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Deutsche Industrie will "Zugang zu Rohstoffen" in Afrika

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Wirtschaftsgesprächen in Afrika: Nach Kenia folgen heute und morgen Angola und Nigeria. Insbesondere Rohstoffe seien von großer Bedeutung, sagt der Afrika-Beauftragte Günter Nooke - und kann sich eine "Energiepartnerschaft" mit diesen Ländern vorstellen.

Günter Nooke im Gespräch mit Gerwald Herter | 12.07.2011
    Gerwald Herter: Afrika – Bundeskanzlerin Merkel besucht Angola, Nigeria und Kenia, wo sie gestern Abend bereits eingetroffen ist. Mit ihr reisen Vertreter der deutschen Wirtschaft und unter anderem Günter Nooke. Der CDU-Politiker ist der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung.
    Mehr zum Afrika-Besuch nun im Gespräch mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Afrika-Beauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke. Mit ihm sind wir telefonisch in Nairobi verbunden. Guten Morgen, Herr Nooke.

    Günter Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Herter!

    Herter: Herr Nooke, mindestens zwei Begriffe tauchen immer wieder auf, wenn deutsche Politiker nach Afrika reisen: Die sogenannte Partnerschaft auf Augenhöhe gehört dazu und von den berühmten neuen Chancen, die der Kontinent biete, ist auch schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten die Rede. Belegt nicht die ständige Wiederholung solcher Formeln die Ideenlosigkeit der deutschen Politik, wenn es um Afrika geht?

    Nooke: Nein, das glaube ich nicht, denn die Reise, die jetzt die Kanzlerin nach Kenia, Angola und Nigeria führt – das sind ja die drei wichtigsten Länder nach Südafrika, wo auch Deutschland das größte Handelsvolumen unterhält -, diese Dynamik, die hier stattfindet, die spiegelt sich schon auch in dem wieder, was in Deutschland passiert, allerdings eben auf sehr niedrigem Niveau. Und insofern muss man eben sagen, der Kontinent Afrika hat natürlich nur einen marginalen Anteil am gesamten Welthandel, aber er hat eine große Dynamik, er ist der Nachbarkontinent Europas und diese Reise soll wirklich noch einmal deutlicher machen, dass wir eben Afrika als Wirtschaftspartner, die afrikanischen Länder als Wirtschaftspartner wahrnehmen sollen und wahrnehmen müssen, und dann kann sich da auch mehr entwickeln. Aber es ist natürlich auch eine Sache, die nicht nur die Politik und die Bundesregierung angeht, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Auch hier muss Interesse entstehen. Ansonsten werden wir natürlich den Herausforderungen nicht gerecht und würden den Kontinent und die Entwicklung dort anderen überlassen.

    Herter: Eine Milliarde Menschen, 55 Länder, die dritte Reise der Kanzlerin in den letzten vier Jahren. Reicht das?

    Nooke: Auf jeden Fall muss man sich klar machen, dass uns Afrika angeht, dass diese Menschen hier, zum Beispiel nehmen Sie einmal die Handy-Nutzung, dass sie technologisch an vielen Stellen durchaus auf dem Stand der modernsten Industrienationen sind. Wenn es in den letzten zehn Jahren hier 350 Millionen neue Handy-Verträge gab, dann ist das durchaus ein Zeichen, dass damit sicher auch Geschäftsmodelle verbunden sind wie Banküberweisungen, Krankenversicherungen und vieles andere, was man mit dem Handy heute regeln kann, auch den Strom an- und abschalten. Also es gibt durchaus Möglichkeiten, die mit den neuen Technologien zusammenhängen, die wir jetzt stärker auch nutzen wollen und können. Es geht also auch um Exportmärkte für deutsche Technologien gerade in diesem Energiebereich. Insofern, glaube ich, müssen wir uns einfach nur bewusst machen, dass natürlich vieles auch in Afrika etwas anders läuft, und das Thema der Augenhöhe, das ist immer auch ein bisschen damit verbunden, dass man denkt, alles sei genauso wie bei uns. Vielleicht müssen wir uns einfach nur gegenseitig ernst nehmen in der Unterschiedlichkeit, die wir haben. Die mag nicht immer mit dem Wort Augenhöhe richtig getroffen sein, sondern die heißt einfach, jeder hat seine Interessen, jeder ist daran interessiert, dass sich gegenseitig stabile Beziehungen aufbauen, und natürlich hat Europa ein Interesse daran, dass auf dem Kontinent in den afrikanischen Ländern Stabilität herrscht, Sicherheitsfragen hier in Afrika gelöst werden, aber dann natürlich auch diese ganze Frage der guten Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit, Investitionssicherheit für private Investitionen – das ist ja das A und O -, Korruptionsbekämpfung und sicher auch der Schutz der Menschenrechte und Demokratie, das spielt hier eine Rolle.

    Herter: Sie hören den Deutschlandfunk, die "Informationen am Morgen". Günter Nooke, der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, begleitet die Bundeskanzlerin und ist gerade in Kenia. – Herr Nooke, bleiben wir mal bei diesem Land. Tut Kenia genug, um Deutschland im Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika zu unterstützen?

    Nooke: Kenia ist sehr wichtig. Hier sind gesonderte Institutionen auch eingerichtet worden, um Piraten nach rechtsstaatlichen und auch europäischem Standard genügenden Verfahren zu verurteilen. Also insofern ist Kenia für uns hier auch in dieser Hinsicht ein wichtiger Partner. Aber wir, glaube ich, müssen vor allem auch sehen, welche Möglichkeiten Zusammenarbeit mit solchen Ländern wie eben Kenia für uns in Europa bedeutet. Viele wirtschaftliche Produkte, auch gerade Schnittblumen, kommen zum Beispiel aus Kenia.

    Herter: Herr Nooke, wir haben es gerade gesagt: Auch in Deutschland stehen somalische Piraten vor Gericht. Wäre es nicht besser, sie in Kenia und ausschließlich in Kenia zu verurteilen?

    Nooke: Ja gut, das hängt immer von den Einzelfällen ab. Aber natürlich ist das generelle Interesse Deutschlands und der Europäischen Union, dass Afrikaner auch Probleme hier lösen und natürlich rechtsstaatliche Verfahren in diesen Ländern stattfinden. Das Beste wäre natürlich, dass Somalia kein zerfallender Staat wäre und dort Regierung und Entwicklung anders aussähe. Das heißt, dass die Menschen wieder fischen könnten und auf eine andere Art und Weise Geld verdienen als zu denken, sie müssten Piraten sein und Lösegeld erpressen. Also ich glaube, gerade das Horn von Afrika ist ja geopolitisch auch einer sehr wichtige und interessante Region und hier geht es darum, auch die Sicherheitsfragen und die Stabilitätsfragen mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbinden. Wir brauchen einfach für gut ausgebildete gerade junge Leute auch Entwicklungschancen auf dem afrikanischen Kontinent. Es kann nicht sein, dass jeder, der ein bisschen Geld hat, entweder nach Europa oder in die Industrienationen auswandert, oder sich im kriminellen Bereich bewegt.

    Herter: Dieser Besuch wurde natürlich von langer Hand geplant. Die Dürre im Nordosten Afrikas, auch in Kenia, in Somalia, ist ein ganz großes Thema in dieser Region. Was wird Deutschland tun, um diese Dürre, die Auswirkungen der Dürre zu mildern, in den Griff zu bekommen?

    Nooke: Ja die Dürre ist leider in großen Teilen auch wieder hausgemacht, weil Vorräte, die man durchaus bei guten Ernten im vergangenen Jahr und davor hätte anlegen können, diese Vorräte nicht existieren, die Logistik nicht stimmt und man die Nahrungsmittel nicht von einem Teil des Landes in das andere bekommt. Insofern muss man natürlich auch Forderungen stellen, dass hier nicht sozusagen auf das Wissen hin, dass am Ende die internationale Gemeinschaft, das Welternährungsprogramm schon helfen wird, sondern wir müssen immer wieder auch sagen, dass afrikanische Regierungen und Politiker diese eigenen Aufgaben hier erledigen müssen. Das Thema der Korruption, der wirklich weitverbreiteten Korruption in vielen afrikanischen Ländern, das ist etwas, was auch die Zusammenarbeit manchmal nicht ganz einfach macht, auch für die deutsche Wirtschaft. Wir können das nicht akzeptieren, wir können auch nicht konkurrieren, indem wir sozusagen schauen, wer sich am besten dort bei den verschiedenen Stellen mit Geld Aufträge und Zugang verschafft. Das sind Dinge, die müssen einfach offen benannt werden. Ich denke, gerade aber am Ende werden wir uns dem nicht entziehen können und auch helfen müssen. Menschen verhungern zu sehen und einfach verhungern zu lassen, das geht nicht.

    Herter: Herr Nooke, kein Zufall, dass die Kanzlerin auch die beiden Erdöl-Exporteure Angola und Nigeria besucht. Steht dieser Besuch auch in diesem Zusammenhang unter wirtschaftlichen Vorzeichen?

    Nooke: Natürlich! Die Frage des Zugangs zu Rohstoffen ist für die deutsche Industrie, für uns von besonderer Bedeutung. Ich glaube, dass hier auch die spannendsten Entwicklungen auf dem Kontinent stattfinden. Ich habe gerade im letzten Jahr mir sehr viele Unternehmen und Rohstoffminen angeguckt, wo Rohstoffe abgebaut werden. Also hier passiert sehr viel. Aber wir wollen, dass dieser Wettbewerb nach Regeln stattfindet, und wir wollen natürlich, dass auch Rohstoffe fair gehandelt werden. Es ist ja nicht so, dass es sehr viele deutsche Firmen gibt, die noch Minen betreiben. Aber natürlich: Öl und Gas, auch gerade, wenn es um Angola und Nigeria geht, das sind wichtige Punkte einer Energiepartnerschaft, die ja eine Rolle spielen soll auch bei der Reise.

    Herter: Das war der CDU-Bundestagsabgeordnete und Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, im Deutschlandfunk. Herr Nooke, alles Gute in Nairobi und auf Ihrer Reise.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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