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Dezentral sozial

Internet.- Die Kritik an Facebook ebbt nicht ab: zu locker sei der Umgang mit dem Datenschutz, die Profile der Nutzer nicht ausreichend geschützt, heißt es von vielen Seiten. Gleich mehrere Mini-Netzwerke wollen deshalb zeigen, dass es auch anders gehen kann.

Von Thomas Reintjes | 05.06.2010
    Bisher hatte Facebook kein Problem damit, seine Datenschutzbestimmungen immer weiter zu lockern. Die US-amerikanische Datenschutzorganisation Electronic Frontier Foundation hat kürzlich aufgezeigt, wie die Herrschaft über die Nutzerdaten von Jahr zu Jahr immer mehr von den Händen des Nutzers in die Hände der Firma überging. Das Gefährliche daran: Durch die schrittweise Lockerung fiel kaum einem Mitglied auf, wie Facebook sich seine Daten zueigen machte.

    Doch im Frühjahr 2010 übertrieb Facebook. Der Schritt, die Nutzerdaten Dritten, etwa Werbetreibenden, zugänglich zu machen, versetzte Tausende Mitglieder in Aufruhr. Alleine für den 31. Mai verabredeten sich mehr als 30.000 Menschen zum gemeinschaftlichen Austritt und nannten den Tag Quit-Facebook-Day.

    Gleichzeitig bekommen Alternativen zu Facebook Rückenwind. Diese sind grundlegend anders aufgebaut: Sie sind dezentral organisiert. Ein Beispiel dafür ist Safebook, das Torsten Strufe mit einem Team an der Technischen Universität Darmstadt entwickelt.

    "Wenn man sich die jetzigen Online Social Networks anguckt, wie zum Beispiel Xing oder Facebook, dann ist es ja so, dass alle Daten auf einem zentralen Server gespeichert werden. Und so etwas wollen wir gerne vermeiden. Unseres Erachtens ist es auch gar nicht nötig. Also, die Daten können problemlos auch verteilt im Netz bereitgestellt werden und dann auch von verteilten Rechnern bezogen werden. Und dementsprechend gibt es dann keinen zentralen Punkt, wo jemand übermächtig alle Daten sehen oder verändern kann."

    Safebook ist allerdings noch nicht öffentlich verfügbar, sondern wird noch intern entwickelt und getestet. Andere, etwa das in Nordrhein-Westfalen entwickelte Noserub, sind schon nutzbar. Dutzende weitere Projekte bewegen sich zwischen Konzeptphase und erster Umsetzung.

    Eines der am wenigsten weit gediehenen bekam in den vergangenen Wochen die meiste Aufmerksamkeit: Diaspora. Diaspora ist bisher nicht mehr als eine Idee – von vier New Yorker Studenten. Für ihre Idee konnten sie aber schon viele Geldgeber über das Internet gewinnen. Bei rund 200.000 Dollar stoppte die Spendenuhr am Dienstag, als das Einsammeln von Startkapital für das Projekt planmäßig endete. Es scheinen große Hoffnungen daran zu hängen. Christian Scholz aus Aachen, der sich in der Data Portability Group für die Rechte von Nutzern an ihren Daten einsetzt, bleibt aber skeptisch, ob dezentrale Soziale Netzwerke die beste Lösung sind.

    "Da wissen wir natürlich auch nicht, ob die Privatsphäre dann wirklich besser geschützt ist. Man hat vielleicht auch ein Usability-Problem, das hat ja Facebook jetzt auch schon mit den ganzen Personalisierungs-Features. Und man hat vielleicht auch ein Standardisierungs-Problem: Wenn wir jetzt schon drei Systeme haben, die irgendwas machen, dann machen die alle irgendwas anders, und wenn das alles nicht kompatibel ist, dann hat's natürlich auch schwer, dass sich das durchsetzen wird.”"

    Die dezentralisierte und datenschutztechnisch sicherere Facebook-Konkurrenz steht also noch einmal in den Startlöchern und hat noch viele Probleme zu lösen.

    Dennoch nimmt man bei Facebook die Situation offenbar ernst, beispielsweise wurden die Datenschutzeinstellungen vereinfacht.

    ""Wie man sieht, reagiert man ja, vielleicht auch ein bisschen panisch – so schnell wie das jetzt ging. Also scheint es sie doch zu kratzen. Wenn das weiter in den Medien bleibt, dann verliert man natürlich doch Nutzer auf Dauer. Man hat natürlich auch ein Dilemma, weil man einerseits die Werbeindustrie zufrieden stellen muss. Und da muss man einen Balanceakt finden, inwieweit man mehr Wachstum haben will und mehr Werbeeinnahmen und andererseits natürlich inwieweit man die User nicht verschrecken will.”"

    Safebook-Entwickler Torsten Strufe hat selbst ein Facebook-Profil. Er glaubt auch nicht, das Facebook dem Untergang geweiht ist. Dennoch könnten alternative Netzwerke Druck auf Facebook ausüben, der Facebook zu Veränderungen zwingt.

    ""Im Prinzip geht es uns ja auch nicht darum, ein System als Konkurrenz für Facebook zu entwickeln und dann die 400 Millionen User von Facebook zu übernehmen, sondern uns geht es eher darum, dass man zeigt, dass es auch anders geht, und für die Leute, denen es wichtig ist, dass ihre Daten besser geschützt sind, eine Möglichkeit anbietet, ähnliche Dienste zu benutzen, aber in einer sichereren Art und Weise."