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Deutsche Rüstungsexporte
"Kein Einfluss auf die militärische Einsatzbereitschaft der Saudis"

Deutschland liefert erneut Waffen nach Saudi-Arabien. Zwar müsse man damit rechnen, dass die Saudis das Gerät in einem Krieg einsetzten, sagte Nahost-Experte Guido Steinberg im Dlf. Entscheidend für die militärische Stärke Saudi-Arabiens seien die deutschen Lieferungen jedoch nicht.

Guido Steinberg im Gespräch mit Tobias Armbrüster       | 14.11.2017
    Ein Eurofighter der Bundeswehr fliegt am 11.06.2016 in Neuburg an der Donau (Bayern)
    Made in Germany - Wahrscheinlich liefert Deutschland Eurofighter nach Saudi-Arabien (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Tobias Armbrüster: Wieder massive Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Das wollen wir etwas genauer besprechen. Ich habe darüber vor dieser Sendung mit dem Nahost-Experten Guido Steinberg gesprochen von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Und ich wollte von ihm zunächst wissen, wofür Saudi-Arabien deutsche Waffen eigentlich braucht.
    Guido Steinberg: Saudi-Arabien braucht deutsche Waffen in einer ganzen Reihe von Bereichen. Das Königreich rüstet mittlerweile seit Jahrzehnten auf und hat vor einiger Zeit begonnen, seine Rüstungskäufe etwas zu diversifizieren. Das heißt, nicht mehr exklusiv aus den USA Waffen zu beziehen, sondern zu versuchen, auch die Europäer einzubeziehen, Waffen zu kaufen aus Großbritannien, aus Frankreich und auch aus Deutschland. Und das Arsenal, das reicht vom Eurofighter Typhoon bis zu Handfeuerwaffen.
    Armbrüster: Für welche Einsatzgebiete genau brauchen die Saudis das?
    Steinberg: Bisher schien es immer so, bis Anfang 2015, als würden die Saudis diese Waffen gar nicht wirklich in einem größeren Einsatz benutzen, jetzt mal mit Ausnahme der Terrorismusbekämpfung durch die Spezialkräfte des Innenministeriums beispielsweise. Aber die Politik Saudi-Arabiens ist in den letzten Jahren aggressiver geworden. Das Königreich hat zuerst in Bahrain, im benachbarten Königreich interveniert. Dabei sind die Truppen noch nicht zum Einsatz gekommen. Es hat keinen Kampfeinsatz gegeben. Und seit 2015 führt Saudi-Arabien einen Krieg im Nachbarland Jemen. Der wird vor allem von der Luftwaffe und auf saudischer Seite von sudanesischen Söldnern geführt. Aber da kommen natürlich auch europäische Waffen zum Einsatz, unter anderem der Eurofighter.
    "Leopard-Kampfpanzer werden nicht geliefert"
    Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in voller Fahrt auf einem Testgel
    Ein Kampfpanzer Leopard 2 der Bundeswehr (DPA / Krauss-Maffei Wegmann)
    Armbrüster: Und können wir auch festhalten, da kommen auch deutsche Waffen zum Einsatz?
    Steinberg: Nun, ich gehe fest davon aus, dass da auch deutsche Waffen zum Einsatz kommen, zumindest was den Eurofighter angeht. Da sind wohl die Geschäfte mit den Saudis primär von den Briten von BAE Systems abgewickelt worden. Aber die Luftwaffe ist der Teil der saudi-arabischen Streitkräfte, der besonders intensiv im Jemen-Krieg eingesetzt wird. Das sind in der Regel amerikanische Flugzeuge, aber ich denke, dass auch die Eurofighter dabei sind.
    Armbrüster: Jetzt mal abgesehen vom Eurofighter - wir wissen nicht genau, um welche Rüstungsgüter es sich handelt, die da jetzt exportiert werden. Da hält sich die Bundesregierung bedeckt. Aber erkennen Sie irgendwelche Hinweise darauf, was Saudi-Arabien da jetzt genau geliefert bekommt?
    Steinberg: Nein, im Detail weiß ich das nicht. Wir wissen so ungefähr, was die Saudis in den letzten Jahren bekommen haben, und ich habe die Vermutung, dass bei dieser Summe zumindest teilweise Patrouillenboote eingerechnet werden. Das war ja eines der großen Themen in der Debatte der letzten Jahre. Es wurde zunächst einmal debattiert, ob die Saudis Leopard-Kampfpanzer bekommen. Das ist dann abschlägig beschieden worden. Die Patrouillenboote aber von Lürssen, die werden geliefert, und das könnte durchaus sein, dass das ein Teil dieser Summe ist. Das ist zumindest das Rüstungsgeschäft, das ich als das prominenteste und wichtigste für die Saudis und damit dann auch für die Deutschen abgespeichert habe.
    Militärische Einsatzbereitschaft: "Deutschlands Anteil ist nicht entscheidend"
    Armbrüster: Heizt Deutschland jetzt mit solchen Waffenexporten nach Saudi-Arabien so eine Art Wettrüsten in der arabischen Welt und im Nahen Osten weiter an?
    Steinberg: Nein. Da sehe ich tatsächlich keine Rolle der Deutschen. Zunächst einmal müssen wir sehen, dass Deutschland die allerwichtigste Entscheidung schon vor einiger Zeit getroffen hat, nämlich den Kampfpanzer Leopard nicht zu liefern, möglicherweise auch vor dem Hintergrund des Jemen-Konflikts. Die Entscheidung ist ja erst vor einigen Monaten gefallen und wurde, so wie es aussieht, wohl vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gefällt, der sich dagegen gewehrt hat. Ansonsten muss man sagen, dass die deutschen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien überhaupt keinen Einfluss auf die militärische Einsatzbereitschaft der Saudis haben. Da muss man sehen, dass das wichtigste Material aus den Vereinigten Staaten kommt, dass die Vereinigten Staaten auch an diesem Krieg indirekt teilnehmen, indem sie beispielsweise die Flugzeuge warten, indem sie sie in der Luft auftanken, indem sie Zielinformationen liefern. Würde Deutschland gar nichts an Saudi-Arabien liefern, dann wäre Saudi-Arabien genauso stark, genauso aggressiv, und letzten Endes wären dann auch die saudi-arabischen Truppen im Jemen genauso tödlich.
    Der Nahost-Experte Guido Steinberg
    Der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. (Imago / Müller-Stauffenberg)
    Armbrüster: Dann lässt sich nichts Schlechtes über diese Rüstungsexporte sagen? Kann man das so festhalten?
    Steinberg: Nein. Selbstverständlich sind diese Rüstungsexporte problematisch. Saudi-Arabien ist ein Partner, es ist ein prowestlicher Staat, mit dem wir viele gemeinsame politische Dinge und Themen angehen: Energiepolitik, Terrorismusbekämpfung. Aber die Probleme sind auch bekannt und diese Probleme liegen zunächst einmal in der Innenpolitik, seit 2011, aber auch - und das ist neu - in der Außenpolitik. Ich glaube, dass vor allem der Jemen-Krieg die Bundesregierung immer wieder dazu bewegen muss zu schauen, was liefern wir denn eigentlich den Saudis. Ich denke, dass man die Patrouillenboote vertreten kann, dass aber die Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer nicht zu schicken, durchaus richtig war. Man muss nämlich jetzt damit rechnen, dass die Saudis dieses Gerät einsetzen, und das in einem Krieg, der meines Erachtens dumm ist, der falsch ist und der längst hätte beendet werden müssen. Leider hat da die deutsche Politik keinen Einfluss drauf.
    Armbrüster: Herr Steinberg, jetzt mal angenommen, Deutschland bekommt tatsächlich demnächst eine Jamaika-Regierung, eine Regierung mit grüner Beteiligung. Wird es dann mit den Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien weitergehen?
    Steinberg: Ich denke, dass dann die Debatte innerhalb der Regierung ganz ähnlich ablaufen wird wie schon in der letzten Legislaturperiode. Da konnten wir ja sehen, dass zumindest in der Tendenz die CDU, wenn auch nicht alle Teile, plus die CSU eher für diese Waffenexporte waren und die SPD sich eher gewehrt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob CDU/CSU diese Leopard-Kampfpanzer nicht doch geliefert hätten. Und in der neuen Koalition, denke ich, werden wir eine Neuauflage erleben, allerdings mit einem Partner, nämlich den Grünen, die versuchen werden, solche Exporte zu verhindern, vielleicht sogar prinzipiell zu verhindern. Allerdings werden die Grünen, wenn es denn zu Jamaika kommt, auf keinen Fall so stark werden, wie das im Moment noch die SPD in der Koalition ist. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir weiter Waffenexporte nach Saudi-Arabien sehen werden, aber jedes Mal verbunden mit einer großen Debatte, und wir werden natürlich sehen, dass die Opposition dann auch sehr viel intensiver gegen eine solche Politik Stimmung machen wird.
    Armbrüster: Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Vielen Dank für das Gespräch.
    Steinberg: Ich danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.