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Deutscher Kulturrat: Keine Entwarnung im Kulturbereich

Aus Sicht des Geschäftsführers des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, wird die kommunale Kultur nicht von den Haushaltszuwächsen der Städte und Gemeinden profitieren. Durch wachsende Personalkosten werde der Spardruck auf die Kommunen sogar zunehmen.

Olaf Zimmermann im Gespräch mit Michael Köhler | 23.08.2013
    Michael Köhler: Vom Statistischen Bundesamt erfahren wir heute, die widerstandsfähige Konjunktur in Deutschland hat im ersten Halbjahr einen Überschuss beschert. Bund, Länder und Kommunen nahmen demnach achteinhalb Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das entspreche etwa 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Länder, Gemeinden stellen in Deutschland den Löwenanteil an Kulturausgaben, circa 85 Prozent. Nach den massiven Kürzungsankündigungen in Nordrhein-Westfalen – 16 Millionen sollen da eingespart werden im Kulturbereich – wäre das ja eine schöne Erholung, käme sie der Kultur zugute! Ich habe Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, dem Spitzenverband kultureller Organisationen in Deutschland, gefragt: Gibt es Aussicht, dass das der Kultur zugutekommt?

    Olaf Zimmermann: Erst mal ist natürlich super, dass wir einen Überschuss haben. Aber ich denke, man muss sich immer genau anschauen, wo und wie dieser Überschuss zustande kommt. Der Überschuss kommt natürlich deshalb zustande, weil wir im Moment eine doch ganz gut robuste Konjunktur haben, es gibt mehr Steuereinnahmen, aber die Steuereinnahmen werden natürlich nicht quasi übers Land hinweg in allen Kommunen gleich erwirtschaftet, sondern die, die arm sind, die bleiben arm, und die, die schon bisher auf einem besseren Stand waren, weil sie auch mehr Steuereinnahmen hatten, weil sie zum Beispiel in ihren Stadtgrenzen auch eben mehr funktionierende Gewerbebetriebe gehabt haben, die werden auch ein bisschen mehr Spielraum jetzt haben. Das heißt, den vielen notleidenden Kommunen – das ist, glaube ich, das riesige Problem, was wir haben –, denen ist auch durch eine so positive Entwicklung letztendlich nicht geholfen. Wir gehen ja davon aus, dass alleine die Kommunen in Deutschland mehr als 130 Milliarden Euro Schulden haben. Da sind acht Milliarden Euro quasi, die man einmal mehr hat, Bund, Länder und Kommunen ja gemeinsam. Zwar eine schöne Nachricht, aber leider keine Entwarnung.

    Köhler: Was Sie da gerade sagen, ein Viertel dieser Schuldenlast entfällt allein auf das größte Bundesland, auf Nordrhein-Westfalen. Da gibt es zahlreiche Kommunen in den Nothaushalten, wir wurden vor einiger Zeit aufgeschreckt, die ärmste Kommune, das Ruhrgebiet, sei das neue Armenhaus Deutschlands. Die Kultur trifft es ja meist als Erste bei Kürzungen. Heißt das aber vielleicht aber vielleicht doch, dass es nicht ganz so schlimm ist und es gar keine klammen Kommunen gibt, oder liegt das wirklich nur an diesem Schlüssel, den Sie gerade erklärt haben?

    Zimmermann: Es ist einfach so, dass wir einen wirklich großen Teil an Kommunen haben, die letztendlich nicht mehr wissen, wie sie wirtschaften sollen. Und das wird in den nächsten Jahren eher noch schwieriger werden, es kommen letztendlich fast unübersehbare Personallasten auf diese Kommunen zu. Das heißt, sie müssen eben jetzt für die Menschen, die in Rente gehen, die Beamte sind, jetzt also auch diese sehr hohen Personallasten dann in der Zukunft tragen. Das wird die Sache sogar noch einmal verschärfen. Also, ich würde so, so gerne sagen, lassen Sie uns Entwarnung geben, weil das wäre für uns ja wirklich auch mal entspannend, wenn wir sagen könnten, eine positive Nachricht und der Kultur wird jetzt eben nicht mehr so viel Sparqualen angetan. Aber leider kann man das nach diesen Zahlen nicht sehen, die Schulden der Kommunen und auch vieler Länder – nicht aller Länder, aber vieler Länder – sind so hoch, dass sie alleine durch diese eine Meldung leider nicht verändert werden.

    Köhler: Also, Sie legen den Sekt nicht kalt, sagen, die Kommunen in den notleidenden Ländern und Haushalten haben nichts davon. Das heißt unter dem Strich, die Kultur profitiert nicht davon, sondern die Abwärtsspirale wird sich eher noch fortsetzen, trotz besserer Haushaltslage?

    Zimmermann: Nein, wir haben ja auch heute schon Kommunen und auch Länder, in denen weniger bei der Kultur gespart wird als in anderen Kommunen und Ländern. Das heißt, dort, wo genügend Geld zur Verfügung steht, wird ja in der Regel auch in Kultur investiert. Kultur ist ja eine freiwillige Leistung der Kommunen und auch der Länder. Das bedeutet für viele Kämmerer, dass sie es immer erst dann machen wollen, wenn sie auch genügend Geld zur Verfügung haben. Das bedeutet aber eben im Umkehrschluss, dort, wo wenig ist, wird auch weiterhin gespart werden. Wenn wir uns die Situation anschauen, müssen wir sehen, dass in den nächsten Jahren der Spardruck auf den Kulturbereich noch einmal steigen wird trotz dieser guten Zahlen heute.

    Köhler: Es wird davon gesprochen, dass der Überschuss etwa 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen soll. Man muss sich vor Augen halten: Noch mal davon die Hälfte, nur 0,3 Prozent, sind überhaupt Kulturausgaben. Das ist verschwindend wenig!

    Zimmermann: Der Kulturhaushalt ist letztendlich in allen Körperschaften so eine kleine Größe. Viele versuchen deshalb oder sparen im Kulturbereich ja auch nicht deshalb, weil sie wirklich glauben, dass sie damit im Haushalt irgendetwas erreichen können, sondern die sagen, wir müssen aus Gerechtigkeitsgründen sparen. Wir sparen bei den großen Bereichen, also müssen wir auch bei den kleinen, nämlich den Kulturbereichen mit sparen, damit die Bevölkerung das Gefühl hat, überall wird gleichermaßen gespart. Wenn man aber mit den Menschen spricht in den Kommunen, dann sagen die, sie wollen doch viel mehr Differenzierung haben, nämlich die Menschen in den Kommunen, die wollen nämlich gar nicht, dass im Kulturbereich gespart wird, das wollen sehr oft nur die Kämmerer.

    Köhler: Keine Entwarnung, sondern eher noch mehr Entwöhnung, meint Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.