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Deutsche Ausbildung ist in Spanien beliebt

Das duale Ausbildungssystem in Deutschland ist eine Mischung aus Werk- und Schulbank. Was sich hier bewährt hat, ist inzwischen auch für südeuropäische Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit interessant. In Spanien laufen erste Pilotprojekte.

Von Hans-Günter Kellner | 21.05.2013
    In der Halle der staatlichen Berufsschule Raul Vázquez stehen die KFZ-Mechaniker um einen Mittelklassewagen an einer Hebebühne. Sie wollen die Bremsbeläge erneuern. Es ist das Auto von Eloy González, Auszubildender im ersten Lehrjahr.

    Die neuen Bremsbeläge müsse er zwar selbst mitbringen, ansonsten sei die Reparatur in der Berufsschule aber umsonst, erklärt er 21-Jährige einen der Vorteile der KFZ-Ausbildung. Eloy ist einer der ersten Lehrlinge im dualen System, das die Region Madrid 2011 für einige Berufe als Pilotprojekt eingeführt hat. Vorteile zum bisherigen System:

    "Ich bekomme jetzt ein Stipendium, 450 Euro im Monat. Die technischen Berufe gefallen mir alle. Jetzt gab es diese Möglichkeit, da habe ich zugegriffen. Im dualen System verbringt man viel mehr Zeit in der Werkhalle, man lernt mehr bei der Arbeit. Es ist viel stärker an der Praxis orientiert."

    Gibt es in den zwei Jahren der herkömmlichen staatlichen Ausbildung nur drei Monate lang ein unbezahltes Praktikum, bekommen die Azubis im dualen System jetzt wenigstens während der zwölf Monate, die sie in den Betrieben verbringen, ein Gehalt von 450 Euro – bezuschusst zu zwei Dritteln von der Regionalregierung. Die Nachfrage sei enorm, sowohl nach Plätzen im neuen wie im herkömmlichen Modell, erklärt die Direktorin der Berufsschule, Carmen Santamaría:

    "Es ist ganz klar, wer heute einen Arbeitsplatz haben will, braucht einen Abschluss. Früher sind die Leute mit 16, 17 Jahren auf den Bau und haben schnell viel Geld verdient. Aber wer heute keinen Abschluss hat, wird kaum Arbeit finden. Sehr viele Leute wollen jetzt eine Ausbildung machen. Jedes Jahr steigt die Zahl unserer Auszubildenden um 30, 40 Prozent."

    Die meisten Plätze bieten die Madrider Nahverkehrsbetriebe an, also ein öffentliches Unternehmen. Private Unternehmen beteiligen sich nur mit wenigen Plätzen. Aber alle Unternehmen zeigten großes Interesse an dem neuen System, versichert die Direktorin:

    "Was sehr wichtig ist: Wir sind in ständigem Kontakt mit den Betrieben. Man muss ihnen das System erklären, sie beraten. Macht man das, wird das Programm auch zum Erfolg."

    Ein Ausbilder steht bei mit fünf, sechs Jugendlichen um die Achse eines Kleinwagens. Sie liegt auf einem Stahltisch. Die jungen Leute drehen und wenden die Achse, untersuchen die Bremsen. Ausbilder David Gil erklärt:

    "Diese Auszubildenden kommen fast alle von den städtischen Verkehrsbetrieben. Da lernen sie in der Praxis alles immer nur über Nahverkehrsbusse. So müssen wir jetzt alles, was mit dem PKW zu tun hat, hier nachholen."

    Immer wieder betonen die Ausbilder: Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. So würde ohne den Staat das zweigleisige Ausbildungssystem in Spanien nicht funktionieren. Er subventioniert die Gehälter der jungen Leute, seine Betriebe bieten die meisten Plätze an und über die Aufnahme entscheidet auch die Schule. Immerhin: So bekommen auch Seiteneinsteiger noch eine Chance. Carlos Junquera ist schon 36 Jahre alt. Er hat abgeschlossenes Jurastudium und hat trotzdem immer nur Arbeit als Kellner oder Pizzaausträger gefunden:

    "Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich studiere. Das Jura-Studium gefiel mir sogar. Aber ich fand einfach keine Arbeit. Bevor ich zu Hause auf dem Sofa liege, mache ich lieber eine Ausbildung. Das hier ist keine Arbeit für mich, mir macht diese Ausbildung Spaß! Und das duale System ist etwas ganz Neues. Bei etwas Neuem mitzumachen, hat mich fasziniert. Das war eine gute Gelegenheit, die wollte ich nutzen."

    Auch deutsche Unternehmen beteiligen sich mit einigen Ausbildungsplätzen am Pilotprojekt. Doch sie bilden schon seit 30 Jahren in Spanien nach dem deutschen dualen System aus. Dafür gibt es die deutsche kaufmännische Berufsschule Aset. Schulleiterin Susanne Gierth über die Möglichkeiten, dass das deutsche Vorbild langfristig in Spanien Schule macht:

    "Ich glaube, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis sich die Philosophie, die hinter der dualen Ausbildung steckt, in den Köpfen durchsetzen wird. Ob das nun bei den Unternehmen ist oder bei den Eltern, die bisher immer im Studium die Zukunft ihrer Kinder sehen. Und auch die Unternehmen müssen natürlich bereit sein, die Ausbildung auch zu finanzieren. Da sehe ich schon noch die eine oder andere Hürde, die noch genommen werden muss."