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Deutscher Theaterpreis Faust
Die Besten der Bühne

Der Deutsche Theaterpreis Faust gilt als eine der begehrtesten Auszeichnungen der Szene. Der Faust steht für die Vielfalt des deutschen Theaters. Nominiert waren Produktionen und Künstler aus Berlin ebenso wie aus Mainz und Oberhausen, Nürnberg und Saarbrücken, Heidelberg und Heilbronn.

Von Michael Laages | 09.11.2014
    Lebenswerk? Was ist das denn? Das fragte sich die Theaterverlegerin Maria Müller-Sommer, geboren 1922, bei der Verleihung des Deutschen Theaterpreises: "Ich habe immer noch Angst, mich fragt irgendwann mal jemand nach meinem Lebenswerk. Und ich wüsste nichts zu sagen. Ich habe halt immer nur getan, was jeweils nötig war."
    Auch Günter Grass war gekommen, um speziell ihr zu gratulieren. Maria Müller-Sommer war die Theaterbeauftragte in Gustav Kiepenheuers Verlag; und bis heute beobachtet sie Autorinnen und Autoren, die fürs Theater schreiben. Mit dem Lebensecho fast eines Jahrhunderts nahm sie den Preis entgegen - und kurz zuvor hatte sich auch schon Gala-Moderator Ulrich Matthes einen Ausflug ins Historische gegönnt: im Gespräch mit drei Stützen früherer Hamburger Theaterzeiten – Peter Striebeck, 76, Christoph Bantzer, 78, und Heinz Lieven, 86. Gesungen haben sie auch. Da schlug die Stimmung wirklich Wellen. Das war von keinem der mit dem FAUST ausgezeichneten Preisträger zu toppen.
    Offenheit für Künstler aus dem Ausland
    "Heute Abend sieht man wieder, wie viele Ausländer nominiert sind! Bei den Regisseuren sind's drei." Johan Simons, ausgezeichnet als Schauspiel-Regisseur, konkurrierte mit dem Ungarn Viktor Bodó und Simon Stone aus Australien. Simons rühmte Deutschlands Offenheit für Künstler aus der Nachbarschaft. Anderswo ist das anders. Und diese Offenheit ist kein Metropolen-Phänomen. In Karlsruhe tanzt die Brasilianerin Bruna Andrade. Sie erhielt den Preis als Tanz-Solistin. Für Frank Castorfs Bayreuther "Ring" baute der Serbe Aleksandar Denic die Bühne. Er will selbst die Kundschaft mit Bildern verstören, die Theater als Vorspeise fürs Abendessen danach missversteht.
    Christoph Winkler erhielt den Choreographie-Preis für eine freie Arbeit am Ballhaus Ost in Berlin, Andrea Gronemeyers Arbeit am "Schnawwl" wurde ausgezeichnet, dem Kinder-und-Jugendtheater des Nationaltheaters Mannheim. Evelyn Herlitzius war die gekürte Sängerin für die "Elektra" in Dresden, der Regie-Preis für Sandra Leupolds Verdi-Inszenierung "Don Carlo" geht nach Lübeck. Die Auszeichnung Faust des Deutschen Theaterpreises steht - anders als etwa das "Theatertreffen" - für die Vielfalt des deutschen Theaters. Nominiert waren ja auch Produktionen aus Mainz und Oberhausen, Nürnberg und Saarbrücken, Heidelberg und Heilbronn. Faust-Schauspielerin des Jahres ist dann aber eine Hauptstadt-Heldin: Dagmar Manzel, nach Jahren endlich wieder zu sehen am Deutschen Theater.
    Drohendes Aus für Theaterwissenschaften an der Uni Leipzig
    Schließlich ergriff Klaus Zehelein das Wort, Präsident des Deutschen Bühnenvereins - und setzte seinen Spezial-Preis gegen die drohende Abwicklung der Theaterwissenschaften an der Universität Leipzig: "In unserem hoffnungslosen Idealismus können wir es einfach nicht hinnehmen, dass das Diktat ökonomischer Effizienz unseren Lebenszusammenhang bestimmen soll. Aus der Tradition Grenzen überschreiten? Ja. Dann muss der Beschluss des Rektorats der Universität Leipzig, sich die Theaterwissenschaften zu sparen, muss dieser Beschluss zurück genommen werden!"
    John Neumeiers Ballett und Simone Youngs Staatsopern-Orchester sowie das Hamburger Opernstudio steuerten Ausschnitte aktueller Produktionen bei, und Ulrich Matthes prägte den Abend - nachdenklich und immer sehr persönlich: "Menschenskinder, in was für einer unglaublich privilegierten Situation sind wir hier mit unserem Theater in Deutschland! Natürlich weiß ich, dass es einzelnen Theatern schlecht geht: Halle, Dessau, Wuppertal. Und trotzdem: Wir müssen uns unseres Privilegs hier sehr bewusst sein." Da liebt einer das Theater - im Palaver mit fünf Hamburger Souffleusen zu Beginn wie mit den alten Herren kurz vor Schluss hat er das bewiesen; frei von jeder Verführung zu Schnickschnack und Eitelkeit. "And the winner is" darum neben allen anderen auch er.