Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Deutsche Band in Afghanistan
Im Cockpit und am Ehrenhain (4/6)

Am Flugplatz des Bundeswehrlagers bekommt die Band The Bite einen Hubschrauber gezeigt. Noch beeindruckter - und bedrückter - sind die vier allerdings vom Ehrenhain für die Gestorbenen.

Von Axel Rahmlow | 04.01.2014
    Auf dem Flugfeld befinden sich drei Hubschrauber.
    Die Hubschrauber warten auf den Abflug. (Deutschlandradio / Axel Rahmlow )
    Der Tag beginnt vor verschlossenen Türen. Betreuungsoffizier Andreas will The Bite eigentlich eine Tour über den Flugplatz geben. Aber keiner weiß von was. Da geht die Nebentür auf. Die Lache kennt die Band mittlerweile ganz gut. Stefan der Pilot kommt zufällig von einer Besprechung. Und nimmt sie einfach mit.
    Stefan: "Die Band hat mich gestern gut unterhalten. Warum nicht mal nen Hubschrauber zeigen?"
    Auf einmal stehen Chris, Nadine, Oli und Gabriel direkt vor einem Bundeswehr-Rettungshubschrauber. Schwarz lackiert, mit zwei Extratanks an der Seite, die wie Zigarren aussehen.
    Stefan: "Der Laderaum ist 15 Meter lang, der Hauptrotor-Durchmesser ist 22 Meter. Stellt euch einen Bus vor und der kann fliegen."
    Und schießen: An den Seiten und hinten an der Ladeklappe sind Maschinengewehre aufmontiert.
    Oli: "Sehr bedrohlich, ehrlich gesagt."
    Inzwischen haben sich Techniker und Mediziner um die Band versammelt. Viele tragen den runden Aufnäher der Einheit - den Nazgul, die Ringgeister aus dem Herrn der Ringe. Ein junger Arzt zeigt den Hubschrauber von innen, es sieht aus wie in einem Krankenwagen. Der Rückzug der Bundeswehr ist spürbar, sagt er. Die Ziele für Anschläge sind Andere.
    Arzt: "Ob jetzt ein Toter hier oder woanders auftritt, die Belastung ist natürlich immer da. Es ist, das muss ich aber persönlich sagen, dass durch die Zahl der afghanischen Verwundeten die hier auftritt, dass das einem nicht mehr so nahe geht wie zu Hause in einem anderen Umfeld. Sie hören einfach jeden Tag: So und so viele getötet, so und so viele … geht irgendwann vorbei."
    Die Bundeswehr ist im Rückzug. Die Afghanen sollen für ihre Sicherheit sorgen. Und zahlen den Preis. Afghanistan ist kein sicheres Land, auch hier im relativ ruhigen Norden nicht. Auch Hubschrauberpilot Stefan sagt: Es ist da draußen immer gefährlich.
    Stefan: "Respekt ist immer da, Angst nicht. Die Band würde sagen, ein gewisser Lampenfiebereffekt. Weil ich nicht zu 100 Prozent sicher sein kann, was passiert und wie es in 4, 5 Stunden dann zurückgeht."
    Die Soldaten lachen gerne, aber sie wissen, dass sie ihr Leben riskieren. Unter der Hand sagen einige auch: Es ist frustrierend! Sie befürchten, dass die Taliban zurückschlagen, wenn die NATO weg ist. Oder ehemalige Warlords, die jetzt Politiker sind. Offiziell sagen dürfen sie das natürlich alles nicht.
    Dazu kommt das "freundliche Desinteresse“ aus der Heimat, wie es ein Soldat formuliert. Gerade deshalb sind sie froh, wenn mal jemand von zu Hause Fragen hat; so wie Nadine, Oli, Chris und Gabriel, reden will. Die Rettungsflieger bedanken sich dafür bei The Bite mit einem spontanen Angebot: ein Auftritt zusammen mit der Hobbyband der Flieger, am Abend im Bereitschaftsraum. Die Band sagt sofort zu.
    Nadine: "Dadurch, dass wir wegen der Musik hier sind, haben wir jetzt Musiker gefunden, die hier stationiert sind. Ich glaube, es kann keinen besseren Austausch geben als eine Jamsession zusammen."
    Eigentlich sollten sie heute nur noch auf den Abflug warten. Den letzten Auftritt, in einem Camp der Amerikaner außerhalb, hat die Bundeswehr absagen müssen, logistische Gründe. Erst haben sich alle vier ein bisschen über die Planung beschwert. Jetzt ist das völlig egal.
    Vorher will der Betreuungsoffizier Andreas der Band noch einen besonderen Ort im Camp Marmal zeigen. Am Eingang des Lagers ist der kleine afghanische Markt, wo es von Teppichen bis zu MP3-Playern alles gibt. Nur nicht heute. Es ist muslimischer Feiertag. Aber die Afghanen sind eh selten zu sehen. Sie müssen auch abends raus aus dem Lager, sonst sucht sie die Militärpolizei.
    Die Band läuft in die andere Richtung, in ein Kiesfeld. In der Mitte liegt ein mannshoher heller Felsbrocken. Auf einer Inschrift steht: "Zum Gedenken an unsere toten Kameraden“. Es ist der Ehrenhain für die Gestorbenen.
    Chris, Oli, Nadine und Gabriel werden still. Auf vielen, vielen weißen Tafeln stehen die Namen der Toten. Gabriel hat sich eine Sonnenbrille aufgesetzt. Aber seine Stimme verrät ihn.
    Gabriel: "Es wird einem schon deutlich, dass hier nicht nur Soldaten hier stationiert sind, sondern das welche auch ihr Leben lassen. Ein schweres Gefühl, was man hier erfährt."
    An einigen Tafeln stehen erloschene Kerzen, an anderen hängen Fotos mit lachenden Gesichtern. Chris, sonst der inoffizielle Band-Leader, findet keine Worte. Auch Nadine zögert.
    Nadine: "Ich finde es sehr, sehr bedrückend. Ich muss fast mit den Tränen kämpfen. Der Krieg ist nicht nur so eine Fiktion, sondern Realität und wir sind mittendrin …"
    Alle drehen sich um. Ein Kampfjet der Amerikaner hebt ab. Hinter dem Ehrenhain dreht er rechts ab und verschwindet in den Bergen.
    Nadine: "… und ich finde es toll, dass es so eine Gedenkstätte gibt, damit sich die Menschen daran erinnern."
    Viel mehr Zeit zum Sacken lassen ist nicht. Sie sind eine Betreuungsmaßnahme. Ein Publikum wartet.