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Deutsche Schüler lesen wieder schlechter

In den Bereichen Lesen, Naturwissenschaften und Rechnen liegen deutsche Viertklässler im internationalen Vergleich im oberen Drittel: So die aktuellen Ergebnisse der Bildungsstudien IGLU und TIMSS. Doch die Lese-Leistungen von deutschstämmigen Kindern sind seit 2006 schlechter geworden.

Von Claudia van Laak | 11.12.2012
    Die Bildungspolitiker loben sich, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wirft ihnen dagegen Schönrednerei vor – alles in allem: Der Teufel steckt auch bei den heute vorgelegten beiden internationalen Bildungsstudien im Detail. Die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium Cornela Quennent-Thielen greift naturgemäß die positiven Aspekte heraus – Deutschlands Viertklässler liegen im internationalen Vergleich im oberen Drittel – das betrifft die Bereiche Lesen, Rechnen und Naturwissenschaften. Die Migrantenkinder sind im Vergleich zu 2001 die Gewinner.

    "Ich finde es besonders erfreulich, dass wir gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund deutliche Verbesserungen sehen im Vergleich zu früheren Untersuchungen. Und das, obwohl die Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund größer geworden ist."

    Allerdings stagnieren die Lese-Leistungen der Migrantenkinder seit einigen Jahren, die der deutschstämmigen Kinder sind seit dem letzten Test im Jahr 2006 sogar schlechter geworden. Im internationalen Vergleich liegen die Viertklässler aus Hongkong, Russland und Finnland an der Spitze, am Ende des Rankings finden sich Marokko, Oman und Katar. Das Problem in Deutschland: Nur sehr wenige Kinder erreichen Spitzenleistungen – Wilfried Bos, wissenschaftlicher Leiter der beiden Studien:

    "Das veranlasst einen zur Sorge. Wir haben definitiv zu wenige Kinder in der obersten Kompetenzgruppe. Wir vergeuden unsere Talente an dieser Stelle. Andere Länder kriegen das teilweise deutlich besser hin als wir."

    Eine kleine Spitzengruppe und eine vergleichsweise große Gruppe schwacher Schüler – das stellt sowohl die Lese- als auch die Mathestudie fest. Dabei ist der Anteil der schwachen Schülerinnen und Schüler nicht kleiner geworden, bedauert Wilfried Bos.

    "Wollen wir das, wollen wir uns das tatsächlich erlauben, dass wir am Ende der Grundschulzeit 20 Prozent Kinder haben, von denen wir annehmen, die werden große Probleme in der Sekundarstufe 1 haben."

    Die Empfehlungen der Experten: Eine gezieltere Förderung von schwachen und starken Kindern. Der Präsident der Kultusministerkonferenz Thies Rabe betont: Die Ganztagsschule muss besser werden.

    "Ganztagsangebote an sich bringen nicht zwangsläufig entsprechende Fördermaßnahmen mit sich. Es kommt darauf an, die Zeit, die der Ganztag bietet, dann auch entsprechend zu nutzen und möglicherweise nicht nur dabei Sport und Freizeit in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sich auch auf spezielle Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren."

    Kritisch ist der nach wie vor enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Kinder, die aus sozial schwachen Familien stammen, aber gute Zensuren haben, bekommen von ihren Lehrern selten eine Gymnasialempfehlung. Sind die Eltern Ärzte oder Manager, empfehlen die Lehrer, die Kinder auf ein Gymnasium zu schicken, auch wenn sie keine guten Zensuren haben.

    Diese Schieflage ist seit langem bekannt – geändert hat sich nichts. Die Wissenschaftler stellen sogar fest: Tendenziell habe sich die Chance auf eine Gymnasialempfehlung für Kinder aus oberen Schichten noch vergrößert.