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Deutsche Hilfe im Irak
"Politisch absolut zuverlässig"

Die Probleme der Bundeswehr bei der Waffenhilfe für die Kurden im Kampf gegen die Terrorgruppe IS im Irak stoßen auf Kritik. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte im Deutschlandfunk, "die Zusagen, die politisch gegeben werden, müssen auch technisch gut laufen".

Norbert Röttgen im Gespräch mit Sandra Schulz | 25.09.2014
    Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen
    Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (dpa / picture-alliance / Karlheinz Schindler)
    "Die Bundesrepublik Deutschland ist politisch absolut zuverlässig", sagte Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, im Deutschlandfunk. "Die technischen Probleme, die es gegeben hat, Logistik und andere Themen sind ein anderes Thema. Entscheidend ist die politische Zuverlässigkeit - die anderen Dinge müssen besser werden."
    Röttgen begrüßte die Uno-Resolution gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat", wonach der Strom freiwilliger Kämpfer in die Krisenländer gestoppt werden soll. Ob Menschen, die in Terrorcamps ausgebildet werden und an der Seite von Terroristen kämpfen, auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt würden, bleibe abzuwarten. Hierzu sei zunächst eine strafrechtliche Diskussion nötig, ob solch eine mögliche Straftat überhaupt nachweisbar wäre.
    Jetzt sei es ein Fortschritt, dass "wir vielleicht mit erheblicher Verzögerung alle zusammen [...] inzwischen die in der Region bestehende Gefahr und über die Region hinausreichende Gefahr durch IS erkannt haben". Diese Gefahr werde nicht schnell gebannt sein, sagte Röttgen. "Wir brauchen also Ausdauer und Entschlossenheit."

    Das Interview in voller Länge
    Sandra Schulz: Material kann nicht geliefert werden, weil der Transporthubschrauber defekt ist. Ausbilder sitzen fest in Bulgarien, auch mit der Vorgeschichte, dass es da eine Panne gab. Wie zuverlässig ist die Bundesrepublik als Partner im Kampf gegen den IS?
    Norbert Röttgen: Die Bundesrepublik Deutschland ist politisch absolut zuverlässig. Sie engagiert sich mit den Waffenlieferungen, aber auch politisch. Die technischen Probleme, die es gegeben hat, Logistik und andere Themen, sind ein anderes Thema. Aber ich finde, entscheidend ist die politische Zuverlässigkeit, und die anderen Dinge müssen besser werden.
    Schulz: Ich verstehe Sie richtig, die Bundesrepublik ist politisch zuverlässig, technisch nicht?
    Röttgen: Nein, das war jetzt Ihre Formulierung. Ich habe gesagt, das Wichtigste ist, dass wir politisch engagiert sind, dass wir uns auch entschieden haben, uns sogar mit Waffen zu engagieren - es war ja eine kontroverse Diskussion -, und das politische und durch Waffenlieferungen getätigte militärische Engagement, das ist verlässlich, das ist wertvoll und das ist das Wichtigste. Über technische Fragen der Logistik und der Organisation, da bin ich als Parlamentarier nicht der richtige Gesprächspartner, sondern das ist die Verantwortung anderer. Das muss allerdings besser werden, das ist sicherlich die Erwartung von allen, auch des Parlaments.
    "Das muss besser werden"
    Schulz: Wer ist denn verantwortlich für diese Pannen?
    Röttgen: Da müssen Sie den Gesprächspartner ausfindig machen, woran es genau gelegen hat. Mit mir können Sie gerne über die Politik in dieser Region reden. Aber über die Fragen, wann welches Flugzeug fliegt, bin ich jedenfalls der falsche Gesprächspartner.
    Schulz: Der Parlamentarier Norbert Röttgen hat keine Meinung dazu, zum Beschaffungswesen der Bundeswehr und zu den Pannen, die es da jetzt offensichtlich gegeben hat?
    Röttgen: Doch, das muss besser werden - das habe ich ja gerade festgestellt -, weil die Zusagen, die politisch gegeben werden, müssen auch technisch möglichst gut laufen. Aber mehr kann ich Ihnen in der Sache leider nicht sagen.
    Schulz: Und die politisch Verantwortlichen - das wäre ja in dem Fall Verteidigungsministerin von der Leyen -, die ist nicht auch in der Sache verantwortlich?
    Röttgen: Noch mal: Ich glaube, wir drehen uns jetzt um den gleichen Kreis. Uns geht es sehr um die politische Verantwortung, die Zuverlässigkeit, die wir bemühen. Für diejenigen, die in der Verantwortung sind für den technischen Vollzug, da müssen Sie dann direkt mit denen sprechen, wenn Sie dazu Details wünschen.
    Schulz: Wenn sie uns ein Interview mal zusagen würden. - Ich möchte mit Ihnen auf einen Punkt kommen, den wir definitiv besprechen können.
    Röttgen: Aha!
    Schulz: US-Präsident Barack Obama will jetzt die IS-Logistik noch an anderer Stelle treffen. Die UN-Staaten sollen den Strom freiwilliger Kämpfer aus dem Ausland stoppen. Die "Foreign Fighters" werden die genannt. Das ist Inhalt der Resolution, die Obama gestern durch den UN-Sicherheitsrat gebracht hat. Zieht Deutschland da mit?
    Röttgen: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob es dort eine Möglichkeit gibt, technische Möglichkeit für Deutschland, sich an dieser Form zu beteiligen. Jedenfalls ist Deutschland umfassend engagiert, wenn es darum geht, die Grundlagen des terroristischen Kampfes von ISIS zu beeinträchtigen, abzuschneiden, auch zu zerstören, und das hat eine ganz breite Grundlage. Es geht um Geldströme, es geht um Versorgungsmöglichkeiten, es geht um Finanzierung, es geht auch darum, dass politische Unterstützung, die noch vorhanden ist, unterbunden wird. Es geht um die ganze Breite und da ist Deutschland dabei.
    Schulz: Herr Röttgen, wir haben heute Morgen ja ganz schön viele technische Probleme, stelle ich fest.
    Röttgen: Ja.
    Schulz: Es geht ja um eine konkrete Frage, die haben Sie jetzt ausgelassen. Es sollen nämlich auch Strafbarkeiten verschärft werden, und da geht es auch um den Besuch von Terror-Camps. Es war in Deutschland bisher nicht mehrheitsfähig, das auch unter Strafe zu stellen. Ist das jetzt anders?
    Röttgen: Jedenfalls ist das ein Thema, das geprüft werden muss. Das muss rechtlich, rechtspolitisch geprüft werden. Das hat ein Pro und Kontra. Dass das strafwürdig ist, würde ich bestätigen. Es hat allerdings auch erhebliche Schwierigkeiten um den Nachweis von Strafbarkeit. Also das ist ein Thema, das ich für diskussionswürdig halte, und zu welchem Ergebnis man da kommen wird, ist nicht leicht zu sagen, weil es dann auch eine realistische Norm sein muss, deren Strafbarkeit dann auch realistisch sichtbar sein muss. Das muss man abwägen. Ich halte das nicht für das Zentrale, sondern sehe mehr, dass wir auch den Aspekt betrachten müssen, dass das nicht nur ein Konflikt weit weg ist, sondern dass wir verwoben sind, dass wir verbunden sind, dass es auch Deutsche gibt oder in Deutschland lebende Menschen, die sich als Kämpfer betätigen, und das ist auch eine Gefahr unmittelbar für Deutschland.
    Diskussion um Strafbarkeit von Terror-Camp-Aufenthalten
    Schulz: Aber es war bisher ja so, dass die Strafbarkeit eines bloßen Besuchs eines Terror-Camps immer abgelehnt wurde - das war die herrschende Meinung -, weil es immer hieß, das sei zu nahe dran an einem Gesinnungsstrafrecht. Wollen Sie da jetzt hin?
    Röttgen: Nein. Noch mal: Das ist eine rechtspolitische Diskussion, die man führen muss. Ich kann das Ergebnis dieser Diskussion nicht vorwegnehmen. Aber dass die Verbindung von deutschen Staatsbürgern oder in Deutschland lebenden Menschen mit der Ausbildung zu terroristischen Kämpfern in solchen Lagern eine kriminelle Verbindung ist, die mindestens eine abstrakte, gegebenenfalls sogar eine konkrete Gefahr für Deutschland und Deutsche beinhaltet, das ist nicht abwegig jedenfalls. Trotzdem stellen sich weitere Fragen in der Ausformulierung eines solchen Tatbestandes und so weiter. Aber ich halte das nicht für eine Frage von Gesinnungsstraftat, sondern es stellen sich für mich andere Fragen.
    Schulz: Da sind wir natürlich schon wieder im Bereich der deutschen Zuverlässigkeit.
    Röttgen: Nein.
    Schulz: Unterstellt, es gebe ein Gesetz, das von Karlsruhe dann gekippt würde, wie stünde man dann da vor dem amerikanischen Partner?
    Röttgen: Wir stehen dann da als ein Rechtsstaat, bei dem das Parlament nach bestem Wissen und Überzeugung eine Strafnorm beschlossen hätte. Noch mal: Es muss ja noch geprüft werden. Und dann gibt es eine verfassungsgerichtliche Kontrolle. Das macht eben unseren Rechtsstaat und damit unsere Stärke aus.
    US-Präsident Obama hat seine Agenda verändert
    Schulz: Wie würden Sie denn im Moment alles in allem bewerten, wie erfolgreich ist der Kampf gegen den Islamischen Staat?
    Röttgen: Ich finde, dass wir vielleicht mit erheblicher Verzögerung alle zusammen - aber Sie fragen ja nach dem jetzigen Stand - inzwischen die in der Region bestehende Gefahr und weit über die Region hinausreichende Gefahr, die durch ISIS besteht, erkannt haben. Insbesondere hat die westliche Welt, nicht zuletzt auch der amerikanische Präsident jetzt klargemacht, dass es eines entschlossenen, breit angelegten Kampfes gegen ISIS bedarf. Man kann, glaube ich, sagen, er hat seine Agenda als Präsident in der zweiten Hälfte seiner zweiten Amtszeit verändert. Er hat dort jetzt einen neuen Schwerpunkt finden müssen. Eine Koalition von westlichen Staaten und arabischen Ländern kommt zusammen. Die westliche Gemeinschaft wird darauf eingerichtet, dass es hier keine schnellen Erfolge gibt, sondern dass man ausdauern muss, dass es militärischer Elemente bedarf, auch des Einsatzes, aber insbesondere eine politische Anstrengung notwendig ist. Wir sehen die innenpolitischen Gefahren, wir haben sie gerade diskutiert mit Strafnormen.
    Ich glaube, dass wir langsam dabei sind, oder langsam, dass wir inzwischen dabei sind, ein realistisches Verhältnis auch der Notwendigkeit des Engagements in einem umfassenden Sinne zu gewinnen. Ich glaube, dass wir gute Fortschritte gemacht haben. Aber wir müssen eben wissen, so klar, wie es gesagt wird, das ist jetzt kein Thema, das schnell zu erledigen ist, sondern das wird uns lange beschäftigen. Wir brauchen also Entschlossenheit und Ausdauerfähigkeit.
    Schulz: Der CDU-Politiker Norbert Röttgen heute Morgen hier im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen". Haben Sie herzlichen Dank.
    Röttgen: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.