Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Deutschlands grüne Lungen
Wie Wälder dem Klimawandel trotzen können

Deutschlands Wälder sind der Klimaerwärmung nicht gut gewachsen, unter anderem, weil über ein Viertel Monokulturen sind. Experten fordern einen gründlichen Waldumbau. Manche Waldbesitzer haben schon begonnen, anders aufzuforsten - mit Laubbäumen und globaler Artenvielfalt.

Von Lutz Reidt | 24.08.2019
Waldsterben in Deutschland 19.08.2019, Oberursel (Hessen): Abgestorbene Fichten stehen im Wald nahe der Altenhöfe im Taunus. Durch die Dürre in diesem und dem vergangenen Sommer sowie den Borkenkäferbefall sind viele Fichten in Deutschland abgestorben. (Luftaufnahme mit einer Drohne), Oberursel Deutschland *** Forest dieback in Germany 19 08 2019, Oberursel Hessen Dead spruces are standing in the forest near the Altenhöfe im Taunus Due to the drought this and last summer and the bark beetle infestation, many spruces have died in Germany Aerial view with a drone, Oberursel Germany
Nach dem Krieg waren schnell wachsende Baumarten, zum Beispiel Fichten, willkommen. Im Bild: abgestorbene Fichten im Taunus. (imago / Jan Eifert)
Beschwerlich ist der Weg durch den Dschungel mitten in der Mecklenburgischen Schweiz. Ein schmaler Trampelpfad, vorbei an unzähligen armdicken Baumstämmen. Meterhoch ragen sie empor, die Mittagssonne hat Mühe, durch das dichte Kronendach zu dringen. Wie in einem Naturtheater wechseln Licht und Schatten, helles und dunkleres Grün. Angenehm kühl ist es in diesem Dickicht, und der Grund dafür ist eine Kältepumpe mitten im Wald. Förster Holger Weinauge windet sich vorbei an einem moosbepackten Wurzelteller, der mannshoch am Wegesrand emporragt, dahinter dann ein zig Meter langer Baumstamm. Hüfthoch liegt er vor uns - braunschwarzes Holz, bröselig und morsch, von Moosen und Flechten überzogen:
"Der Stamm verrottet langsam und nimmt sehr viel Wasser auf, wird zersetzt; und dieses Wasser kann er an heißen Tagen an die Umgebung wieder abgeben, wirkt wie ein großer Wasserspeicher - je größer und je stärker solches liegendes Totholz ist, umso größer ist diese Wasserspeicherfunktion im Zersetzungsprozess; und der Wald profitiert davon, weil er ein kühleres Waldinnenklima dann anschließend aufweist, wenn eine Anzahl dieser Stämme liegen bleiben darf und dem natürlichen Verrottungsprozess anheimfallen kann."
Türkisgrüne Flechten kleben an den Stämmen ringsum in Weinauges Privatwald Kalebsberg bei Teterow in der Mecklenburgischen Schweiz. Dick mit Moos bepackt sind auch die Baumstümpfe, die aus der dicken Laubschicht herauslugen:
"Das hängt mit dem Waldinnenklima zusammen. Ein intaktes Waldinnenklima ist die Voraussetzung, dass unsere Wälder relativ klimastabil erst einmal sind. Es gibt immer Extremereignisse, und je geschlossener ein Wald ist und je intakter das Innenklima ist, umso eher kann er solchen Extremen widerstehen. Das betrifft sowohl nasse Jahre als auch trockene Jahre. Also beide Extreme in beiden Richtungen."
Herumliegendes Totholz hat "wichtige Funktion"
Solche Waldstrukturen sind auch für Kollegen interessant. Gewerkschaftssprecher Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) ist gerade dabei, im benachbarten Kaarz einen bundeseigenen Kiefernforst in einen artenreicheren Mischwald zu verwandeln. Totholz hat er auch schon dort - wenn auch nicht in solchen Ausmaßen wie sein Nachbar, in dessen Wald die sterblichen Überreste der Bäume wie Schwämme wirken:
"Das ist eine wichtige Funktion. Die merkt man jetzt gerade besonders nach den zwei Jahren Dürre in solchen Beständen, wo man ausgeprägte Totholzstrukturen hat - und wir stehen ja jetzt hier im Wald und spüren es auch auf unserer Haut: Hier ist tatsächlich ein funktionierendes Waldinnenklima. Ich habe natürlich andere Wälder auch im Kopf. Vergleichsweise naturferne, von Nadelholz geprägte Forste - man kann sie auch als Monokulturen bezeichnen, Kiefernbestände zum Beispiel - wenn man da jetzt reingehen würde, wäre es da drei, vielleicht sogar fünf Grad wärmer; und das wirkt sich natürlich auch auf den Wasserhaushalt aus."
Forstbesitzer Holger Weinauge (l.) und Bundesförster Ulrich Dohle beim Waldbesuch
Zwei Männer im naturnahen Wald: Forstbesitzer Holger Weinauge (l.) und Bundesförster Ulrich Dohle (Deutschlandradio / Lutz Reidt)
Holger Weinauge - Förster und Waldbesitzer in Personalunion - arbeitet mit Gleichgesinnten in einer innovativen Privatwald-Initiative zusammen, die mehr als 5.000 Hektar Wald im Herzen von Mecklenburg naturnah entwickelt. Weinauges Waldanteil ist rund 280 Hektar groß. Den Mischwald mit hohem Laubanteil hat der Förster vor zehn Jahren erworben und entwickelt ihn seitdem nach den Prinzipien der ANW, der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft.
Wichtige Kriterien dabei: Ein dichter, geschlossener Wald mit möglichst wenigen Forststraßen; konsequente Bejagung des Wildes, damit die jungen Bäumchen nicht verbissen werden; und - damit verbunden - ein hoher Anteil einheimischer Laubbäume.
Globalisierung im Naturwald
Holger Weinauge blickt über den Buchenstamm am Boden hinweg ins Grün, dreht sich einmal im Kreis und zählt dabei seinen Nachwuchs durch:
"Wir haben hier fast alle mitteleuropäischen Arten, alle drei Ahorn-Arten, Bergahorn, Spitzahorn, Feldahorn, wir haben hier Buche, Hainbuche, wir haben hier Esche, tatsächlich auch in der Verjüngung, wir haben Weißtanne in der Verjüngung, wir haben Stieleiche und Traubeneiche in der Verjüngung - also sehr viele heimische Arten, die sich ganz natürlich hier verjüngen."
Und eben nicht vom Wild aufgefressen werden. "Am besten hat's die Forstpartie - denn der Wald wächst auch ohne sie", frotzelte einstmals Wilhelm Busch. Für Holger Weinauge ist das zum Teil Realität geworden. Mühevolle Pflanzarbeiten mit den damit verbundenen Kosten und Ausfallrisiken sind die Ausnahme - und beschränken sich in der Regel auf Baumarten aus anderen Weltregionen, die er in seinem Wald neu einführt.
Abgestorbene Bäume
"Wir brauchen mehr Laub- und Mischwälder"
Mehr Vielfalt und weniger Wild – damit könnte man den angegriffenen hiesigen Wäldern helfen, sagte der Pflanzenökologe Hansjörg Küster im Dlf. Mitteleuropas Wälder seien deutlich eintöniger als etwa die in Nordamerika oder Ostasien.
Diese Globalisierung im Naturwald sei wichtig, sagt der Förster, um der globalen Herausforderung des Klimawandels auch im Kleinen gerecht zu werden. Wie das aussieht, will er uns heute zeigen.
Das üppige Grün und die feuchtkühle Luft im Mecklenburger Naturwald stehen im scharfen Kontrast zum tristen Waldbild anderswo in der Republik: Ob Bergfichten im Harz, Buchen im Nationalpark Hainich oder Kiefern in Brandenburg - allenthalben tote Bäume, zerborstene Stämme, kahle Wipfel. Stürme und Dürre, Brände und Schädlinge machen den Waldbäumen derart zu schaffen, dass heute - gut dreißig Jahre nach der Diskussion um den sauren Regen - von einem Waldsterben 2.0 die Rede ist. Auch die für den Wald zuständige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU äußerte sich Anfang August besorgt in der ARD:
"Wir haben bei uns in Deutschland etwa 30, 40 Prozent Waldfläche. Wir müssen identifizieren natürlich: Wo müssen wir aufforsten? Wir haben etwa 110.000 Hektar Waldfläche verloren allein durch Brände, durch Stürme, durch Borkenkäfer."
Ein Masterplan für Deutschlands Wälder
Der schlechte Zustand vieler deutscher Wälder hat die Landesforstminister von CDU und CSU dazu bewogen, einen Masterplan zu entwerfen. Es gelte vor allem, kurzfristig die entstandenen Schäden zu beseitigen und langfristig die Wälder so zu verändern, dass sie mit den Launen des Klimawandels künftig besser fertig werden. Dafür solle der Bund in den kommenden vier Jahren 800 Millionen Euro bereitstellen, heißt es in einer Erklärung, die Julia Klöckner nach einem Krisentreffen im sächsischen Moritzburg entgegennahm:
"Insofern entspricht die Forderung der Länder absolut unserer Anmeldung, die ich getätigt habe beim Bundesfinanzministerium für den so genannten Klimafonds. Und wir werden im Klimakabinett - spätestens am 20. September wird das sein - werden wir entscheiden, wer welches Geld für welches Ressort bekommt, und ich glaube, wir haben sehr gute Argumente hinterlegt, warum wir welche Gelder in welchen Jahresschritten auch brauchen."
Julia Klöckner (CDU)
"Der Waldumbau ist eine Generationenaufgabe"
Der Wald braucht nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner "CDU" akute Nothilfe. Langfristig müsse aber auch ein Waldumbau erfolgen, um den "Klimaschützer Wald" zu retten, sagte sie im Dlf.
Die Ministerin spricht sich für stabilere Mischwälder aus, sie will weg von den Monokulturen, die vor allem mit Nadelbäumen wie Fichte und Kiefer bestockt sind.
Viele davon stammen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und sind das Erbe der jüngeren deutschen Geschichte. Auch Bundesförster Ulrich Dohle hat damit in seinem Kiefernforst bei Kaarz in Mecklenburg zu kämpfen:
"Wir haben in Deutschland ungefähr 11,4 Millionen Hektar Wald; und davon sind knapp drei Millionen Hektar Monokultur. Und das hat eben historische Gründe, die gesellschaftlichen Entwicklungen sind in Deutschland auch nicht am Wald spurlos vorbei gegangen; es hat im letzten Jahrhundert zwei schreckliche Weltkriege gegeben, die starken Einfluss auf den Wald gehabt haben - sowohl für die Rüstungsindustrie als auch hinterher Reparationshiebe; ich habe in meinem Revier, was ich betreue, große Kiefernbestände, die sehr homogen sind, die damals von französischen Kriegsgefangenen gepflanzt worden sind. Und die dann in solche Wälder zu überführen - das ist eine ziemlich große Herausforderung."
Nach dem Krieg waren schnell wachsende Baumarten willkommen
Viele Monokulturen, die heute dem Klimawandel nicht standhalten, waren auch schon zu Zeiten des sauren Regens in der Bredouille. Die Förster in der Nachkriegszeit hatten nicht immer optimales Saatgut und ideale Jungpflanzen, sie mussten möglichst rasch Bäume auf die Flächen bringen, vor allem nach den Reparationshieben der Siegermächte war Eile geboten. Die Franzosen waren im Schwarzwald aktiv, die Briten im Harz und die Sowjets in der ehemaligen DDR. Schnell wachsende Fichten und Kiefern waren in der damaligen Not willkommen - sorgen heute aber für große Probleme.
Das ist zwar seit Langem bekannt. Doch der folgerichtige Schluss - ein umfassender Waldumbau - kommt nur schleppend voran.
"Ich sage das jetzt mal aus berufsständischer, forstgewerkschaftlicher Sicht: Das Ziel war eigentlich allen klar, sowohl den Forstleuten als auch den Waldbesitzern, aber auch der Politik, die die Verantwortung dafür trägt, dass wir diesen Weg gehen müssen. Aber es sind in den letzten 20 bis 30 Jahren ungefähr 50 Prozent des Forstpersonals abgebaut worden. Und wir haben den Waldumbau nicht in der Geschwindigkeit geschafft dadurch."
Nebel im Taunus 18.08.2019, Oberursel (Hessen): Nebel im Wald nahe des Goldgrubenfelsens im Taunus., Oberursel Deutschland *** Nebel im Taunus 18 08 2019, Oberursel Hessen Nebel im Wald near the Goldgrubenfelsens im Taunus , Oberursel Germany
Totholz herumliegen zu lassen, ist wichtig fürs Mikroklima im Wald (imago / Jan Eifert)
Wie schleppend bislang der Waldumbau verlaufen ist, belegt die Bundeswaldinventur. Alle zehn Jahre erfahren wir, wie sich die Waldbestände der Republik entwickelt haben. Das Ergebnis ist ernüchternd:
"Im Zeitraum zwischen 2002 und 2012 hat man ungefähr 230.000 Hektar in Deutschland umgewandelt - also Fichtenreinbestände in laubholzreichere Bestände. Das hört sich vielleicht auf den ersten Blick sehr viel an. Aber wenn man überlegt, dass wir über drei Millionen Hektar sprechen, die noch sehr naturfern sind, also Monokulturen sind, dann ist das so gut wie nichts. Wenn wir in der gleichen Geschwindigkeit weitermachen, brauchen wir für dieses Mammutprojekt noch 140 Jahre - und die Zeit haben wir offensichtlich nicht. Das zeigt uns jetzt der Klimawandel."
Forstverwaltungen unter Erwerbsdruck
Genauso beurteilt auch Christian Ammer die Situation. Der Professor für Waldbau und Waldökologie an der Universität Göttingen erinnert an die Zeit nach der Jahrtausendwende, als viele Forstverwaltungen in Landesanstalten umgewandelt worden sind:
"Mit der klaren Botschaft: Ihr müsst wirtschaften! Ihr müsst euch selber tragen! Das hat dazu geführt, dass im einen oder anderen Fall natürlich auch das Geld erst einmal verdient werden musste, das man in den Waldumbau steckt und nicht mehr so viel da war. Und jetzt nach weiteren 15 Jahren zu sagen: Also, ihr habt den Waldumbau verschlafen, ihr seid nur der Ökonomie gefolgt - was man vor 15 Jahren gefordert hat - ist natürlich auch nicht ganz fair."
Als vor 20 Jahren versucht wurde, den Waldumbau einzuleiten, war der Klimawandel in der heutigen Ausprägung noch nicht abzusehen. Die Rezepte von damals dürften also nur noch bedingt taugen.
"Da wird man sich neue Gedanken machen müssen, es werden sicher auch Baumarten eine Rolle spielen bei der Besiedlung dieser Fläche, die man eigentlich gar nicht so auf dem Schirm hatte; Pionierbaumarten, die vielleicht auch nur mal 30, 40, 50 Jahre dort eine Schicht bilden, unter der dann wieder neu ein Bestand etabliert wird aus Arten, die dann älter werden. Also beispielsweise die Birke oder die Pappel, Schwarzerle - Baumarten, die schnell wachsen, die Fläche schnell besiedeln und unter deren Schutz und Schirm man dann Baumarten nachträglich einführt, die längerfristig dort sein (sollen)."
Heimische oder hitzebeständigere Arten pflanzen?
Die Frage ist, ob unter dem schützenden Schirm von Birken, Erlen und Pappeln ausschließlich heimische Baumarten wachsen sollen, wenn diese jetzt schon Mühe haben, Hitze und Dürre zu trotzen. Oder ob Saatgut und Jungbäume eine Alternative sein können, die in Regionen heimisch sind, wo es heißer und trockener ist?
Diese Fragen hat Holger Weinauge längst für sich beantwortet. Er will das eine tun, ohne das andere zu lassen. Beharrlich setzt der Förster in seinem Privatwald in der Mecklenburgischen Schweiz auf die Palette heimischer Baumarten. Und gleichzeitig pflanzt er Bäume, die aus Südeuropa stammen, aus der Türkei und dem Kaukasus, ja sogar aus Nordamerika und dem Fernen Osten.
Bundesförster Ulrich Dohle von der Forstgewerkschaft will sich heute ein Triumvirat aus dem Vorderen Orient zeigen lassen: Fichte, Tanne, Buche - alle aus Kleinasien. Die Buche - etwa sieben Meter hoch - sieht aus wie ihre heimische Verwandte, nur die Blätter sind viel dunkler. Und sie glänzen auffällig im Mittagslicht, das durchs Kronendach dringt:
"Man kann sie schön erkennen, sie hat eine andere Blattstruktur, mehr Blattnerven und sie hat eine wachsartige Blattoberfläche, deswegen sind die Spaltöffnungen besser geschützt; sie hält einfach höhere Sommertemperaturen aus; es gibt wunderbare Bergmischwälder aus Buche, Tanne und Fichte, also Bornmüllertanne, Orientalischer Fichte, die man hier auch sieht, und dieser Orientalischen Buche, die eben mehr aus dem mediterranen Raum kommt und die unsere Waldgesellschaften, die genetisch eingeengt sind und vielleicht diese hohen Temperaturen nicht aushalten, teilweise ersetzen können."
"Ergänzende Baumarten für unsere Baumarten-Palette"
Einträchtig steht diese Orientalische Buche neben einer heimischen Variante. Nur ist der Neuankömmling bereits größer, obwohl zur gleichen Zeit gepflanzt.
Wenige Schritte weiter, im Schatten der großen heimischen Laubbäume: zwei kleine Tannen. Etwa anderthalb Meter hoch, gleichmäßig verzweigt, dunkelgrüne Nadeln - typische Tannen eben.
"Das sind beides Bornmüller-Tannen. Die darf ja im Halbschatten gedeihen; die sieht so ähnlich aus wie die Nordmanns Tanne, ist ja auch eine Verwandte von ihr; und ist auch von der Weißtanne nicht weit weg; die Nordmanns Tanne gibt es als kaukasische Herkünfte, aus dem Kaukasus; und die gibt es auch als türkische Herkünfte. Eng verwandt eben mit der Bornmüller-Tanne; aber die Waldgesellschaft ist eben Orientalische Buche, Orientalische Fichte und Bornmüller-Tanne; aber auch da gibt es unterschiedliche Ausprägungen."
Nebel im Taunus 18.08.2019, Oberursel (Hessen): Nebel im Wald nahe des Goldgrubenfelsens im Taunus., Oberursel Deutschland *** Nebel im Taunus 18 08 2019, Oberursel Hessen Nebel im Wald near the Goldgrubenfelsens im Taunus , Oberursel Germany
In einem Laubwald ist es mehrere Grad Celsius kühler als in einem Nadelwald, sagt Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (imago / Jan Eifert)
Die Nordmanns Tanne aus dem Kaukasus hat es längst in unsere weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer geschafft - meist kommt sie aus dänischen Plantagen. Ihre nächste Verwandte aus dem Orient wächst nun auch in Mecklenburg. Sie stammt aus einem türkischen Küstengebirge am Schwarzen Meer aus 800 Metern Seehöhe. Bundesförster Ulrich Dohle hat damit kein Problem - obwohl es eine gebietsfremde Art ist:
"Ja, das stimmt natürlich. Aber die Baumart kommt jetzt aus einem Bereich, den ich persönlich für vergleichsweise unkritisch halte; ich glaube, wir müssen uns tatsächlich bei der Suche nach ergänzenden Baumarten für unsere Baumarten-Palette, die wir von Natur aus haben, in den südosteuropäischen oder eurasischen Raum bewegen; weil diese Baumarten viel besser zu den Waldökosystemen passen - das ist zumindest meine Überzeugung - wie wir sie hier von Natur aus haben."
"Neue Baumarten versuchsweise einzeln einmischen"
In heimischen Landesforstanstalten werden diese Baumarten schon seit längerem getestet. Außerdem stehen viele Exemplare zum Teil schon seit Jahrzehnten weit verteilt in Landschaftsgärten und Stadtparks. So fremd sind die vermeintlichen Neunankömmlinge dann doch nicht.
Das gilt erst recht für die Kalabrische Tanne aus Süditalien, die Holger Weinauge schon vor Jahren in seinem Wald ausgepflanzt hat. Das sei ohnehin nur eine andere Herkunft, bekräftigt Waldbau-Professor Christian Ammer in Göttingen:
"Natürlich kann man sagen, es ist dieselbe Art, zum Beispiel die Kalabrische Tanne ist eine Tanne, eine Weißtanne und ist eben eine bestimmte Herkunft; da würde ich zum Beispiel sagen: Das ist keine neue Art, kein Exot; bei der Buche ist es so: Die westasiatische Buchenart, die ist mit unserer so eng verwandt - da weiß man noch nicht einmal genau, ob es wirklich zwei Arten sind; jedenfalls sind sie sehr, sehr ähnlich."
Auch die Weißtannen vom Balkan, konkret aus Mazedonien, sind von gleicher Art bei anderer Herkunft - und obendrein genetisch sehr viel variabler und damit anpassungsfähiger, um dem Klimawandel zu trotzen. Wichtig ist, dass diese Kandidaten nicht nur Hitze und Dürre besser vertragen, sondern auch schneereiche kalte Winter und Spätfröste im Frühjahr:
"Ich glaube, dass das Konzept, diese Baumarten versuchsweise einzeln, in kleinen Gruppen einzumischen, schon sinnvoll ist; einfach, um Dinge neu zu lernen; ich halte gar nichts davon und halte es auch nicht für technisch machbar, auf großen Flächen, die Kahlflächen, die wir jetzt haben, wo die Fichte flächig ausgefallen ist, da jetzt mit Baumarten aus anderen Regionen im großen Stil zu kommen. Also zehn Hektar Baumhasel oder Libanon-Zeder zu pflanzen, ohne dass man weiß, wie sich diese Baumarten verhalten. Da wäre ich sehr zurückhaltend."
Artenvielfalt und Vergesellschaftung
Anfang des 20. Jahrhunderts haben Forstleute zum Beispiel die Douglasie aus dem pazifischen Nordwesten Nordamerikas in heimischen Wäldern gepflanzt - zum Teil sogar in größeren Beständen. Im Gefolge dieses Nadelbaumes kamen jedoch auch Forstschädlinge nach Deutschland, die sich in den Douglasien-Monokulturen gut etablieren konnten - so etwa die Douglasienwolllaus, ein gefürchteter Forstschädling. Inzwischen betrachtet das Bundesamt für Naturschutz die Douglasie sogar als invasiven Neophyt, weil auf trockenen und sauren Böden heimische Arten verdrängt werden.
Holger Weinauge ist kein Freund der Douglasie - nicht als Einzelbaum, und schon gar nicht in Monokultur:
"Wir wollen ja nicht zusätzliche Schadinsekten importieren. Da ist die Douglasie ein schlechtes Beispiel, die hatte die meisten Schadinsekten aller Nadelbaumarten in den USA, die haben wir nun großflächig in Deutschland; und das ist auch nicht immer eine klimastabile Art, wenn wir uns die Grüne Küsten-Douglasie angucken."
Holger Weinauge pflanzt neue Herkünfte oder auch Arten von anderen Kontinenten immer nur als einzelne Bäume oder in kleinen Gruppen aus. Tannen aus der ostasiatischen Mandschurei zum Beispiel. Oder auch Tulpenbäume aus Nordamerika, die schon längst im Stadtwald von Baden-Baden einen schönen Mischwald mit Buchen bilden - allerdings ohne sich weit auszubreiten. Der Tulpenbaum ist also nicht-invasiv, betont Holger Weinauge, und fügt sich daher gut ein in seinen feuchtkühlen und klimastabilen Naturwald von Kalebsberg in der Mecklenburgischen Schweiz - unter dem dichten Kronendach der heimischen Baumarten:
"Da sieht man Spitzahorn, da sieht man Esche, man sieht die Vogelkirsche da hinten, man sieht Bergahorn, Hainbuche, Buche - das möchten wir natürlich alles beieinander haben. Je höher die Artenvielfalt ist und je besser diese Arten miteinander vergesellschaftet sind, umso geringer ist das Risiko von Waldschäden in solchen Beständen."