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Deutsche Jazz-Ikone mit internationaler Ausstrahlung

Albert Mangelsdorff wird eine "Ikone" deutschen Jazz genannt. Er war ein Star, der Vater einer deutschen Jazz-Szene, die es selbst nach dem Krieg nicht leicht hatte. Er war zugleich einer der wenigen Musiker aus Europa, die in den USA sogar als Solist Erfolg hatten, und natürlich war er einer der vielfältigsten, versiertesten, innovativsten und doch bescheidensten Jazzmusiker, den man sich vorstellen kann. Er starb am Montag im Alter von 76 Jahren in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main.

Von Bert Noglik | 26.07.2005
    Sein Spiel ist unverkennbar, gleicht einem musikalischer Daumenabdruck, lässt sich bereits nach wenigen Tönen mit einem, mit seinem Namen assoziieren: Albert Mangelsdorff. Uns bleiben seine Aufnahmen aus mehr als einem halben Jahrhundert, Milestones einer Musik, die als afroamerikanisch definiert wurde und die – dank Musikern wie Albert Mangelsdorff – auch eine europäische Dimension gewonnen hat. Uns bleiben seine Tondokumente, aber er wird uns fehlen: ein Mensch mit nobler Ausstrahlung und zugleich einer, der seinen Zuhörern herzlich entgegenkam – einer Großfamilie, die ihn "Albert" nannte, vertraut und zugleich mit großen Respekt.

    In einem Langzeitprozess mit innerer Logik gelang es Albert Mangelsdorff, Jazzgeschichte nicht nur nachzuvollziehen, sondern mitzugestalten. Seine musikalische Konfession erhellt sich vor dem Background seiner Biographie. Bereits in jungen Jahren wurde für ihn Jazz zum Ausdruck eines neuen Lebensgefühls mit Ausblick auf eine Zeit jenseits der braunen Ideologie und der Schrecken des Krieges.

    "Das war immer so, dass Jazzmusik – und das stammt aus diesem Druck der Nazizeit und der Kriegszeit – besonders viel mit Freiheit zu tun, ein Synonym für Freiheit war, für mich immer gewesen ist, und die ganze Entwicklung des Jazz auch spiegelt das wider – von der Freiheit der Gestaltung von Stücken bis hin zur totalen Freiheit im Free Jazz. Und das wollte ich auch immer darin hören und sehen."

    Albert Mangelsdorff hat eine völlig unverwechselbare Klangsprache auf der Posaune entwickelt, mit seiner mehrstimmigen Spielweise Furore gemacht und weltweit zahllose Solokonzerte gegeben. Doch er, der Solitär, war immer auch ein Musiker mit kollektiver Gesinnung. Mit seinen Quartett- und Quintettformationen Jazzgeschichte geschrieben, aus der Tradition etwas Neues entwickelt.

    Freiheit innerhalb des Jazz war für Albert Mangelsdorff immer mit einer Rundumperspektive von dreihundertsechzig Grad verbunden. Er hat das Jazzensemble des Hessischen Rundfunks ins Leben gerufen, im Globe Unity Orchestra gespielt, und er zählte zu den Gründungsmitgliedern des United Jazz & Rock Orchestra. Über Swing, Bebop und Cool Jazz fand er zu einem eigene Ausdruck, ohne Berührungsängste mit Free Jazz oder Fusion. Seine Überzeugung von der Lebenskraft dieser Musik beruhte nicht auf einem Glaubenssatz sondern auf jahrzehntelanger jazzmusikalischer Erfahrung.

    "Es ist ganz sicher, das Jazz, der ja sowieso immer wieder tot gesagt wurde und nie eingegangen ist, dass der weiter leben wird. Ich weiß nicht, ob solche Innovatoren wie Armstrong, Parker, Coltrane, ob solche Leute noch erscheinen, aber das ist auch gar nicht mehr so wichtig, der Jazz heutzutage hat eine derartige Bandbreite zwischen Rockjazz und Free Jazz, wo es heutzutage so viele verschiedene Facetten gibt, dass er also auch damit lebt. Und innerhalb diese Facetten gibt es halt immer wieder eigene Entwicklungen und neue Persönlichkeiten. Ich habe da also überhaupt keine Zweifel. Im Gegenteil: ich bin der Meinung, dass er eigentlich noch wachsen wird, was er ja zur Zeit auch tut. Also ich selber kann immer nur feststellen, dass das Interesse am Jazz wächst; er wird nie so eine populäre Musik sein wir Rock, aber das Interesse wird wirklich größer."

    Eine seiner schönsten Kompositionen hat der Gitarrist Volker Kriegel seinem Freund, dem Posaunisten Albert Mangelsdorff gewidmet, ein Stück mit dem Titel: "Danke, Hut ab!" Danke, Albert Mangelsdorff.