stattfinden. Da brauchen wir erst einmal die Mitbestimmungsmöglichkeiten durch die Betriebsräte. Die haben wir im Moment so nicht. Und wir brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, das heißt rechtliche Regelungen, die den Rahmen, in dem die Menschen arbeiten, auf einer besseren Grundlage sicherstellen."