Freitag, 29. März 2024

Archiv

Deutsche Welle stoppt Kommentare
"Die Trolle haben gewonnen"

Die Deutsche Welle ist nur der jüngste Fall: Viele Medienhäuser lassen auf ihren Online-Seiten keine Kommentare mehr zu. Der SZ-Digitalexperte Simon Hurtz findet das nachvollziehbar, aber bedauerlich. Denn Diskussionsforen seien eine gute Möglichkeit, Nutzer an sich zu binden, sagte er im Dlf.

Simon Hurtz im Gespräch mit Brigitte Baetz | 13.08.2018
    Ein junger Mann sitzt am 03.03.2017 in Frankfurt am Main (Hessen) in einer S-Bahn und benutzt dabei sein Smartphone.
    Die Anonymität des Internets verleitet manche Nutzer zu Beleidigungen und Beschimpfungen. (dpa / picture-alliance / Hauke-Christian Dittrich)
    Andere Online-Portal haben es schon früher getan, vergangene Woche entschied sich auch die Deutsche Welle (DW) dafür: Sie schaltete die Kommentarfunktion ihrer Online-Auftritte für alle redaktionellen Meinungsbeiträge ab. Die Betreuung der Foren sei zu aufwendig, heißt es in einem Statement des Senders.
    Lieber in Inhalte investieren
    SZ-Journalist Simon Hurtz wertete das im Deutschlandfunk als bedauerliches Signal: "Es zeigt, die Trolle haben gewonnen und Hass und Wut sind nicht mehr zu beherrschen." Dennoch kann er die Entscheidung nachvollziehen: Die Moderation bündele zu viele Ressourcen, die besser in hochwertige Inhalte investiert werden könnten.
    Grundsätzlich sieht Hurtz die öffentliche Debatte im Internet nicht gefährdet, schließlich täten zweieinhalb Milliarden Menschen ihre Meinung auf Facebook kund.
    Kommentare stärken Nutzerbindung
    Aus Sicht der Medienhäuser könne das Abschalten der Kommentarfunktion allerdings problematisch sein. Vor allem für Anbieter, die die Akzeptanz für bezahlte Inhalte steigern wollen, sei die Funktion wichtig. "Ich glaube, dass Kommentare und so ein gemeinsamer Kommunikationsraum eine Möglichkeit sind, Nutzer sehr effektiv an sich zu binden", sagte Hurtz.
    Die Entscheidung, die Kommentarfunktion abzuschalten, sei dem Sender schwer gefallen, schrieb Chefredakteurin Ines Pohl auf der Internetseite der Deutschen Welle – schließlich kämpfe der Sender weltweit für einen offenen, kritischen Austausch von Argumenten.
    Beleidigungen, Beschimpfungen, Rassismus
    "In letzter Zeit haben die überwiegenden Beiträge allerdings ein solches Niveau erreicht, dass sie mit einem konstruktiven Meinungsaustausch nichts mehr zu tun haben", hieß es in dem Statement des Senders weiter. Der Diskurs werde geprägt von Beschimpfungen, Beleidigungen und rassistischen Äußerungen.
    Ganz stellt der Sender den Online-Diskurs mit seinen Nutzern allerdings nicht ein. Unter ausgewählten Artikeln soll die Kommentarfunktion auch in Zukunft freigeschaltet werden. Außerdem sind weiterhin Meinungsbeiträge unter nachrichtlichen Beiträgen und auf Facebook möglich.