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Deutsche Verleger gegen Google

Die Verlage wollen ihre Inhalte von der Politik besser im Netz geschützt wissen. Wenn ein Beitrag bei der Suchmaschine Google zu finden ist, auf der Werbebanner stehen, soll Google zur Kasse gebeten werden, fordern sie. Google fordert nun einen Runden Tisch zum sogenannten Leistungsschutz.

Von Brigitte Baetz | 10.08.2012
    "Wer hat eigentlich ein Recht auf den Content im Web?"

    Das fragt der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger BDZV ausgerechnet in einem Internetvideo. Das World Wide Web mit seinen Möglichkeiten zur unendlichen und sekundenschnellen Vervielfältigung und Verlinkung von Inhalten aller Art, vor allem aber von Texten, ist für die Pressehäuser immer noch eine Herausforderung - vor allem eine finanzielle. Einerseits fühlen sie sich gezwungen, im Netz präsent zu sein, andererseits ist mit Journalismus im Internet bislang nicht viel Geld zu verdienen.

    Zwar wächst der Markt für Onlinewerbung kontinuierlich, aber für das eigentliche journalistische Produkt will - analog zum Kauf einer Tageszeitung oder einer Zeitschrift - bislang im Netz kaum jemand bezahlen. Gleichzeitig gehen die Druckauflagen stetig zurück. Eine Branche, so schien es lange Zeit, kannibalisiert sich selbst. Vor allem jüngere Menschen informieren sich zunehmend ausschließlich kostenfrei über das Internet. Eine Ausnahme bilden inzwischen die sogenannten Apps, spezielle Produkte, zugeschnitten auf Smartphones und Tablet-Computer. Hier sind Bezahlmodelle schon erfolgreich, weil die Kunden einen Mehrwert erwarten. Trotzdem fühlen sich die Verleger unter anderem durch die kostenlose Tagesschau-App der ARD in der Entwicklung dieses Marktes bedroht.

    Während gegen die Tagesschau-App seit mehreren Monaten eine Klage acht deutscher Zeitungen vor dem Landgericht Köln anhängig ist, drängen die großen Branchenverbände der Presse seit Jahren bei der Politik darauf, dass ihre verlegerische Leistung im Internet grundsätzlich besser geschützt werden soll. Sie fühlen sich durch die Tatsache benachteiligt, dass beispielsweise der internationale Suchmaschinenkonzern Google sehr viel Geld damit verdient, dass er Links auf die Onlineangebote der Presseverlage auflistet. So richtete Hubert Burda, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, zur Eröffnung der Zeitschriftentage 2009 an die anwesende Bundeskanzlerin folgende Sätze:

    "Das, was wir brauchen in unseren nationalen Medien, eine faire und eine gute Chance, uns zu entwickeln, ist infrage gestellt."

    Denn, so Hubert Burda, die Medienwelt ändere sich durch das Internet fundamental und brauche deswegen auch neue Gesetze. Er erinnerte daran:

    "Dass wir wie um 1500 in einer Schwellenzeit leben, in einer Zeit eines großen Umbruches. Dass es ein paar Dinge zu ordnen gibt, denn wenn sich an der Ordnung der Medien, an ihrer Struktur etwas Fundamentales verändert, hat das Auswirkungen für die Demokratie, hat das Auswirkungen für die öffentliche Diskussion."

    Der Tenor der Verleger: Die Pressehäuser garantieren die Meinungs- und Informationsvielfalt - auch im Netz. Christoph Keese ist Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG und gilt als bekanntester Lobbyist für ein Leistungsschutzrecht der Verlage. Christoph Keese:

    "Wir wissen alle, dass die Verlagsbranche mit Print, also mit gedruckten Zeitungen und Zeitschriften in der Summe ungefähr 12,5 Milliarden Euro Umsatz macht. Diese Verlage machen im Internet etwas 300 Millionen Euro Umsatz, also einen Bruchteil dessen, was auf Papier gemacht wird. Darin ist jetzt niemand "schuld", das ist niemandem anzukreiden oder anzulasten. Wir wissen aber auch, dass mit journalistischen Angeboten im Internet in Zukunft ein sehr starkes Wachstum stattfinden muss, damit die Finanzierungsbasis für gute Redaktionen und guten Journalismus entsteht, und dafür muss es eine geordnete Marktregelung geben. Dafür muss der Gesetzgeber, dafür sollte der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schaffen."

    Und um diese Rahmenbedingungen zu schaffen, hat die schwarz-gelbe Regierung vor drei Jahren in ihren Koalitionsvertrag ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage als Ziel aufgenommen. Ein von Anfang an umstrittenes Vorhaben, das vor allem in der sogenannten Blogosphäre viel Staub aufwirbelte. Der freie Fluss an Informationen, der ja Reiz wie Besonderheit des Internets ausmacht, könnte dadurch eingeschränkt werden, so wurde befürchtet. Zwar sollte nur die gewerbliche Nutzung von Presseerzeugnissen im Netz abmahnfähig sein, aber wie definiert sich "gewerbliche Nutzung"? Würde das beispielsweise auch auf Blogger zutreffen, die Werbung auf ihren Seiten geschaltet haben, auch wenn sie davon nicht leben können? Eine Abmahnwelle durch findige Juristen wurde befürchtet, die sich die zu erwartende Rechtsunsicherheit zunutze machen könnten. Till Kreutzer, selbst Rechtsanwalt und Redakteur bei iRights.info, einem Portal für Urheberrecht in der digitalen Welt, ist ein dezidierte Gegner des Leistungsschutzrechtes. Till Kreutzer:

    "Der erste Entwurf war in seiner Reichweite so unbestimmt und potenziell so weitreichend angelegt, dass es im Prinzip jeden betreffen würde, der im Internet kommuniziert und dabei zumindest im beruflichen Kontext irgendwas macht. Das schließt allein den gänzlich privaten Bereich aus. Also wenn ich jetzt über meinen Kaninchenzüchterverein blogge, mag das rein privat sein, aber wenn ich jetzt zum Beispiel Behördenmitarbeiter bin und arbeite in einer Finanzbehörde und blogge über Finanzthemen, dann hat das mit meinem Beruf schon etwas zu tun, und da wäre ich schon mit drin. Was bedeutet, dass das eben eine unglaubliche Auswirkung haben würde, im Zweifel, weil ja die Kommunikation übers Internet, das muss man ja als Voraussetzung wissen, erfolgt ja ganz viel mit Copy and Paste. Es geht da weniger darum, von anderen Leuten was abzukupfern, sondern es geht mehr darum, andere Leute darauf aufmerksam zu machen: Guck mal da, da steht was Tolles. So funktioniert Twitter, so funktionieren Blogs, so funktioniert Facebook. Und wenn das nicht mehr möglich wäre, wenn man da im beruflichen Kontext wäre, und man kann da nicht mehr eine Zeile bei Twitter reinkopieren, von einem Text, der auf einer Verlagsseite erschienen ist, dann hätte das natürlich gewaltige Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten im Internet allgemein."

    Till Kreutzer hat deshalb IGEL gegründet, die "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht". Vor allem Menschen, die das World Wide Web als wichtigsten Teil ihrer Kommunikationswelt betrachten, sehen nicht ein, warum gerade Verlagsangebote im Internet besonders geschützt werden sollten. Vor allem deshalb, weil das gültige Urheberrecht ohnehin regelt, dass nicht einfach ganze Artikel oder zumindest wesentliche Teile davon von Dritten ohne Zustimmung weiter vermarktet werden dürfen. Udo Vetter, Rechtsanwalt in Düsseldorf, ist der bekannteste deutsche Blogger, der sich mit juristischen Themen beschäftigt. Auch er hält ein spezielles Leistungsschutzrecht als Ergänzung des bisherigen Urheberrechtes für fatal, Udo Vetter:

    "Weil dieses Gesetz Sachverhalte regelt, die wir nicht geregelt haben müssen. Erstaunlicherweise ist ja sogar, nachdem die Kritik an dem Entwurf des Leistungsschutzrechtes hochgekommen ist, ist vonseiten der Verleger im Prinzip nur Beschwichtigung und Abwiegelung gekommen: Ja, das wird alles nicht so schlimm, das kostet alles kein Geld, wir werden niemanden abmahnen. Da frag ich mich nur, wenn alles kein Geld kosten soll, und wenn man niemanden abmahnen will, wenn man nur auf Friede, Freude, Eierkuchen setzt, wozu braucht man denn überhaupt ein Gesetz? Wir haben ja das geltende Urheberrecht, das Texte und Bilder schützt, also den klassischen Gegenstand von Zeitungsberichterstattung. Jetzt wird etwas geschützt, was es eigentlich so gar nicht gibt, nämlich das redaktionelle Gesamtkonzept oder was auch immer. Das ist etwas, was man eigentlich nicht greifen kann."

    "Also dieser Vorwurf kommt immer von Leuten, die noch nie in Redaktionen gearbeitet haben, die noch nie wirklich gesehen haben, was dort passiert. Und wir sind immer wieder verblüfft darüber, wie groß die Ignoranz, wir groß die Unkenntnis darüber ist, was wir machen. Zunächst einmal finanzieren wir die Redaktionen und die Redaktionsgehälter vor."

    Christoph Keese, Axel Springer Verlag ...

    " ... das fließt dann alles in einen Prozess, den wir organisiert haben, auf unseren Computern, auf unseren Netzwerken, in unseren Büroräumen, mit unseren Telefonen, zusammen in ein gemeinschaftliches Produkt, an dem ganz viele Leute kreativ mitgewirkt haben. Das alles erscheint dann unter unserer Marke. Wir sagen nicht, dass die Leistung des Verlages größer ist als die Leistung der Autoren, aber wir lassen uns auch nicht einreden, dass der Verlag gar nichts dazu beiträgt, dass der Autor überhaupt glänzen und mit seinem publizistischen Werk an die Öffentlichkeit treten kann."

    Der Journalismus lebt auch im Netz von der Bekanntheit seiner Marken. Wer die Onlineangebote der verschiedenen Zeitungshäuser anklickt, der weiß, was er bei Spiegel Online, Süddeutsche.de oder auch Main-Post.de erwarten kann. Doch die Markenkraft von kleinen und großen Zeitungshäusern machen sich auch Wirtschaftsunternehmen zunutze. Beispielsweise, indem Handwerksbetriebe oder Automobilhersteller auf ihren Internetseiten Auszüge aus Onlinezeitungsartikeln einstellen. Und dies sollte nun kostenpflichtig sein?

    In einer gemeinsamen Erklärung stellten sich 24 Verbände, unter anderem der BDI und der Zentralverband des Deutschen Handwerks, gegen den ersten Entwurf des Leistungsschutzrechtes. Warum, so ihre Argumentation, sollte etwas kostenpflichtig sein, was von den Verlegern selbst kostenlos ins Netz gestellt wurde? Und warum sollte die deutsche Wirtschaft insgesamt darunter leiden? Sogar die Monopolkommission der Bundesregierung warnte, ein solches Leistungsschutzrecht würde mehr Probleme schaffen als lösen.

    Der Protest zeigte umgehend Wirkung, das Bundesjustizministerium ruderte zurück. Ergebnis: ein neuer Referentenentwurf. Blogger und die deutsche Wirtschaft werden geschont. Das neue Ziel heißt: Google. Denn der Schutz der verlegerischen Leistung wird nun auf die Zugriffe durch Suchmaschinen begrenzt.

    Der internationale Suchmaschinenkonzern Google kommt in Deutschland nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil von 94 Prozent. Sein Geschäftsmodell basiert darauf, dass er im Rahmen der Suchergebnisse passende Werbung auf seine Seite schaltet. Sucht beispielsweise ein User Flüge nach Mallorca, so wird er in einer Spalte neben den entsprechenden Website-Links Werbung für Billigflieger finden. Klickt der Nutzer dann auf eine dieser Anzeigen, dann verdient Google Geld. Und von diesem Geld könnten die Verlage in Zukunft profitieren.

    Eine Aussicht, die Google naturgemäß nicht behagen kann. Pressesprecher Kay Oberbeck:

    "Die Verlage selber tun auch sehr, sehr viel dafür, dass sie mit ihren Angeboten mit Google gefunden werden und auf unseren Seiten auch sehr, sehr hoch gelistet werden. Verlage geben hier Unsummen aus an Geldern für Suchmaschinenoptimierung und natürlich auch für Werbung, dass sie eben dort auch besser gefunden werden. Das ist auch alles völlig ok und macht auch sehr viel Sinn. Dann aber wieder zu kommen und sagen: hallo, für die Inhalte, die jetzt ein Verlag kostenlos ins Internet stellt, dafür letzten Endes von gewerblichen Unternehmen oder in diesem Falle, wie es ja jetzt diskutiert wird, von Suchmaschinen allein, dann noch Geld dafür zu bekommen, das ist in der Tat sehr, sehr absurd."

    Die Kernfrage ist: Wer profitiert hier von wem? Verdient Google nun mit Verlagsinhalten Geld oder macht Google nicht eigentlich Werbung für die Verlage, denn ohne Suchmaschinen würden deren Inhalte von den Nutzern nicht oder schwerer gefunden. Urheberrechtsexperte und Netzaktivist Till Kreutzer hält die Klagen der Verleger über den "Schmarotzer" Google zwar für menschlich nachvollziehbar, zumal der Konzern hoch lukrativ ist.

    "Das heißt aber nicht, dass es legitim ist von gesetzgeberischer Seite, ihnen einen solchen Anspruch zu gewähren. Das würde ja heißen: Es würde ein Gesetz geschaffen, dass dem Kinobetreiber ein Recht verleiht, den Taxifahrer, der die Leute zum Kino fährt, abzukassieren, weil der Taxifahrer ja davon profitiert, dass die Leute ins Kino wollen. Man könnte aber auch genauso gut umgekehrt sagen: Der Taxifahrer kassiert beim Kinobetreiber ab, denn der bringt denen ja die Kunden. Genauso in diesem Verhältnis: immer dann, wenn zwei Parteien voneinander profitieren, in diesem Fall Presseverleger und Suchmaschinen, ist es eigentlich aus marktwirtschaftlicher Sicht undenkbar, dass man sagt: Also der eine kriegt jetzt von dem anderen was ab, wenn die wechselseitig freiwillig, wie ja auch hier der Fall, freiwillig Leistung bringen."

    Das ist auch ein Grund, warum Bitkom, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien, weiterhin gegen ein Leistungsschutzrecht opponiert. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält es für höchst bedenklich, wenn gerade Suchmaschinen, die doch einen Dreh- und Angelpunkt des Internets bilden, nun in Deutschland mit Kosten zugunsten der Verleger belastet werden sollen. Bernhard Rohleder:

    "Wenn wir uns diese Erschließung der Internetwelt erschweren und hier in Deutschland ein Spezialgesetz machen, das es so in keinem anderen Land der Welt gibt und genau die Innovativsten bestrafen, dann hat das natürlich auch schädliche Wirkungen auf den Standort, auch deshalb, weil international sehr genau beobachtet wird, wie sich Deutschland in der Internetpolitik verhält, und das ist ein katastrophales Signal auch an internationale Gründer."

    Doch nicht nur Internetaktivisten und Kommunikationskonzerne kritisieren den Entwurf für das Leistungsschutzrecht. Der Vorwurf einseitiger Klientelpolitik zugunsten der einflussreichen Lobby der Verleger spaltet auch innerhalb der Koalitionsparteien die Lager in Gegner und Befürworter. SPD, Grüne und natürlich die Piraten sind ohnehin dagegen. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, hält das ganze Vorhaben für unausgegoren und mit vielen rechtlichen Unsicherheiten behaftet. Beispielsweise bleibe die Frage offen, ob auch Twitter und Facebook, beide mit Suchfunktionen ausgestattet, als Suchmaschinen definiert werden könnten. Tabea Rößner:

    "Ich versteh' das ganze Vorhaben nicht mehr richtig. Also, es sollen jetzt nur noch Suchmaschinen von dem Leistungsschutzrecht betroffen werden, und mir ist überhaupt nicht klar: Was ist genau eine Suchmaschine, es gibt da keine Definition. Die Frage, was News-Aggregatoren betrifft, da seh' ich keine Antwort. Meiner Lesart nach sind News-Aggregatoren da nicht mit inbegriffen."

    News-Aggregatoren sind Internetangebote, die einen Überblick über die Nachrichtenlage herstellen. Dafür fassen sie Neuigkeiten unter einer Überschrift zusammen und verweisen auf die originalen Quellen. Tabea Rößner weiter:

    "Und ich hab das Gefühl: Dieser verkorkste Entwurf, den es eben im Vorfeld gegeben hat, ist jetzt nur noch verschlimmbessert worden. Die ganze Frage ist murks, und das kommt daher: Es ist versprochen worden im Koalitionsvertrag, die Verleger haben die ganze Zeit der Regierung auf der Matte gestanden und haben gesagt: Wir wollen das haben, und es ist eine halbherzige Geschichte, das ist mein Eindruck, die Regierung will es nicht wirklich, oder die Justizministerin will es nicht wirklich, und deshalb kommt da so ein Murks raus."

    Aber auch die Verleger sind mit dem neuesten Gesetzentwurf nicht zufrieden, denn nach ihrer Ansicht fehlt ein dezidierter Hinweis auf die sogenannten News-Aggregatoren. Auch hier träfe es im Zweifel wieder Google, das mit seinem Angebot Google-News hier Marktführer ist. Für Konzernsprecher Kay Oberbeck auch deswegen ein Unding, weil Google News ein Angebot für die Verlage sei, für das sie sich sogar erst bewerben müssen. Kay Oberbeck:

    "Jeder, der bei Google News, in dieser Nachrichtensuchmaschine gelistet werden möchte, bewirbt sich sozusagen bei uns, muss also selber aktiv werden. Mittlerweile sind das weltweit schon mehr als 50.000 Quellen."

    Bei allem öffentlichen Streit über das Leistungsschutzrecht, bei dem die Verlegerverbände sowohl dem BDI wie auch den Aktivisten der Initiative gegen das Leistungsschutzrecht vorwerfen, sich vor den Karren von Google spannen zu lassen, ist es noch nicht ausgemacht, ob das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird - in welcher Fassung auch immer. Und ob es später noch einmal eingebracht werden könnte, ist zurzeit mehr als fraglich.

    Aus den unterschiedlichen Entwürfen, die bislang vorlagen, lesen Gegner heraus, dass sich die Politik nicht wirklich sicher ist, was sie eigentlich mit diesem Gesetz möchte. Udo Vetter, Rechtsanwalt und Blogger, meint, ohnehin, dass ein Leistungsschutz für Verleger in der heutigen Medienwelt am falschen Ende ansetzt. Wenn sich die Politik für Qualitätsjournalismus einsetzen wolle, dann sollte sie sich lieber für die Belange der Journalisten einsetzen, die mittels sogenannter Buy-Out-Verträge alle Online-Rechte an ihren Artikeln an die Verlage abtreten müssten. Udo Vetter:

    "Es gibt immer wieder fast wöchentlich Gerichtsurteile, die sagen: Die Verträge, die Verlage mit ihren freien Journalisten abschließen, sind rechtswidrig, wenn nicht gar sittenwidrig. Einfach, weil die Journalisten a) geknebelt werden, was die Höhe der Vergütung angeht, da werden teilweise noch Hungerlöhne gezahlt, und b) sie müssen sich absolut damit einverstanden erklären, dass das insgesamt und absolut verwertet werden darf, ohne dass sie möglicherweise eine Mehrvergütung bekommen. An diesem Punkt tut der Gesetzgeber erstaunlicherweise nichts, obwohl die Gerichte da selbst unruhig werden und sagen: So geht das nicht weiter, ihr treibt ja freie Journalisten im Prinzip in die Verelendung. So steht das ja in manchen Urteilen wirklich drin. Da tut sich nichts."

    Die Kernfrage, um die es beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht, lautet: Braucht es in der Zeit digitaler Vernetzung noch starke Pressehäuser, um Qualitätsjournalismus aufrecht zu erhalten? Und man muss noch eine zweite Frage stellen: Geht es den Pressehäusern so schlecht, dass sie überhaupt Hilfe brauchen? Auch hier scheiden sich die Geister. Vermeldete nicht gerade die Axel Springer AG, der Hauptlobbyist für ein Leistungsschutzrecht, ein überaus gutes Geschäftsjahr - gerade wegen seiner digitalen Angebote? Ja, sagt Public-Affairs-Leiter Christoph Keese, aber:

    "Das meiste Geld, das wir im Internet verdienen, verdienen wir eben nicht mit journalistischen Angeboten, sondern das verdienen wir beispielsweise mit Immobilienplattformen, mit Stellenmärkten, mit Preisvergleichsmaschinen, et cetera. Diese Entwicklung, die für uns sehr erfreulich ist, illustriert geradezu das Problem. Wenn Verlage den größten Teil ihrer Wertschöpfung im Internet in Zukunft mit nicht-journalistischen Angeboten finanzieren oder erwirtschaften, dann ist ja eigentlich etwas faul im Staate Dänemark. Dann sehen wir, dass doch eigentlich Anreize geschaffen werden müssen, auch in Journalismus im Internet verstärkt zu investieren, genau da liegt im Augenblick das Problem, dass man mit Journalismus im Internet nur wenig, wenn überhaupt, Geld verdienen kann. Die allermeisten machen Verluste damit. Das kann so nicht bleiben."