Freitag, 29. März 2024

Archiv

DFB-Affäre
Niersbachs Rücktritt wirft neue Fragen auf

Wolfgang Niersbach ist als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zurückgetreten. Er ziehe die "politischen Konsequenzen", sagte er. Die vom DFB beauftragten externen Ermittler haben neue Erkenntnisse gewonnen, die Niersbach wohl zum Rücktritt veranlassten. Um was es geht, versucht der Verband zunächst für sich zu behalten.

09.11.2015
    Wolfgang Niersbach während der Präsidiumssitzung in Frankfurt am Main am 09.11.2015.
    Wolfgang Niersbach tritt als DFB-Präsident zurück. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    "Ich habe für mich erkannt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die politische Verantwortung zu übernehmen", sagte Niersbach am Montag nach dem Krisengipfel des DFB-Präsidiums in Frankfurt am Main. Der 64-Jährige stand in dem Skandal um dubiose Geldflüsse vor der WM 2006 unter Druck. Die beiden Vizepräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch übernehmen vorläufig die Amtsgeschäfte, bis ein Nachfolger gefunden ist. Beide galten zuletzt als Kandidaten für den Posten. Beide galten zuletzt als Kandidaten für den Posten. Seine Posten in den Exekutivkomitees der FIFA und der UEFA wird Niersbach vorerst behalten.
    Süddeutsche Zeitung: Vertragsentwurf für Stimmenkauf
    Übergangspräsident Rainer Koch sagte allerdings, dass die vom DFB als externe Instanz beauftragte Anwaltskanzlei Freshfields eine Reihe von Punkten zutage gefördert hat. Diese hätten Niersbach zum Rücktritt bewogen. Genau benennen wollte Koch die neuen Anhaltspunkte jedoch nicht. Die Süddeutsche Zeitung berichtet von einem Vertragsentwurf. Als Vertragspartner sei darin ein stimmberechtigtes Mitglied der FIFA-Exekutive vorgesehen gewesen, so die Zeitung. Diesem FIFA-Funktionär sollen möglicherweise Vorteile versprochen worden sein - es wäre ein Hinweis auf einen Stimmenkauf. Das Exekutivkomitee hatte sich damals mit 12:11 Stimmen für Deutschland und gegen Südafrika entschieden. Niersbach soll damit jedoch nichts zu tun gehabt haben, unklar sei auch, ob der Vertrag überhaupt umgesetzt worden sei.
    Bemerkenswert ist, dass das DFB-Präsidium beschloss, keine weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem "Spiegel" zu führen. "Dass der 'Spiegel' Recht hat", sagte Koch, "so weit sind wir noch nicht". Zu Beginn der Affäre hatte der DFB noch große juristische Kämpfe angekündigt. Niersbach sei von sich aus zurückgetreten und nicht vom Präsidium dazu aufgefordert worden, betonte Koch. An OK-Chef Franz Beckenbauer appellierte Koch in einem Interview im ZDF, dass dieser sich stärker an der Aufklärung beteiligen solle. "Es ist unser Wunsch, die Angelegenheit mit Franz Beckenbauer gemeinsam aufzuklären."
    Niersbach bleibt dabei: "Ich hatte keinerlei Kenntnis"
    In der vergangenen Woche durchsuchte die Steuerfahndung sowohl die Zentrale des DFB in Frankfurt als auch Niersbachs Privatwohnsitz in Dreieich. Am Wochenende veröffentlichte das Magazin "Der Spiegel" dann ein Dokument mit handschriftlichen Notizen aus dem Jahr 2004. Sollten diese tatsächlich von ihm stammen, wäre klar, dass Niersbach bereits deutlich früher von der Zahlung erfahren hat, als er bislang angab. Zu diesem Dokument äußete sich Niersbach bislang nicht.
    In einer auf den Internetseiten des DFB verbreiteten Erklärung wies Niersbach erneut eine Verantwortung von sich: "In den mir zugeteilten Bereichen Marketing, Medien, Akkreditierungen und Veranstaltungsorganisation kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich mir persönlich absolut nichts vorzuwerfen habe. Umso deprimierender und schmerzhafter ist es für mich, neun Jahre später mit Vorgängen konfrontiert zu werden, in die ich damals nicht einbezogen war und die auch für mich viele Fragen offen lassen. Ich bleibe dabei und möchte noch einmal unmissverständlich klarstellen, dass ich von den Hintergründen der im Raum stehenden Zahlungsflüsse keinerlei Kenntnis hatte."
    6,7 Millionen Euro - wohin und wofür?
    Die Affäre dreht sich vor allem um die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro aus dem Jahr 2005 durch das Organisationskomitee der WM 2006 an die FIFA. Das Geld war offiziell als Zuschuss zu einer von der FIFA geplanten WM-Eröffnungsgala deklariert. Die fand jedoch nie statt. Die Summe wurde stattdessen vom Weltverband wohl an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet. Denn der hatte das Geld zuvor dem OK geliehen. Niersbach führte öffentlich aus, erst im Sommer 2015 von diesem Vorgang erfahren zu haben. Die handschriftliche Notiz, die "Der Spiegel" veröffentlichte, würde aber das Gegenteil belegen - wenn die Handschrift wirklich die von Niersbach sein sollte.
    Der damalige Rechtevermarkter Günter Netzer hält sich öffentlich weiterhin zurück. Netzer ließ zuletzt mitteilen, dass er zwar den Kontakt zwischen OK und Dreyfus hergestellt hatte. Die Aussage getätigt zu haben, dass die von Dreyfus geliehenen 6,7 Millionen Euro für den Kauf von vier Stimmen asiatischer Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees bestimmt gewesen seien, bestreitet Netzer aber vehement. Diese Behauptung stellt der frühere DFB-Präsident und -Schatzmeister Theo Zwanziger auf.
    Zwanziger will nicht mehr mit den Ermittlern des DFB zusammenarbeiten
    Zwanziger, der als Gegenspieler Niersbachs in der Affäre gilt, wollte den Rücktritt seines Nachfolgers nicht kommentieren. "Das ist eine Sache, die den DFB und Wolfgang Niersbach betreffen, das habe ich nicht zu bewerten", sagte Zwanziger. Zuvor hatte er die Verantwortung für eine Steuererklärung des DFB und den Vorwurf einer absichtlichen verzögerten Abgabe des Papiers zurückgewiesen. Als damaliger DFB-Präsident sei die Steuererklärung gemäß Satzung nicht in sein Aufgabengebiet gefallen. Stattdessen nennt er den Schatzmeister und Generalsekretär als Zuständige: Das waren damals Horst R. Schmidt und Niersbach.
    Zudem kündigte Zwanziger seine Zusammenarbeit mit den externen Ermittlern des DFB auf. Wie sein Anwalt am Montag in einem Brief an den DFB mitteilte, begründet Zwanziger diesen Schritt mit den angeblichen Verbindungen der Kanzlei Freshfields zum ehemaligen FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam und zum Staat Katar. "Es ist vor diesem Hintergrund schlechterdings unvorstellbar, dass es zu einer weitergehend unvoreingenommenen Untersuchung kommen kann", heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zwanziger befindet sich in einem Rechtsstreit mit Katar. Bin Hammam könnte außerdem eine Schlüsselfigur in der Affäre auf der Seite der FIFA darstellen.
    (nch/kis)