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Deutsche Dschihadisten
"Eine reale Gefahr"

Der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet appelliert an alle gemäßigten islamischen Verbände, die Behörden über gewaltbereite Salafisten zu informieren. Laschet sagte dem Deutschlandfunk, zwar seien diese Salafisten in keiner der seriösen Einrichtungen organisiert. Aber die muslimischen Gemeinden müssten mit den Sicherheitsdiensten kooperieren, wenn ihnen jemand auffalle.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Liminski | 21.06.2014
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet.
    Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. (dpa/Martin Gerten)
    Laschet forderte zudem die deutschen Behörden auf, sich besser auf Dschihadisten vorzubereiten, die aus dem Krieg in Syrien zurückkehrten. Die Kämpfer hätten dort das Töten gelernt und womöglich Massaker verübt. Wenn sie dann wieder nach Europa und Deutschland kämen, stellten sie eine reale Gefahr dar. Dem müsse der Rechtsstaat mit allen Mitteln entgegentreten, betonte der CDU-Politiker.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Liminski: Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2013 nennt Daten der Bedrohung: So sei die Zahl der Islamisten auf über 43.000 gestiegen und die der Salafisten auf mehr als 5.500. Von ihnen gehe eine besondere Gefahr aus, vor allem in Nordrhein-Westfalen, in Köln, Bonn, Solingen, Wuppertal verzeichneten die Behörden steigenden Zulauf, ähnlich sei es in Frankfurt. Die Warnung dürfte die Ängste in der Bevölkerung erhöhen und manchem Verdacht Vorschub leisten. Stehen nun alle Zuwanderer mit Bart und dunkler Haut unter Generalverdacht? Kann diese Zunahme der Salafisten und der damit einhergehenden Bedrohung die Integration erschweren? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich den CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen und früheren Integrationsminister im selben Bundesland, Armin Laschet, guten Morgen, Herr Laschet!
    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Liminski!
    Liminski: Herr Laschet, in Nordrhein-Westfalen wächst die Salafisten-Gefahr, das haben wir jetzt amtlich. Manchem braven Bürger kommen die Bilder von den Straßenkämpfen mit Salafisten und der ebenfalls radikalen Pro-NRW-Bewegung in den Sinn. Dazwischen die armen Polizisten, die den Kopf hinhalten müssen. Muss man nun hinter jedem längeren Bart und unter jeder Kapuze einen gewaltbereiten Dschihadisten vermuten?
    Laschet: Nein, das muss man natürlich nicht. Am Aussehen kann man die wenigsten Salafisten am Ende festmachen, weil viele, viele Menschen natürlich einen Bart und auch eine Kapuze tragen. Aber der Auftritt in diesen Organisationen, die Bereitschaft zu Gewalt ist etwas, was man sehr ernst nehmen muss, insbesondere in Bonn haben wir ja dramatische Vorkommnisse erlebt, wo Polizisten auf das Schwerste verletzt worden sind und man auch diese Verletzung bis hin zum Tod in Kauf genommen hat. Und da muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln drauf reagieren.
    "Man muss das sauber trennen"
    Liminski: Die Ängste in der Bevölkerung sind da und die dürften die Integration vonseiten der einheimischen Bevölkerung auch erschweren. Hilft da gut zureden?
    Laschet: Wichtig ist zunächst ja einmal, dass das eine extremistische Organisation ist, die kann man fast mit den anderen im Verfassungsschutz genannten Organisationen vergleichen, und dazu mit einer hohen Gewaltbereitschaft. Und das Erstaunliche ist ja, dass bei den Salafisten sich sehr viele Konvertiten engagieren, also Deutsche, die in Deutschland geboren wurde, die überhaupt nichts mit Integration oder Zuwanderung zu tun haben, wie Pierre Vogel beispielsweise oder andere, die sich radikalisiert haben und die nun plötzlich in diesen Organisationen arbeiten. Insofern, glaube ich, muss man das sauber trennen, was hat mit Integration zu tun, was hat mit den vielen Millionen zu tun, die irgendwann nach Deutschland als Gastarbeiter eingewandert sind und hier wie jeder andere zur Arbeit gehen, ihre Familien haben, ihren Dienst tun, und die, die wirklich Radikale sind. Und die muss man davon sorgsam trennen.
    Liminski: Sehen Sie denn in der neuen Bedrohungslage Anlass für neue Gesetze?
    Laschet: Ich sehe auf jeden Fall den Anlass, genauer hinzuschauen, das haben wir lange Zeit nicht gemacht. Und aus meiner Sicht hat man auch im syrischen Bürgerkrieg manche Fehleinschätzung in der Vergangenheit gehabt. Man hat so getan, als seien die, die gegen den Präsidenten Assad kämpfen, alles von der Arabellion, von Freiheit bewegte Menschen gewesen. Aber viele, insbesondere die Christen in der Region haben von Anfang an gewarnt. Sie haben gesagt, unter Assad, egal wie man ihn als Diktator einstuft, gab es Freiraum für Christen, für Schiiten, für Alawiten, für Minderheiten. Dort wird noch beispielsweise die Sprache Aramäisch gesprochen, die Sprache Jesu. Und nun sind diese radikalen Salafisten ins Land gekommen, von Katar und Saudi-Arabien finanziert, haben dort in brutalster Weise auch das Töten gelernt, und in all den Gebieten, die sie dann „befreit" haben, die größten Massaker unter der Zivilbevölkerung verübt. Und wenn die zurückkommen nach Deutschland, nach Europa, dann sind die eine reale Gefahr. Und darauf müssen die Sicherheitsdienste sich viel, viel besser vorbereiten, als das heute der Fall ist.
    Liminski: Dann noch mal zum Stichwort Integration: Wenn es keine neuen Gesetze geben soll, müssen die Muslime dann von sich aus die Integration erleichtern, etwa indem sie sich von den Salafisten stärker abgrenzen?
    Laschet: Ja, das tun ja die gesamten islamischen Verbände auch in ihren Moscheegemeinden, aber in der Tat müssen die helfen. Die Salafisten sind doch in keinem der islamischen Verbände organisiert, das sind alles Verbände, die ganz seriös ihrem Glauben nachgehen. Aber in den Gemeinden muss man mit darauf hinweisen, dass da, wo Anfälligkeiten für Salafismus festgestellt werden, dann die Gemeinden auch mit den Sicherheitsdiensten, auch mit der Polizei kooperieren. Denn wenn das nicht der Fall ist, gefährdet das am Ende auch die Sicherheit von den friedlich hier lebenden Muslimen.
    Liminski: In einer Woche findet in Offenbach eine Kundgebung mit dem bekannten Salafisten Pierre Vogel statt - Sie haben ihn eben auch genannt - unter dem Titel "Scharia, barbarisch oder perfekt?". Und in Großbritannien gibt es Ortsteile, in denen die Scharia bereits gilt. Können Sie sich das auch für Deutschland vorstellen?
    Laschet: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Bei uns gilt die Rechtsordnung des Grundgesetzes, gelten auch die familienrechtlichen und anderen Vorschriften, die im Grundgesetz grundgelegt sind. Und deshalb, finde ich, darf man in dieser Frage nicht nachgeben, nicht rechtsfreie Räume schaffen. Das kann übrigens keine Religion für sich beanspruchen, ihr eigenes religiöses Recht über das staatliche Gesetz, über die Verfassung zu stellen. Und das, was wir Christen, was wir Juden abverlangen, dass für sie das Recht des Grundgesetzes gilt, das gilt selbstverständlich auch für die islamische Religion. Und deshalb kann man Scharia-Richter, Scharia-Gesetze, Scharia-Rechtsanwendungen nicht dulden.
    Liminski: Wo ist die rote Linie für Salafisten oder auch andere Radikale?
    Laschet: Da, wo die Gewalt beginnt. Und Gewalt kann auch da beginnen, wo zum Hass aufgerufen wird, wo gegen Minderheiten, gegen andere Religionen, gegen die deutsche Rechtsordnung gehetzt wird. Die 43.000, die Sie am Anfang genannt haben, sind ja nicht alles syrische Bürgerkriegskämpfer, sind ja nicht alles Menschen, die ständig mit der Waffe durch das Land laufen. Aber wenn sie einer Ideologie folgen, die nicht vereinbar ist mit unserem Grundgesetz - und genau das beobachtet der Bundesinnenminister beim Verfassungsschutzbericht -, dann muss man ihnen entgegentreten mit allen Mitteln des Rechtsstaats. Und das geschieht schon, in unterschiedlicher Intensität, in den deutschen Bundesländern.
    "Die Bevölkerung kann wahrscheinlich am wenigsten machen"
    Liminski: Sind die Behörden nicht doch ein bisschen überfordert? Wenn man diese Zahl, 43.000 Islamisten, zum Beispiel nennt. Oder dann auf die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen? Was kann die Bevölkerung da machen?
    Laschet: Die Bevölkerung kann wahrscheinlich am wenigsten machen, weil die meisten in der Regel nicht bekannt sind. Diese Zahl ist ja eine, die sich über das gesamte Bundesgebiet verstreut, in manchen Städten haben Sie überhaupt keine Salafisten, in anderen sind sie etwas gebündelter. Nein, gefragt sind hier die Sicherheitsdienste, die das beobachten müssen, was sich dort tut, und dann, wenn Rechtsbrüche vorliegen, sofort einschreiten müssen. Rechtsbruch ist natürlich noch nicht eine Kundgebung. Wenn Pierre Vogel eine Kundgebung veranstaltet, ist das von unserem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Aber wenn auf dieser Kundgebung Dinge propagandistisch vorgetragen werden, die gegen die Rechtsordnung verstoßen, dann können die Sicherheitsbehörden auch einschreiten.
    Liminski: Die Grenzen des Rechts für die Islamisten. Das war hier im Deutschlandfunk der CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen und stellvertretende CDU-Vorsitzende im Bund Armin Laschet. Das Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.