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Deutschland bloggt

Auch in Berlin stand das Soziale Internet mit seinen neuen Diensten auf der Tagesordnung - und zwar auf der re:publika, der Konferenz für Blogger. Der Trend ist klar: Zu einem guten Internetauftritt gehört jetzt schon ein 24-Stunden-Angebot, mit Nachrichten in allen Formaten, also mit Text, Bild und Video.

Von Wolfgang Noelke | 04.04.2009
    "Hier ist es und ich launche jetzt den Broadcaster. Mein Channel dort heißt "Pickidilly Circus", aus meinem Nachnamen abgeleitet. Das launch ich jetzt. Das heisst, diese Flash- Applikation von Ustream connectet sich jetzt mit dem Server und ich klinke meine Kamera dort ein und dann hoffe ich, haben wir gleich wieder ein Live- Bild."

    Im Foyer des Friedrichstadtpalasts, der als zusätzlicher Veranstaltungsort der re:publica, wegen der unerwartet hohen Anmeldungen kurzfristig gemietet werden konnte, balanciert die Hamburger Bloggerin Tina Pickhardt ihr aufgeklapptes Laptop vorsichtig und langsam durch die Reihen anderer Besucher, setzt sich hier – und dort zu einer Gruppe, richtet die Kamera ihres PC aus und lässt ihre fünfzehn bis dreißig Online-Zuschauer per Bild und Ton dabei sein. Warum macht sie das?

    "Das Schlüsselerlebnis ist, dass man mit relativ wenig Aufwand viele Menschen mit Video erreicht. Und ein Bild drückt immer noch etwas mehr aus als nur der Ton – auch wenn ich das jetzt so einem Radiomenschen sage und ich Radio sehr liebe, aber ich mag halt das Bewegtbild dazu. Und insofern ist es natürlich Journalismus der Zukunft, weil das heute jeder machen kann, weil die Technik kostet nichts: Eine Videokamera ist in jedem Laptop heute drin, man braucht eine Internetverbindung, entweder über ein WLAN oder über ein LAN oder über so einen UMTS-Stick und dann kann man loslegen. Und über die ganzen Social Networks und Blogs und Microblogging-Kanäle erreiche ich sofort mein eigenes Social Network und natürlich auch noch etliche andere und damit kann ich relativ schnell eine gewisse Öffentlichkeit herstellen. Und man ist natürlich auch viel schneller an Orten, wo ein Fernsehteam so schnell gar nichts aufbauen kann."

    Die so genannte Peer Group informiert sich selbst, ungefiltert, unredigiert, authentisch – und damit offensichtlich so glaubwürdig, dass die Zuschauer dran bleiben, auch wenn zum wiederholten Male die Netzverbindung zusammenbricht. Davon leben können selbst Blogger, die wie Tina Pickhardt alle Medienformate anbieten, nicht – noch nicht:

    "Ich glaube, die werden auch irgendwann Geld damit verdienen wollen, weil: Natürlich macht es Spaß, aber es ist auch viel Arbeit. Wenn man auf einer Konferenz live streamt, kriegt man von der Konferenz nämlich gar nichts mehr mit, weil man nur noch damit beschäftigt ist, zu gucken: Läuft das Bild stabil? Was sagen meine Zuschauer? Die Interaktivität, die neue Medien leisten, die will ja auch bedient werden. Es ist ja nicht damit getan, dass ich einen Chat habe, ich brauche auch jemanden, der in diesen Chat guckt und dieses Interaktivitätsangebot annimmt und darauf reagiert. Und wo man natürlich auch eine hervorragende Möglichkeit hat, am laufenden Sendeformat auch etwas zu ändern, zu optimieren, zu merken: das Interview läuft nicht in die Richtung, das Publikum ist interessiert, an ganz anderen Dingen. Dann kann ich im Interview schwenken auf diese Themen."

    "Shift Happens – Wandel geschieht" - dem Motto der diesjährigen re:publika öffnen sich bereits klassische Zeitungsverlage. "Der Westen", das Onlineportal des Essener WAZ- Konzerns bedient alle Kanäle, bereits während die Journalisten noch lokale Ereignisse recherchieren:

    "Ganz heiß natürlich im Moment: Twitter! Es haben Leute dann auch nachgefragt, wo ich unterwegs war: Wo bist du noch genau? In welcher Straße bist Du so ungefähr? Was passiert da gerade? Kannst Du mal ein bisschen Hintergrund liefern? - Das ist also ein sehr guter Rückkanal! Sonst sind die klassischen Bereiche die Kommentarfunktion. Bei uns im Portal braucht man sich nicht zu registrieren, um Kommentare unter Artikel zu setzen. Das ist viel Arbeit für das Community- Management, aber diese Hemmschwelle ist nicht da. Das heißt, wir bekommen viel ehrlichen Feedback, sehr ehrlichen Feedback, da der auch anonymisiert ist."

    Extreme und beleidigende Kommentare würden von der Online-Redaktion moderiert, sagt Makus Hündgen, Leiter der Videoredaktion, dessen Mitarbeiter jeweils mit Kamera und zwei Mobiltelefonen unterwegs sind. Die Online-Verbreitung habe dadurch deutlich zugenommen, nur in der realen Welt gäbe es noch Hürden:

    "Betrifft uns in einigen Verbreitungsgebieten, ich sag mal, im Sauerland oder am Niederrhein. Das sind etwas ländliche Gebiete. Da kommt es schon mal öfter vor, dass man dann keinen mobilen Internetzugang hat. Da geht natürlich ein bisschen der Vorteil des Internet, die Schnelligkeit verloren, denn ich muss erst mal wieder in die Redaktion fahren, um dort das stationäre Internet zu nutzen. Das wird sich mit der Zeit, glaube ich, verbessern.
    Inwiefern? Indem man irgendwo klingelt und fragt: "Haben Sie Internet? Darf ich mal Ihren PC benutzen?" Das wäre auch ne Alternative: Das wäre ein Teil 'User generated producer', so ungefähr. Nein: Netzausbau! Das ist ja auch angekündigt. Auch die ländlichen Gebiete sollen ja verstärkt ausgebaut werden und ich glaube, das wird dem Journalismus auch sehr viel bringen."