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Bestattung in Ägypten in Corona-Zeiten
„Ruhe in Frieden, aber ohne Riten“

Besonders schwierig in Corona-Zeiten sind die Wendepunkte des Lebens: Heiraten ohne Gäste macht wenig Freude; und bestattet zu werden ohne Verwandte - das kann für Angehörige trostlos sein. Aber wie erleben das Menschen in anderen Kulturen? Etwa muslimische oder christliche Ägypter?

Von Björn Blaschke | 06.05.2020
Eine koptische Frau läuft auf dem Friedhof des Koptenviertels in Kairo an einer Grabstätte vorbei (Aufnahme vom 21.1.2010).
Muslime und Christen in Ägypten müssen während der Corona-Zeit ihre Trauer-Rituale umstellen (dpa / picture-alliance / Arved Gintenreiter)
Videoaufnahmen, verbreitet im Internet, zeigen dramatische Szenen: Aufgebrachte Menschen wollen die Beisetzung einer Toten verhindern. Die Frau ist infolge einer Infektion mit dem Corona-Virus verstorben. Mustafa, einer der Trauergäste, erzählt kurz darauf einem Fernsehsender was passiert ist:
"Als wir ankamen, waren da Leute. Sie riefen: Sie wird nicht bestattet, bleibt weg, bleibt weg; Corona, Corona! Wir haben ihnen die Erlaubnis gezeigt, aber manche trugen Knüppel, andere hatten Äxte."
Sicherheitskräfte treiben die wütende Menschenmenge schließlich mit Tränengas auseinander; die Verwandten können ihre Tote am Ende zur letzten Ruhe betten.
Proteste bei Bestattung von Corona-Toten
Ägyptische Medien berichteten in den vergangenen Tagen mehrfach über Proteste gegen Beerdigungen von Menschen, die mit Corona infiziert waren. Religionsgelehrte der Azhar, der wichtigsten Lehreinrichtung im sunnitischen Islam, verurteilten die Ausschreitungen, auch Scheich Khaled Omran, Generalsekretär des Fatwa-Rates im Dar al-Iftaa. Die Einrichtung gehört zum ägyptischen Justizministerium und ist zuständig für die Ausarbeitung islamischer Rechtsgutachten – sogenannter Fatwas.
"In der Scharia kennen wir die Ehrung des Menschen und den ehrenvollen Umgang mit dem Menschen nach seinem Tod."
Viele der Menschen, die eine Bestattung von Infizierten auf einem Friedhof in ihrer Nähe ablehnen, dürften verunsichert sein, dürften nicht wissen, wie sich das Virus ausbreitet. – Zum Umgang mit Corona-Toten hat das ägyptische Gesundheitsministerium eine Verordnung erlassen. Sie setzt teilweise außer Kraft, wie Menschen sonst das letzte Geleit gegeben wird. In normalen Zeiten bestimmen in Ägypten Gesetze, Religion und Tradition den Umgang mit Verstorbenen: Verwandte waschen den Toten, hüllen ihn dann in ein Leichentuch und bestatten ihn binnen eines Tages – begleitet von einer großen Trauergemeinde.
Keine rituelle Waschung?
Das ist nun bei Corona-Toten anders. Khaled Omran und das Dar al-Iftaa unterstützen die geänderten Praktiken. Zum Beispiel sagt Scheich Khaled, dass die rituelle Waschung mit Wasser, Sand oder Staub wegfallen könne:
"Man kann eine Dusche oder eine Badewanne benutzen. Solange das Wasser über den gesamten Körper des Verstorbenen kommt, kann man auf alle anderen Waschrituale verzichten. Wenn das alles nicht möglich ist, weil die Ärzte oder die Gesundheitsbehörden sagten, dass das Schaden verursachen könnte - weil die Ansteckungsgefahr zu groß wäre -, fällt die Waschungspflicht weg. Dann wird der Tote ohne Waschung verhüllt."
Das entspricht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, WHO, wonach Corona-Tote nicht mehr als nötig berührt werden - und medizinisch geschulte Teams die Bestattungen vornehmen sollten. Dass die Riten verändert werden, sei durchaus im Einklang mit der islamischen Rechtsprechung, so Scheich Khaled. Denn die sehe grundsätzlich das menschliche Leben als schützenswert an. Und mit genau diesem Argument unterstützt das ägyptische Dar al-Iftaa auch die staatliche Vorgabe, dass möglichst wenige Menschen den Riten beiwohnen.
Weniger Kirchen geöffnet
Auch die Kopten, die christliche Minderheit in Ägypten, haben ihre Bestattungsregeln geändert, entsprechend der staatlichen Vorgaben: Trauergemeinden seien auf den engsten Familienkreis beschränkt. Das Oberhaupt der Kopten, Papst Tawadros II., ließ seinen Sprecher kürzlich erklären.
"Beisetzungen, zu denen normalerweise viele Menschen kommen, sollte nur noch der engste Familienkreis des Verstorbenen beiwohnen. Und in jeder Ortschaft ist nur noch eine Kirche geöffnet, sodass es leichter ist, den Ort zu sterilisieren und zu desinfizieren."