Donnerstag, 28. März 2024

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Imamausbildung in Deutschland
Mit Suren gegen Extremismus und Radikalisierung

Im Islam ist die Ausbildung zum Imam nicht zwingend eine akademische. Das möchte die deutsche Islam-Konferenz ändern – auch, um den ausländischen Einfluss in deutschen Moscheegemeinden einzugrenzen.

Von Sebastian Engelbrecht | 10.11.2020
Ein Imam singt den Gebetsruf anlässlich des Ramadan-Festes.
Ein Imam während des Gebetsrufes anlässlich des Ramadan-Festes (dpa / Frank Molter)
Nach den islamistischen Anschlägen in Dresden, Paris, Nizza und Wien forderte der FDP-Abgeordnete Stefan Thomae in der Bundestagsdebatte, was in den vergangenen Jahren oft zu hören war:
"Wir brauchen auch eine Imamausbildung in Deutschland, mehr Ausbildung deutscher Imame, die in unserem Verständnis von Meinungsfreiheit und auch Kritik in ihrer Religion predigen."
Schon vor zehn Jahren begann die Gründung von Instituten für Islamische Theologie. Mittlerweile gibt es sie an sechs deutschen Universitäten. Der praktische Teil der Ausbildung zum akademisch ausgebildeten Geistlichen geschieht in der Regie der Religionsgemeinschaften – in Prediger-, Priester oder Rabbinerseminaren. Im Islam ist die Ausbildung zum Imam nicht zwingend eine akademische. Aber die Bundesregierung fördert eine solche zweiteilige Ausbildung von Imamen – erst an der Universität, dann in einem islamischen Seminar.
"Die Lehre am Islamkolleg Deutschland wird ausschließlich in deutscher Sprache stattfinden"
Im April nächsten Jahres beginnt am Islamkolleg in Osnabrück erstmals eine Ausbildung von Imamen, Gemeindepädagogen und Seelsorgern. Getragen wird das Seminar vom Zentralrat der Muslime, der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken, weiteren Verbänden und Einzelpersonen. Vorsitzender des Islamkollegs ist der Bosnier Esnaf Begic.
"Die Lehre am Islamkolleg Deutschland wird ausschließlich in deutscher Sprache stattfinden. Damit verfolgt das Islamkolleg das Ziel, allen Interessierten, unabhängig von den jeweiligen sprachlichen, ethnischen oder kulturellen Hintergründen, den Zugang zu Ausbildung zu ermöglichen."
Islam - Wie Muslime den Koran lesen
Die Heilige Schrift des Islams ist in Alt-Arabisch verfasst – eine Sprache, die nur wenige beherrschen. Zudem erzählt der Koran keine Geschichten wie die Bibel, sondern sammelt Offenbarungen. Viele Gläubige verstehen nicht, was sie in der Moschee hören, doch dem spirituellen Erlebnis tut das keinen Abbruch.
So unterscheidet sich das in Gründung befindliche Islamkolleg von den schon existierenden Seminaren zur Imamausbildung: Die Ahmadiyya-Muslimgemeinschaft betreibt ein Seminar im hessischen Riedstadt, der Islamrat in Mainz und Bergkamen, die türkisch DITIB in Dahlem in der Eifel und der Verband der Islamischen Kulturzentren in Köln.
Besonders am Islamkolleg ist, dass es vom Bundesinnenministerium und vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium für zunächst fünf Jahre finanziert wird. Was angehende Imame dort lernen, erklärt Bülent Ucar, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und wissenschaftlicher Direktor des Islamkollegs.
"Die Ausbildung wird sieben Module umfassen: Koranrezitation und ihre Regeln, Predigtlehre, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik, Seelsorge, soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Frauen- und Jugendarbeit, politische Bildung mit dem Schwerpunkt Interreligiöses."
Einige islamische Verbände schauen skeptisch auf das Osnabrücker Projekt
Den Lehrplan habe man trotz der staatlichen Finanzierung unabhängig erarbeitet, sagt der Vorsitzende des Kollegs, Esnaf Begic. Gerade wegen der staatlichen Förderung blicken einige islamische Verbände skeptisch auf das Osnabrücker Projekt. Sie finden, die Imamausbildung sei allein Sache der islamischen Religionsgemeinschaften.
Aus der Sicht des Bundesinnenministeriums aber dient die Ausbildung von Imamen auch dem Kampf gegen den Islamismus und gegen ausländischen Einfluss in deutschen Moscheegemeinden. Für Bülent Ucar vom Islamkolleg steht fest, was Vorrang hat:
"Wir möchten hier einen Beitrag leisten zur praktischen theologischen Ausbildung von religiösem Betreuungspersonal für die Moscheegemeinden in Deutschland, aber wir gehen davon aus, dass alle jene Kollegiatinnen und Kollegiaten, die bei uns die Ausbildung durchführen, in der Regel auch ihren Beitrag dazu leisten werden, dass Extremismusprävention betrieben wird und auch in ihren Gemeinden entsprechend deradikalisiert wird."