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Deutsche-Presseagentur verliert Großauftrag

Jahrzehntelang war die Deutsche Presseagentur "dpa" die unangefochtene Nummer eins auf dem deutschen Medienmarkt. Inzwischen gibt es jedoch mit "dapd" eine zweite nationale Vollagentur, die eine starke Konkurrenz ist. Die hat nun auch noch den Zuschlag für einen Millionenauftrag der Bundesregierung bekommen.

Von Vera Linß | 26.05.2012
    Es ist nichts Neues, dass sich dpa und dapd vor Gericht treffen. Der Ton zwischen beiden ist rau und so manch öffentliche Äußerung – etwa wer Qualitätsführer sei oder dass der andere sittenwidrig handele – fand ein juristisches Nachspiel. Diesmal aber ging es nicht um Worte, sondern um Geld. Rund dreieinhalb Millionen Euro pro Jahr erhielt die dpa vom Auswärtigen Amt dafür, dass sie die deutschen Botschaften und Konsulate mit Meldungen beliefert hat. 2010 kam die Kündigung, nachdem der Bundesrechnungshof eine Ausschreibung angeordnet hatte. Das Ministerium vergab den Auftrag an dapd. Diese Entscheidung wurde am Montag dieser Woche gerichtlich bestätigt. Für dpa ein herber Einschnitt. Sprecher Christian Röwekamp.

    "Wir hätten diesen Auftrag des AA gerne gewonnnen. Wir sind uns auch sicher, dass die dpa ein idealer, leistungsstarker und verlässlicher Partner ist für jeden, der Berichterstattung mehrsprachig nutzen möchte, aus Deutschland und mit Themen zu Deutschlandbezug weltweit. Insofern bedauern wir die Entscheidung des OLG DD. Wir möchten sie aber nicht weiter kommentieren."

    Die dpa hatte damit argumentiert, dass das Vergabeverfahren nicht rechtens gewesen sei. Kritisiert wurde der Schwerpunkt, den das Auswärtige Amt bei der Neuausschreibung des Auftrags gesetzt hatte. Anders als bisher Praxis, lag der Fokus auf der Belieferung durch Nachrichten lediglich aus Deutschland. Bislang aber hatte die dpa aber über ihren Weltnachrichtendienst auch Meldungen mit Deutschlandbezug aus der ganzen Welt geschickt.

    Dass dies nun nicht mehr von Bedeutung ist, bewertet auch SPD-Medienpolitiker Marc Jan Eumann kritisch

    "Der entscheidende Fehler ist gemacht worden beim Ausschreibungstext des AA. Ich bin davon überzeugt, dass am Anfang die umfassenden Leistungsunterschiede zwischen dpa und dapd insbesondere beim eigenständigen Auslandskorrespondentennetz nicht hinreichend berücksichtigt worden sind."

    Aus Sicht der dpa eine fatale Entscheidung. Denn ein besonderes Pfund der Agentur ist ihr Auslandskorrespondentennetz mit rund 100 Standorten weltweit – ein Kapital, das Konkurrent dapd nicht vorweisen kann.
    Erschwerend kam bei der Ausschreibung hinzu, dass zusätzlich der Preis mit 50 Prozent einen besonders hohen Stellenwert einnahm. Dapd arbeitet deutlich günstiger als dpa. Da es nun nur noch um die Belieferung mit Inlandsnachrichten ging, wo beide Konkurrenten ein etwa gleich starkes Angebot machen konnten, hatte dapd am Ende aufgrund des attraktiven Preis-Leistungsverhältnisses die Nase vorn. Diese Fixierung auf den Preis hält SPD-Mann Eumann für eine marktliberale Fehlentscheidung. Cord Dreyer, Chefredakteur von dapd, kann diese Kritik natürlich nicht nachvollziehen.

    "Es kann jedenfalls nicht sein, dass es eine Ausschreibung gibt, wo eine Behörde für sich klare Kriterien definiert, wir uns viel Mühe geben, darauf einzugehen und diesen Wettbewerb gewinnen und man sagt: Das passt uns aber politisch nicht. Wir haben ja nicht einen politischen Wettbewerb gewonnen, sondern wir haben mit unseren neutralen unabhängigen Nachrichtendiensten uns beworben. Das ist ein völlig normales Verfahren, das findet hier jedes Jahr hunderttausendfach statt, dass öffentliche Behörden Ausschreibungen machen und wir gewinnen halt."

    Warum sich das Auswärtige Amt dazu entschlossen hat, Auslandsmeldungen aus dem Agenturauftrag auszulassen, ist schwer zu sagen, denn die Beteiligten halten sich äußerst bedeckt. Von einem entfremdeten Verhältnis zwischen dpa und dem Amt ist die Rede – nach einer jahrzehntelangen Partnerschaft ja durchaus nicht ungewöhnlich. Dennoch: Aus Sicht von Medienpolitiker Marc Jan Eumann geht es um mehr, als einen Millionenvertrag. Für ihn steht die Zukunft des deutschen Nachrichtenmarktes auf dem Spiel. Die dpa-Weltnachrichtendienste, deren Arbeit für das Auswärtige Amt nun nicht mehr von Interesse ist, sieht er auch als Kulturträger, die staatsunabhängig das Bild von Deutschland im Ausland prägen. Ein Gut, das durch die Kooperation mit dem Außenamt gefördert wurde und nun bedroht ist – zumal sich die Marktbedingungen für Qualitätsnachrichten ohnehin verschlechtern.
    Und noch etwas stört Eumann:

    "Nach meiner Kenntnis ist dapd auch deswegen günstiger, weil ich höre, dass nicht alle dort Beschäftigten nach Tarif bezahlt werden und dass man unter diesen Umständen dann günstiger anbieten kann als andere. Schwierig wird es dann, wenn einer in diesem Markt agiert und sich eine Position verschafft, die den Wert von Nachrichten beschädigen können und den Wert des Nachrichtengeschäftes und durch die Kooperation mit einem US-amerikanischen Anbieter mit AP beinahe nach meinen Kenntnissen komplett auf ein außereuropäisches Korrespondentennetz verzichten kann."

    Dessen ungeachtet sieht sich dapd als gleichwertiger Marktteilnehmer und kann diese Sorge nicht verstehen. Derzeit hat die Agentur nach eigenen Angaben zehn feste Auslandskorrespondenten, zwölf Stellen sollen künftig dazukommen. Außerdem, so die Argumentation, übernehme man nicht einfach AP-Meldungen, sondern überarbeite diese auch journalistisch. Wie hochwertig ihr Angebot ist, ließ sich dapd jetzt auch durch eine selbst in Auftrag gegebene Qualitätsstudie bestätigen. Darin wurden rund 8500 Meldungen von dpa und dapd analysiert. Florian Kerkau von der ausführenden Unternehmensberatung Goldmedia.

    "Die Wahrheit ist ja wie immer sehr vielschichtig und wir haben natürlich auch nur in dieser Studie einen Teil der Wahrheit betrachten können. Aus unseren Analysen konnten wir feststellen, dass beide Agenturen gewisse Stärken haben, ein bisschen unterschiedlich aufgestellt sind, aber im Grunde genommen auf Augenhöhe operieren."

    Ein Fazit, dass dapd-Kritiker nicht gern hören werden. Eine Untersuchung, die Gegenteiliges belegt, steht jedoch noch aus.