Donnerstag, 18. April 2024

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Deutscher Helfer in Liberia
"Jeder hat Ebola im Kopf"

Die Menschen in Liberia hätten verstanden, dass man sich leicht gegen Ebola schützen könne, sagte Mario di Gennaro vom Deutschen Roten Kreuz. Er ist zuständig für die Hygiene in einer Art Krankenhaus dort. Ebola sei präsent, es herrsche aber keine Panik. "Die Leute schließen sich nicht zuhause ein."

Mario di Gennaro im Gespräch mit Peter Kapern | 13.11.2014
    Ärzte in Liberias Hauptstadt Monrovia ziehen sich Schutzanzüge an, um mit Ebola infizierte Patienten zu behandeln.
    Das Ebola-Virus hat vor allem in Liberia viele Menschen das Leben gekostet. (AFP / Dominique Faget)
    Di Gennaro berichtete, in Liberias Hauptstadt Monrovia überall werde auf Plakaten und per SMS auf die Gefahr hingewiesen. Es sei aber zu früh, um zu sagen, ob es den Menschen besser gehe.
    Di Gennaro ist "Chefdesinfektor" eines Krankenhauses, das derzeit noch aufgebaut wird. Es gebe drei große Zelte, die die Krankenstationen seien, und viele kleinere. "Es ist wie eine kleine Zeltstadt."
    Mario Di Gennaro, Inga Hennig-Finke, Rainer Haak
    Mario Di Gennaro (links), Inga Hennig-Finke und Rainer Haak sind für das Deutsche Rote Kreuz in den Ebola-Gebieten im Einsatz. (Foto: Claudia van Laak)
    Der Helfer arbeitet seit 25 Jahren für das Rote Kreuz. Für ihn sei es nur konsequent gewesen, sich als Freiwilliger für den Ebola-Einsatz zu melden: "Ich kann nicht für das Rote Kreuz arbeiten und dann den Kopf beiseite drehen und sagen: Westafrika, die Situation gibt es nicht." Er wünsche sich bei seiner Rückkehr nach Deutschland, wieder empfangen und nicht ausgegrenzt zu werden,

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Widersprüchlich sind sie, die Informationen, die wir in Sachen Ebola erhalten. Einerseits macht die Weltgesundheitsorganisation Hoffnung, dass vielleicht langsam eine Wende zum Besseren bei der in Westafrika grassierenden Epidemie zu erwarten sei. Andererseits aber hat die Zahl der Toten gerade die Marke von 5.000 überschritten. Und die Organisation Ärzte ohne Grenzen warnt, dass sich das wahre Elend derzeit in den Ebola-Gebieten abseits der großen Städte abspielt, wo nur wenig Hilfe ankommt.
    Aber wer mag schon dort hingehen, nach Liberia etwa, um dort in Krankenstationen zu arbeiten? Es waren nicht sehr viele Freiwillige, die sich auf den Aufruf des Deutschen Roten Kreuzes gemeldet haben. Einer von ihnen ist Mario di Gennaro, der vor knapp einer Woche nach Liberia gereist ist, um dort zu helfen. Vor der Sendung hat er mir geschildert, wie genau sein Einsatz in Liberia aussieht.
    Mario di Gennaro: Wir sind am 7. November hier in Monrovia gelandet und bleiben auch hier. Wir werden eingesetzt in der Ebola-Treatment-Unit hier in Monrovia in der Nähe des Stadions.
    Kapern: Was ist das, ein Ebola-Treatment-Unit?
    di Gennaro: Ein Ebola-Krankenhaus. Wir sind ein gemischtes Team zwischen der Bundeswehr und dem Deutschen Roten Kreuz und diese Ebola-Treatment-Unit ist vorgesehen für 100 Patienten, und das DRK und die Bundeswehr statten diese quasi personell und materiell aus.
    Kapern: Und was genau ist Ihre Aufgabe in diesem Ebola-Krankenhaus?
    di Gennaro: Umgangssprachlich würde man, glaube ich, sagen, ich bin der Chefdesinfektor geworden. Das heißt, ich muss mich um die Hygiene, um das Personal, was zum Beispiel die Zelte reinigt, kümmern. Ich muss sie unterweisen, muss überwachen, dass die Hygienemaßnahmen hundert Prozent eingehalten werden.
    Kleine Zeltstadt als Krankenhaus
    Kapern: Und wie, Herr di Gennaro, muss man sich dieses Krankenhaus vorstellen, so wie ein Krankenhaus in einer deutschen Stadt?
    di Gennaro: Nein, bei Weitem nicht. Das sind Zelte, das sind drei große Zelte, die die Krankenstation abbilden, ansonsten noch viele kleine Lagerhäuser im sauberen Bereich, im reinen Bereich, die Büroräume, die Müllverbrennung, die im roten Bereich stattfindet, all diese Dinge. Das ist wie so eine kleine Zeltstadt.
    Kapern: Ist denn dieses Krankenhaus bereits in Betrieb, oder noch in der Aufbauphase?
    di Gennaro: Es ist in der Aufbauphase. Es läuft alles parallel. Das heißt, wir besuchen die Baustelle häufiger, und wir, das Personal, sind im Moment in einem Training, was vorgeschrieben ist vonseiten der Weltgesundheitsorganisation und der liberianischen Regierung, damit man in so einem Ebola-Zentrum arbeiten darf.
    Kapern. Das heißt, noch werden in diesem Krankenhaus keine Patienten behandelt?
    di Gennaro: Das ist richtig. Wir haben noch nicht geöffnet, aber das wird relativ bald der Fall sein.
    Kapern: Ist die Situation, die Sie in Monrovia angetroffen haben, so, wie Sie sie sich vor Ihrer Abreise vorgestellt haben?
    di Gennaro: Ich war letztes Jahr in Nigeria in einem Einsatz. Es ist durchaus vergleichbar. Das Stadtbild: Ich kann es nicht beurteilen, wie es vorher hier gewesen ist. Man hat uns gesagt, da waren die Straßen wesentlich leerer. Ich muss sagen, hier ist es wieder so, wie ich Afrika in Nigeria kennengelernt habe. Es sind Straßenstände geöffnet. Der eine oder andere ist geschlossen. Ich finde hier keinen Friseur. Ich war Gott sei Dank noch mal beim Friseur. Aber ansonsten ist es nicht so, dass man sich vorstellen kann, dass hier niemand auf der Straße ist oder so was. Überhaupt nicht. Man muss vorsichtig sein, aber die Leute schließen sich nicht zu Hause ein.
    Kapern: Ist Ebola im Alltag also gar nicht sichtbar in Monrovia?
    di Gennaro: Ich sage immer, man bekommt sehr leicht Ebola, aber man kann sich auch sehr leicht dagegen schützen, und ich glaube, das haben die Menschen auch hier im Land verstanden. Das heißt, ich denke, jeder hat Ebola im Kopf, alleine schon durch Plakate. Man bekommt auf sein Handy SMS, wenn man telefoniert hat, „Ebola is real". Hier wird schon alles dafür getan zu sagen, passt auf, seid vorsichtig. Es ist präsent, ja, aber es ist nicht so, dass man sagt, es herrscht eine Panik.
    Keine Ebola-Toten in den Straßen
    Kapern: Vor einigen Wochen habe ich mit einer deutschen Helferin in Monrovia telefoniert, als die Ebola-Epidemie in Monrovia vielleicht ihre schlimmsten Ausmaße erreicht hatte. Die berichtete davon, dass Tote, Ebola-Tote in den Straßen lagen und dort verwesten und nicht bei Seite geräumt wurden. Davon ist Ihrer Meinung nach jetzt gar nichts mehr zu sehen?
    di Gennaro: In den Bereichen, wo wir jetzt unterwegs waren - wir sind jeden Tag in dieses Trainingszentrum gefahren, wo wir das Training bekommen -, nein, so was ist mir überhaupt nicht begegnet.
    Kapern: Was ist, Herr di Gennaro, Ihr eindrücklichstes Erlebnis, seit Sie in Monrovia angekommen sind?
    di Gennaro: Gerade heute in dem Training hat man organisiert, dass es einen Survivor Panel gab, wo Ebola-Überlebende mit uns zusammengesessen haben und ihre Eindrücke geschildert haben. Das war für mich ziemlich bewegend.
    Kapern: Was genau hat Sie daran so bewegt?
    di Gennaro: Ja, einfach zu sehen, warum mache ich das eigentlich hier überhaupt, warum bin ich hier, oder warum sind wir hier, ich alleine sowieso nicht, aber warum ist das DRK hier, warum hilft die humanitäre Welt im Moment Westafrika, um noch viele Überlebende, wie wir mit denen heute Mittag sprechen konnten, zu sehen.
    Kapern: Ist Ihre Arbeit gefährlich? Empfinden Sie die als gefährlich?
    di Gennaro: Ich würde sie als - gefährlich ist vielleicht eine Stufe zu viel. Ja, sie ist risikobehaftet, weil ich natürlich über die Hygiene mit vielen virenbelasteten Stoffen in Berührung kommen kann. Das Training ist gut, was wir hier erhalten, und es gilt nach wie vor, einfach achtsam zu sein. Der Virus springt einen nach wie vor nicht an. Das hat sich auch nicht geändert, seit ich hier bin. Ansonsten einfach die Vorsichtsmaßnahmen walten lassen, Hände waschen, Abstand halten, desinfizieren und das, was wir hier jetzt vertieft noch mal bekommen, umsetzen. Dann, denke ich, kann man nicht davon sprechen, dass es gefährlich ist, aber sicherlich risikoreich.
    Kapern: Nun hat es ja verschiedene Aufrufe gegeben an Freiwillige in Deutschland, sich zu melden für den Einsatz in den Ebola-Gebieten. Es haben sich nur relativ wenige Menschen darauf gemeldet. So war jedenfalls vom Deutschen Roten Kreuz zu hören. Warum haben Sie sich gemeldet?
    di Gennaro: Ich arbeite seit 25 Jahren für das Rote Kreuz und bin im Haupt- und auch im Ehrenamt fürs Rote Kreuz tätig, und das war für mich so ein bisschen eine Philosophie-Frage. Ich kann nicht fürs Rote Kreuz arbeiten und dann den Kopf bei Seite drehen und sagen, Westafrika, die Situation gibt es nicht. Ich bin ausgebildet worden für die Auslandshilfe seit über einem Jahr und das war für mich einfach der Anlass zu sagen, ja, ich melde mich dafür.
    Kollegen in Liberia sind dankbar für Hilfe
    Kapern: Hat sich bei Ihnen schon jemand bedankt dafür?
    di Gennaro: Ja, von den Kollegen, die hier im Land waren, die gesagt haben, toll, dass ihr hier seid.
    Kapern: Die Weltgesundheitsorganisation, Herr di Gennaro, die spricht ganz vorsichtig von ersten Anzeichen, dass sich die Situation bessert. Sehen Sie solche Anzeichen auch, wenn Sie sich in Monrovia umschauen?
    di Gennaro: Ich habe mir vorgenommen, nicht auf die Zahlen zu gucken. Sicherlich haben wir gehört, dass die Zahlen wohl stagnieren. Dadurch, dass wir aber im Moment erst noch in dieser Aufbau- und Trainingsphase sind, kann ich da keine vertieften Aussagen zu machen. Es würde mich freuen, wenn es tatsächlich so ist, weil das bestätigt mich noch mal, dass die Prozeduren, wie wir sie lernen, letztendlich Erfolge zeigen. Aber da jetzt zu gucken, wird es langsam besser oder nicht, ist, glaube ich, noch viel zu früh.
    Kapern: Wenn Sie sich vor Augen führen, dass dieses Gespräch gerade von Menschen in Deutschland gehört wird, gäbe es etwas, was Sie sich von denen wünschen würden vor dem Hintergrund dessen, was Sie in Monrovia gerade erleben?
    di Gennaro: Da gibt es eigentlich sogar, wenn ich nicht unverschämt bin, drei Dinge, die ich mir wünschen würde. Vorneweg, wenn wir wieder nach Hause kommen, empfangen zu werden und nicht ausgegrenzt zu werden, dass sich weiter noch Menschen melden beim Roten Kreuz, die ein entsprechendes Profil haben, um hier auch unsere Arbeit fortzusetzen. Und ich sage immer: Das Rote Kreuz ist schon da vor Ebola, oder war schon da vor Ebola, ist während Ebola da und ist nach Ebola immer noch da, und ich spreche da von den Kollegen des Liberianischen Roten Kreuzes, die eine tolle Arbeit hier im Land machen, und es wäre natürlich auch schön, wenn die ihre Arbeit in Projekten fortsetzen könnten und wir aus Deutschland das mit finanziellen Mitteln ermöglichen können.
    Kapern: ..., sagt Mario di Gennaro, einer der Freiwilligen, die im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes nach Liberia gegangen sind, um Ebola zu bekämpfen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.