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Deutschlands Erwachsene sind Durchschnitt

Die Studie zur Untersuchung von Alltagsfertigkeiten bei Erwachsenen (PIAAC) wurde international von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt. Beim Lese-, Rechen- und Problemlösungsvermögen waren die Deutschen eher durchschnittlich.

Von Verena Herb | 08.10.2013
    Die Reaktion der Politik auf die Ergebnisse von PIAAC ist deutlich:

    "Wir haben verstanden!"

    So Gerd Hoofe, der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium. Gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium hat auch Hoofes Haus die Untersuchung der OECD unterstützt, die – und das ist wenig überraschend – erwartbare Ergebnisse für Deutschland präsentierte: Deutschland ist Durchschnitt - im internationalen Vergleich mit 24 anderen Ländern. Seit den Pisa-Untersuchungen gilt das eben auch für die Kompetenzen von Erwachsen: für deren Lese-, Rechen- und Problemlösungsvermögen.

    Bei der Befragung durch das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften mussten die knapp 5500 Teilnehmer zum Beispiel einen Beipackzettel für ein Medikament verstehen, ein Thermometer ablesen oder Gigawatt in Megawatt umrechnen. Außerdem ging es darum: Wie können die Deutschen mit dem Computer umgehen?

    Generell, doch das war in allen Ländern zu beobachten, stellen die Computer die wohl größte Herausforderung dar: Fast ein Drittel der befragten Erwachsenen hat Schwierigkeiten, die digitale Technik zu nutzen: vom Einsatz der Maus bis zum Navigieren auf Webseiten, dem Buchen eines Zugtickets oder dem Ordnen von E-Mails.

    Beim Lesevermögen liegt Deutschland knapp unter dem OECD-Durchschnitt. Besonders hervorzuheben sind dabei die 17,5 Prozent der Befragten, die nicht über das grundlegende Niveau hinaus kamen. Was bedeutet: Knapp jeder sechste Deutsche liest wie ein Zehnjähriger. Etwas besser sieht es bei der Alltagsmathematik aus: Da schneidet Deutschland knapp überdurchschnittlich ab. Aber auch hier gilt: 18,5 Prozent sind "mathematische Wenigkönner".

    Beatrice Rammstedt, Projektleiterin der OECD-Studie in Deutschland zieht das entsprechende Fazit:

    "Insgesamt hat Deutschland also im Vergleich zu anderen Ländern Probleme, den Leistungsschwächsten die grundlegenden Kompetenzen zu vermitteln. Hier ist besonders besorgniserregend, dass mehr als die Hälfte der Personen mit maximal einem Hauptschulabschluss nur über sehr geringe lese- und alltagsmathematische Kompetenzen verfügen."

    Ein Teufelskreis – so die Professorin für Psychologische Diagnostik weiter, denn:

    "Diese Personen haben geringe Chancen auf eine Ausbildung und einen anregenden Arbeitsplatz. Sie beteiligen sich auch vergleichsweise wenig an Weiterbildung. Somit fehlen Chancen, mangelnde Kompetenzen im Erwachsenenalter auszugleichen."

    Die größte Schwäche Deutschlands jedoch ist die Chancenungerechtigkeit. In keinem anderen Land hänge die Lesekompetenz so sehr vom Bildungsgrad des Elternhauses ab. Testpersonen, deren Eltern weder Abitur noch Berufsausbildung haben, erzielten weitaus weniger Punkte als jene, bei denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss oder einen Meisterbrief vorweisen kann. Nur in den USA ist dieser Abstand noch größer.

    Die Konsequenz, so Beatrice Rammstedt:

    "Die Ergebnisse von PIAAC zeigen uns Optimierungsbedarf und Chancen. Nämlich meines Erachtens, dass wir uns stärker um die Leistungsschwächsten Personen unserer Gesellschaft kümmern müssen. Sowohl in der schulischen Ausbildung, als auch im Erwachsenenalter. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese Personen mithalten können."

    Blickt man auf die unterschiedlichen Altersgruppen in der Bundesrepublik, schneiden die jüngeren am besten ab: was wiederum von den Experten als Beweis gesehen wird, dass die Bemühungen nach Pisa nun Früchte tragen.

    "Dass wir auf dem richtigen Wege sind, zeigt sich an den Kompetenzen der Jüngsten. Nämlich der 16 bis 24-Jährigen. Die jüngsten erzielen im Mittel bessere Lesekompetenzen, die sich nicht mehr vom OECD-Durchschnitt unterscheiden. Wir holen also auf. Wir sind aber noch nicht da, wo wir sein sollen und wollen."

    Und wie immer gilt es, seitens der Politik darauf zu antworten: Es gibt noch viel zu tun.