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Deutsche Unternehmer investieren in Spanien

In Spanien liegt die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent. Immer mehr von ihnen sind auf kostenlose Lebensmittel angewiesen und trotzdem muss das Land bei den Sozialleistungen sparen. Unternehmensberater sehen aber auch eine Trendwende: Mit der Krise wird es günstiger, in Spanien zu investieren.

Von Hans-Günter Kellner | 28.11.2012
    Diese Störgeräusche sind ausnahmsweise beabsichtigt. In einem Experimentierraum, abgeschirmt durch dicke Wände, ist eine große Antenne auf einen kleinen Empfänger gerichtet. Ein Experiment für den Weltraum, erklärt Luis Gómez, Geschäftsführer des spanischen Unternehmens Alter Technology:

    "Wir testen die Funktion der Anlage, wenn sie von einer anderen Installation 'angegriffen' wird. So wie in diesem Moment dieses Aufnahmegerät."

    Im Weltraum sind die Arbeitsbedingungen für die ohnehin hochsensible Technik besonders heikel, erklärt der Ingenieur. So hat sich das vor 30 Jahren gegründete Unternehmen darauf spezialisiert, elektronische Geräte harten Stresstests zu unterziehen, bevor sie im All eingesetzt werden. Alter Technology sei an fast jedem Weltraumprojekt beteiligt, sagt Luis Gómez während er an Rüttelmaschinen und optischen Messgeräten vorbeiführt.

    "Wir sind ein internationales Unternehmen, in praktisch allen Staaten präsent, die im Weltraum aktiv sind. Ein so großer Markt macht die Krise für uns erträglicher. Es wäre etwas anderes, wenn wir nur auf den spanischen Markt angewiesen wären. Ohne internationale Ausrichtung lässt sich keine Weltraumindustrie aufbauen."

    Trotzdem wurde die Firma vor eineinhalb Jahren an den TÜV-Nord verkauft. Das deutsche Unternehmen konnte damit in einen neuen Geschäftsbereich einsteigen, die Spanier wurden Teil eines großen Konzerns, meint Gómez:

    "Wir verzeichneten damals einen Gewinnwachstum, es ging uns gut. Mit dem Einstieg des TÜV-Nord gehören wir jetzt aber einem großen Konzern mit enormen technologischen und finanziellen Möglichkeiten. Aber wir brauchten kein frisches Geld. Wir stehen auf eigenen Beinen und leisten einen substanziellen Beitrag zum Gewinn des Mutterkonzerns."

    Georg Abegg vom Madrider Büro der Unternehmensberatung Rödl und Partner beobachtet generell ein wachsendes Interesse deutscher Unternehmen an Investitionen in Spanien. Die Krise werde nicht ewig dauern, viele spanische Unternehmen seien im Grunde wirtschaftlich gesund, aber günstig zu haben, argumentiert der Jurist. Vor allem der deutsche Mittelstand investiere inzwischen kräftig in Spanien:

    "Das typische Beispiel ist, dass das Unternehmen vor Liquiditätsproblemen steht und der deutsche Kunde oder Lieferant sagt: 'Ich unterstütze die und beteilige mich am Unternehmen.' Die sind von der Basis her sehr gesund, stehen aber vor dem Problem einen wahnsinnigen Liquiditätsengpass zu haben. Die andere Fallgruppe, die wir zunehmend beobachten: Es gibt sehr viele Unternehmen im Technologiesektor, es gibt sehr viele Ingenieurunternehmen."

    Ein weiterer Grund für das deutsche Interesse an spanischen Unternehmen sei deren langjährige Erfahrung auf dem boomenden Subkontinent Lateinamerika. Doch für Spaniens Wirtschaft hänge alles vom Zugang zu den Kapitalmärkten ab. Spaniens Banken würden keine Kredite mehr vergeben. Der Einstieg finanzstarker deutscher Partner kann da nur in Einzelfällen eine Lösung sein, weiß auch der Unternehmensberater:

    "Kommen wir irgendwann dazu, dass die Fiskalschraube und Ausgabenkürzungen nicht mehr angezogen sind? Und vor allem, bewegen sich die Banken wieder dazu, dass sie auch kleinen und mittleren Unternehmen wieder die Kreditlinien zur Verfügung stellen?"

    Doch die Katastrophenmeldungen zeichneten ein schiefes Bild von der Unternehmenslandschaft in Spanien, meint Luis Gómez beim Betriebsrundgang. Die hohe Qualifikation spanischer Ingenieure und Physiker mache das Land gerade in der Krise für Investoren interessant:

    "Was die spanischen Unternehmen attraktiv macht, ist nicht unbedingt der Preis: Das akademische Niveau ist sehr hoch, die Techniker sind gut ausgebildet. Wir hatten nie besonders gute finanzielle Möglichkeiten und haben dennoch technisch, wissenschaftlich und kommerziell erfolgreiche Unternehmen geschaffen."

    Auch wenn da deutlich der Stolz des Spaniers herauszuhören ist: Finden hoch technologisierte mittelständische Betriebe finanzstarke Partner aus dem Ausland, könnten sie tatsächlich die Trendwende in Spanien einläuten.