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Deutscher per Gesetz

Wann ein in Deutschland geborener Mensch ein Deutscher ist, regelt das Staatsangehörigkeitsgesetz. Am 22. Juli 1913 trat eine erste Version in Kraft. In Zeiten von Kaiserreich, Drittem Reich und deutscher Trennung wurde es immer wieder verändert. Erst 2000 wurde es aber grundlegend erneuert.

Von Otto Langels | 22.07.2013
    "Das Deutsche Reich war Ende des 19. Jahrhunderts das zweitgrößte Arbeitseinfuhrland der Welt. Es kamen Menschen ins Land, die beziehungsweise deren Kinder die Staatsangehörigkeit in Deutschland beanspruchten."

    Dieter Gosewinkel ist Historiker und Jurist am Wissenschaftszentrum Berlin. Um diesen Anspruch der Immigranten auf Einbürgerung abzuwehren, wurde am 22. Juli 1913 ein neues Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, kurz RuStAG, verkündet:

    "Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen et cetera, verordnen im Namen des Deutschen Reichs: Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit besitzt."

    Paragraf 4 des Gesetzes präzisierte, wer Deutscher war und wer nicht:

    "Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter."

    "Diejenigen, die von deutschen Eltern geboren wurden, wurden damit deutsche Staatsangehörige, nicht aber diejenigen, die einfach nur auf deutschem Boden geboren wurden."

    Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz blieb in der Weimarer Republik unverändert. Auch die starke Stellung der Länder wurde nicht angetastet, wonach derjenige automatisch deutscher Staatsbürger war, der zum Beispiel als Bayer, Württemberger, Sachse oder Preuße auf die Welt kam. 1934 hob das NS-Regime im Zuge der sogenannten Gleichschaltung der Länder diese Regelung auf, fortan existierte nur noch eine einheitliche, "reichsunmittelbare" deutsche Staatsangehörigkeit. Ein Jahr später führten die Nationalsozialisten mit den von Hermann Göring verkündeten "Nürnberger Gesetzen" das Rasseprinzip in das Staatsangehörigkeitsrecht ein.

    "Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, dass er gewillt und geeignet ist, in Treue dem deutschen Volk und Reich zu dienen."

    Das NS-Regime erließ zahlreiche Verordnungen zu den "Nürnberger Gesetzen", mit denen Juden, Sinti und Roma entrechtet, ausgegrenzt und verfolgt wurden. Nach 1945 galt das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in beiden deutschen Staaten wieder in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1913. Die Bundesrepublik manifestierte damit ihren Anspruch auf die deutsche Einheit. Das Abstammungsprinzip erleichterte zudem die Aufnahme der Vertriebenen und Spätaussiedler aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. 1967 ersetzte die DDR, so Dieter Gosewinkel, das alte RuStAG.

    "Die DDR hat versucht, mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz, wie sie es genannt hat, eine eigene DDR-Staatsbürgerschaft zu begründen."

    Mit der deutschen Einheit im Jahr 1990 war das Gesetz obsolet. Angesichts von Millionen ausländischen Arbeitskräften, die seit Jahrzehnten mit ihren Familien in Deutschland lebten, reformierte die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 das Staatsangehörigkeitsrecht. Ausländer können nunmehr eingebürgert werden, wenn sie seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der Rechts- und Lebensverhältnisse verfügen.

    "Haben Sie ein bisschen Ahnung von der deutschen Küche an sich? Können Sie ein Eisbein kochen? Können Sie ein Schnitzel panieren, Klöpse machen, Kohlroulade? Det is nämlich gar nicht so einfach."

    Britt Beyers Dokumentarfilm "Werden Sie Deutscher" zeigt die Tücken der Integration für einbürgerungswillige Ausländer. Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz markierte einen Wendepunkt und führte erstmals neben dem Abstammungs- das Territorialprinzip ein.

    "Das besagt, dass Kinder von Familien, die seit Längerem legal im Land ansässig sind, die deutsche Staatsangehörigkeit wegen ihrer Geburt auf deutschem Boden und ungeachtet der fremden Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erwerben können."

    Deutschland holte damit nach, woran sich traditionelle Einwanderungsländer wie die USA oder Frankreich schon seit Generationen orientieren. Allerdings gilt in Deutschland die sogenannte Optionspflicht:

    "Diejenigen Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch ihre Geburt auf deutschem Boden erwerben, sind per Gesetz verpflichtet, bis zu ihrer Volljährigkeit zu entscheiden, ob sie diese deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen."