Riane Eisler: „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie“

Die Wirtschaft muss partnerschaftlich werden

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Buchcover zu Riane Eisler: "Die verkannten Grundlagen der Ökonomie"
Riane Eisler zeigt in ihrem Buch "Wege zu einer Caring Economy" auf. © Büchner Verlag/Deutschlandradio
Von Ramona Westhof  · 12.11.2020
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Nicht nur in persönlichen Beziehungen, auch in der Wirtschaft müssen wir partnerschaftlicher denken als bisher, so die These der US-amerikanischen Soziologin Riane Eisler. In ihrem Buch gibt sie Tipps, wie jeder dazu beitragen kann.
Unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und unser gesamtes Zusammenleben müssen fürsorglicher werden – das ist die Kernthese, die die US-amerikanische Kulturhistorikerin und Soziologin Riane Eisler in ihrem Buch vertritt, das nun erstmals auf Deutsch erschienen ist. Vor allem die Wirtschaft steht dabei im Fokus.

Partnerschaftlich oder dominanzgeprägt?

Eine nach Eisler ideale Wirtschaft wäre vollständig "partnerschaftlich" geprägt. Das heißt, sie ist begründet auf gegenseitigem Respekt – Menschen gegenüber aber auch der Umwelt gegenüber. Das Gegenteil nennt sie eine "dominanzgeprägte" Wirtschaft, die auf Hierarchien setzt und sich durch künstliche Verknappung von Mitteln selbst aufrechterhält.
Nicht nur Wirtschaftssysteme, sondern ganze Gesellschaften lassen sich auf dieser Partnerschafts-Dominanz-Skala einordnen. Die Gesellschaft in ihrem Land, den USA, sagt Eisler, sei eher dominanzgeprägt. Länder in Nordeuropa – Schweden oder Finnland etwa – seien dagegen eher partnerschaftlich. Dort spiele auch der Schutz von Menschen und Umwelt eine größere Rolle, es gebe geringere Unterschiede zwischen Arm und Reich und Frauen seien gegenüber Männern weniger stark benachteiligt.

Was in die Wirtschaftszahlen auch noch rein müsste

Gerade diese Hierarchie zwischen den Geschlechtern, die vielen Gesellschaften immanent sei, führe dazu, dass Hierarchien im Allgemeinen weniger hinterfragt würden. Und sie werte Eigenschaften ab, die typischerweise mit Frauen assoziiert werden, wie Fürsorge, Rücksichtnahme oder Empathie. Eigenschaften, die wichtig seien, um Gesellschaften und Wirtschaftssysteme gerechter zu gestalten.
Ein Vorschlag lautet darum, unbezahlte Care-Arbeit, die häufig von Frauen geleistet wird – also etwa die Betreuung der eigenen Kinder – mit in Wirtschaftskennzahlen einfließen zu lassen. Dadurch solle deutlich werden, wie sehr Wirtschaftssysteme auf dieser unbezahlten Arbeit beruhten. Auch Umweltschäden müssten in Kennzahlen stärker berücksichtigt werden, ebenso Investitionen in "Humankapital", Bildung also oder andere Maßnahmen, die der Gesamtgesellschaft zugutekommen.
Insgesamt macht Riane Eisler in ihrem Buch kluge Beobachtungen über unsere globale Gesellschaft. Sie legt schlüssig dar, warum wir alle von einer "partnerschaftlicheren" Wirtschaft profitieren können und warum wir dafür zunächst lernen müssen, anders über Wirtschaft zu sprechen.

Redundant für europäische Leser

Eisler schreibt allerdings aus der Sicht einer US-Amerikanerin. Für mitteleuropäische Leserinnen und Leser dürften Eislers Forderungen weit weniger revolutionär wirken als für ein US-Publikum, das zum Teil noch überzeugt werden muss, dass Elterngeld oder Arbeitslosenversicherung gute Ideen und notwendig sind. Dadurch wirkt das Buch aus deutscher Sicht an einigen Stellen redundant, wenn die Autorin wieder und wieder grundlegende Ideen erklärt.
Trotzdem: Riane Eislers Überlegungen regen zum Nachdenken an – darüber, wie wir leben wollen, welche Gesellschaft wir uns wünschen und wem unsere Wirtschaft eigentlich nutzen sollte. Und nicht zuletzt gibt das Buch auch einige praktische Tipps, wie wir alle im Großen oder Kleinen dazu beitragen können, Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern.

Riane Eisler: "Die verkannten Grundlagen der Ökonomie. Wege zu einer Caring Economy"
Mit einem Geleitwort von Ernst-Ulrich von Weizsäcker
Aus dem Amerikanischen übertragen von Ulrike Brandhorst und illustriert von Christina S. Zhu
Büchner-Verlag, Marburg 2020
234 Seiten, 22 Euro

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