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Deutscher Film
Prekäre Produktionen

Die Filmproduzenten erreichen neue Zuschauerrekorde für deutsche Kinofilme, hängen aber gleichzeitig am Tropf von Fördermaßnahmen. Die Zahl der TV-Produzenten, die kaum Gewinn erwirtschaften und mit jeder neuen Produktion ihre Existenz aufs Spiel setzen, steigt von Jahr zu Jahr.

Von Brigitte Baetz | 13.02.2016
    Eine Filmklappe, wie sie bei Dreharbeiten verwendet wird.
    Im Ostseebad Rostock-Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) wird am 03.02.2015 an einer neuen Folge "Polizeiruf 110" gearbeitet (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    "Wie geht's uns eigentlich?"
    Fragte Iris Berben, Präsidentin der Deutschen Filmakademie, das Auditorium, denn die Branche taumelt schon seit Jahren zwischen Wohl und Wehe. Doch das soll sich nun ändern, die Hoffnung liegt dabei ganz beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen – genauer auf dem Eckpunktepapier, das die Produzentenallianz mit der ARD ausgehandelt hat: Neue Berufsbilder wie Producer oder Headautor bei fiktionalen Serien werden erstmals kalkulationsfähig; ein Produzent, der mitfinanziert, erwirbt eigene Verwertungsrechte, die er bislang nicht hatte. Und gewinnt eine Sendung Auszeichnungen oder wird häufig wiederholt, wird dies nach einem komplizierten Leistungsmodell gesondert vergütet. Alexander Thies, Vorsitzender des Produzentenallianz-Gesamtvorstandes, bezeichnet das als einen Meilenstein:
    "Wenn man jetzt noch dazu nimmt, dass es jetzt noch ein Schiedsgerichtsverfahren gibt, wo man nicht ad hoc anruft und sagt, ich hab ein Problem, sondern wo es ganz grundsätzlich gesprochen wird, entsteht eine ganz neue Architektur. Es ist nämlich so, dass man sich gemeinsam um die beste Kalkulation bemüht, gemeinsam die Budgets bestmöglich ausnutzt. Aber wenn es drüber geht, eben die Chance hat, das Werk bestmöglichst zu machen, dann kann der Produzent eben auch zeigen, wenn er sich das zumuten will, dass er auch etwas in diese Richtung unternehmen kann und zufinanziert."
    Berben: "Ja, wie geht es uns eigentlich jetzt? Kommt immer darauf an, wen man fragt."
    Frickel: "Naja, ich spreche aus der Sicht des Dokumentarfilmers. Ja, die ARD hat sich bewegt. Es geht in die richtige Richtung."
    Sagt Thomas Frickel, Vorsitzender der AG Dok, moniert aber auch, dass das Papier die wirtschaftliche Zweiklassengesellschaft zwischen Produzenten fiktionaler Stoffe und den Dokumentarfilmern erst einmal weiter zementiere.
    "Das fängt damit an, dass festgeschrieben wird, dass Kameraleute und Cutter für dokumentarische Filme eben nicht nach Mindesttarif bezahlt werden. Das bleibt offen. Es ist also möglich, die Tarifgagen zu unterschreiten. Es wird festgeschrieben, dass die Projektentwicklung zum unternehmerischen Risiko des Produzenten gehört, also da fühlen sich die Sender nicht für verantwortlich, neue Impulse zu geben, die die meist finanziell nicht üppig ausgestatteten Produktionsfirmen in die Lage versetzen, auch mal wirklich intensiv an den Themen zu recherchieren."
    Doch ob die Sender sich diese eher passive Haltung noch lange werden leisten können, ist ohnehin fraglich. Denn mit Streamingdiensten wie Netflix oder Anbietern wie Amazon wird auch der deutsche Fernsehmarkt zurzeit aufgemischt. Und das eben nicht nur, was den Kampf um den Zuschauer angeht. Beide haben deutsche Produktionen angekündigt. Das heißt für Alexander Thies von der Produzentenallianz, dass sich die Marktbedingungen für die hiesigen Inhalteanbieter verbessern werden. Die Sender müssten in Zukunft froh sein, überhaupt gute Stoffe geliefert zu bekommen. Mit dieser selbstbewussten Haltung hoffen die Produzenten, auch Druck auf die Privaten auszuüben. Denn obwohl nicht nur die ARD, sondern auch das ZDF verstärkt um die Gunst der Contentlieferanten buhlen, bewegen sich RTL und Co. noch viel zu wenig, sagt Alexander Thies:
    "Es gibt bei denen ein Konzept, da geht es bei denen um eine Optimierung ihrer Renditen. Die können bei den Rechtefragen nicht offen sein, aus ihrer Sicht. Und dennoch ist heute hoffentlich klar geworden, dass es nicht nur um Rechtefragen geht, sondern es geht um Erfolgsbeteiligung. Und gleichzeitig geht es auch darum, in einer Zukunft, wenn die guten Ideen nicht mehr so einfach auf der Straße liegen, dann muss man sich mal überlegen, wie man als Sender interessant wird für gute Ideen. Denn die Produzenten werden gute Ideen umso mehr suchen je mehr Anbieter es gibt und je mehr sie sie gefunden haben, umso weniger hergeben und da muss sich ein Sender darauf einstellen."