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Deutscher Lehrerpreis 2016
Berufsschullehrer mit Leib und Seele

In Berlin wird der Deutsche Lehrerpreis 2016 verliehen. In diesem Jahr erhält Stefan Hierholzer von der BBS 1 in Gifhorn in Niedersachsen einen dieser Preise. Er ist selbst ein Kämpfer, hat sich von der Hauptschule bis zur Fachhochschule durchgebissen. Seine Schüler hatten ihn für einen Preis vorgeschlagen.

Von Frank Ihben | 26.09.2016
    Eine Tafel in einem Klassenzimmer einer Schule, aufgenommen am 10.03.2015 in Leipzig.
    Der ausgezeichnete Lehrer nimmt weder im Klassenraum noch vor seiner Direktorin ein Blatt vor den Mund. (pa/dpa/Ending)
    Auf einer Städtereise nach Wien in den Sommerferien erhielt er einen Anruf seiner Schüler. Er habe den Deutschen Lehrerpreis gewonnen. Stefan Hierholzer konnte es nicht fassen:
    "Ja, ich musste mich da erst mal setzen und gesagt, jetzt brauch ich erst mal ein Wasser, und ich habe mich riesig gefreut, nicht damit gerechnet, das haben die so gut versteckt, dass ich einfach völlig überwältigt war."
    Seine Schüler sind begeistert, dass ihre Nominierung Erfolg hatte. An der Berufsbildenden Schule in Gifhorn werden sie zum Erzieher oder zur Erzieherin ausgebildet. Stefan Hierholzer sei ein ganz besonderer Lehrer, das merke man in jeder Unterrichtsstunde, so Schüler Tim-Oliver Schmidt:
    "Weil er so von innen raus strahlt, er hat so eine Ausstrahlung, er liebt diesen Job, er weiß unglaublich viel. Er motiviert uns alle immer und er sagt auch immer, wir schaffen diese zwei Jahre zum Erzieher und er geht diesen Weg mit uns gemeinsam. Und es ist nicht so, dass wir Schüler sind und er Lehrer, sondern wir sind so auf einer Stufe und wir sind so ein Team!"
    Streng, aber gerecht
    Hierholzer unterrichtet sie in Sozialpädagogik. Der 30-Jährige wirkt offen, humorvoll, extrovertiert. Er selbst beschreibt sich im Unterricht als streng, aber gerecht. Und er will seine Schüler mitreißen. Das versucht er meist mit viel Ironie, sagt Hierholzer:
    "Und das dann rüberzubringen, ich weiß wovon ich rede, wir können aber trotzdem Spaß miteinander haben, es muss nicht bierernst sein, sondern immer mit einem wie gesagt Augenzwinkern und dann geht es auch sehr viel einfacher! Das ist das Allererste: Sie müssen über einen emotionalen Zugang gehen, dann kriegen sie auch alle Menschen dazu, lernen zu können!"
    Nach zweijähriger Ausbildung zur Sozialassistentin hatte die 19-jährige Lea Fait eigentlich schon keine Lust mehr, Erzieherin zu werden. Sie wollte im Sommer alles hinschmeißen, doch da hatte sie nicht mit Stefan Hierholzer gerechnet:
    "Und dann hat er gesagt: Lea, du packst das, du schaffst das, du machst das, und er meinte: Wenn du nicht hierher kommst, wenn du am 1.8. nicht in der Schule bist, dann komm ich zu dir nach Hause und ich rede mit dir noch mal, sodass du halt kommst, also er hat mir keine Wahl gelassen. Das war auch ganz gut so, und ich hab‘s auf keinen Fall bereut. Also, ich freu mich, dass er so ist, wie er ist und er ist der beste Lehrer, den ich bisher hatte!"
    "Ganz unterschiedliche Wesen sitzen mir da gegenüber"
    Er setze sich deshalb so für jede und jeden ein, weil er selbst auch immer gefördert wurde, sagt der gebürtige Schwabe. Und er sei ein Kämpfer. Von der Hauptschule habe er sich bis zur Fachhochschule durchgebissen. Er war Erzieher, und ist neben seiner Tätigkeit als Berufsschullehrer noch Hochschuldozent und schreibt seine Doktorarbeit. Jeder Einzelne sei wichtig, so Hierholzer.
    "Ganz unterschiedliche Wesen sitzen mir da gegenüber und denen muss ich gerecht werden, so wie sie mir natürlich auch gerecht werden müssen, mit meiner Art, da kann auch nicht jeder mit umgehen. Aber die Hinwendung zum Einzelnen und echt zu sein, authentisch zu sein: Das ist eine ganz entscheidende Größe und das riechen Schüler, ob du echt bist und ich bin privat nicht anders als hier!"
    Ob vor der Chefin, im Lehrerzimmer, Zuhause oder vor der Klasse: Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, vor allem nicht in der 7. Und 8. Stunde Freitagnachmittags:
    "Ich hab auch kein Bock, es ist warm, war ja jetzt auch noch ziemlich warm, ich sag, ich will nach Hause, ich schwitze, Dusche wäre auch mal schön, und das nimmt ganz viel, also dieser Lacher, der da entsteht, nimmt unendlich viel von diesem: Ich will hier weg!"
    Und dann müsse er gleich wieder motivieren nach dem Motto: Wir kriegen das die letzten Stunden schon hin!" Stefan Hierholzer ist mit Leib und Seele Lehrer und stolz auf die Auszeichnung zum Lehrer des Jahres 2016! Und auch bei der Preisverleihung in Berlin bleibt er sich treu:
    "Ich werde hier keinen Anzug oder so anziehen, ich komme, wie ich bin, genau mit meinen karierten Hemden, wie ich es jeden Tag tue, und das ist mir völlig egal, ob ich underdressed bin, ich komm so wie ich bin, Punkt!"