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DFB-Bundestag
"WM-Affäre ist nicht abgeschlossen"

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel ist auf dem DFB-Bundestag in Erfurt in seinem Amt als DFB-Präsident bestätigt worden. Außerdem kündigte der Deutsche Fußballbund Strukturveränderungen an. Das seien "längst überfällige Maßnahmen", sagte DLF-Sportexperte Philipp May.

Philipp May im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 04.11.2016
    Porträtfoto Reinhold Grindel (CDU).
    Reinhold Grindel ist als DFB-Präsident im Amt bestätigt worden. (dpa / picture-alliance / Rainer Jensen)
    Dirk-Oliver Heckmann: Ein Jahr ist es jetzt her, dass der deutsche Fußballbund in seine größte Krise schlidderte: Die WM-Affäre kam ans Licht, dubios verschleierte Millionenzahlungen nach Katar rund um die WM-Vergabe nach Deutschland. Franz Beckenbauer stürzte vom Thron und Präsident Wolfgang Niersbach musste zurücktreten.
    Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel übernahm im April das Amt. Beim ordentlichen DFB-Bundestag, der jetzt gerade in Erfurt läuft, wurde Grindel nun für seine erste reguläre Amtszeit bestätigt und gleichzeitig wurden als Konsequenz aus der Affäre einige Strukturveränderungen beschlossen. Philipp May aus unserer Sportredaktion, was sind das für Maßnahmen?
    Philipp May: Längst überfällige Maßnahmen sind das. Vor allem Maßnahmen, die der Skandalverband FIFA schon längst durchgeführt hat. ZUM Beispiel soll jetzt erstmals eine eigene unabhängige Ethikkommission geschaffen werden. Deren Vorsitz übrigens der ehemalige FDP-Außenminister Klaus Kinkel übernehmen soll. Die dann auch im Falle neuer Erkenntnisse, theoretisch auch in der WM-Affäre, aktiv werden dürfte.
    Gleichzeitig sind neue Compliance-Richtlinien erstellt worden und alle wirtschaftlichen Aktivitäten des Verbandes werden jetzt unter einem Dach gebündelt.
    Das alles wurde einstimmig durchgewunken. Genauso wie die Wiederwahl Reinhard Grindels. Diesmal hat er keine Gegenstimme gekriegt. Im April hat es ja tatsächlich noch ein paar Gegenstimmen gegen ihn aus dem Profilager gegeben. Er wurde damals von den Amateuren gegen Willen der Liga auf den Schild gehoben.
    Dieses Mal hatten auch die Profis keine Einwände. Der Präsident des Ligaverbandes Dr. Reinhard Rauball, auch Chef von Borussia Dortmund, der sagte vornehm zurückhaltend in seiner Rede, die Zusammenarbeit mit Herrn Grindel habe sich stetig entwickelt.
    Die Kernfrage: "Wohin flossen die 6,7 Millionen Euro?"
    Heckmann: Reinhard Grindel ist wiedergewählt. Die Strukturveränderungen auf den Weg gebracht. Ist die WM-Affäre damit abgeschlossen?
    May: Natürlich nicht, auch wenn man das gerne hätte. Es ermitteln ja diverse Staatsanwaltschaften u.a. in Frankfurt, aber auch in der Schweiz und angeblich ja auch das FBI.
    Man ist ja im Prinzip immer noch nicht weitergekommen mit der Kernfrage: Wohin flossen jetzt die 6,7 Millionen Euro nachdem sie in Katar gelandet sind vom DFB?
    Mittlerweile wären viele fast froh darüber, wenn sich herausstellen würde, dass damit "nur" die WM gekauft worden wäre und es nicht – wie von vielen vermutet – es eigentlich heimliche Kickback-Zahlungen an damals Verantwortliche in Deutschland sein könnten. Schon jetzt hat die eigene verbandsinterne ziemlich unzureichende Aufklärung durch die Anwaltskanzlei Freshfields den Verband 5,3 Millionen Euro gekostet. Außerdem rechnet man noch im Laufe der nächsten Jahre mit weiteren Kosten.
    Deswegen wurden gerade die alten Führungskräfte um Wolfgang Niersbach und den ehemaligen Generalsekretär Helmut Sandrock nicht entlastet beziehungsweise die Entlastung wurde zurückgestellt, damit man hier noch rechtliche Ansprüche geltend machen kann.
    Der Name Franz Beckenbauer, der ja die Schlüsselfigur der Affäre ist, der fiel gestern beim Festakt und auch heute kein einziges Mal.
    "Es gibt einige Konfliktlinien im Verband"
    Heckmann: Kommt der Verband jetzt, aus Ihrer Sicht, in ruhigeres Fahrwasser?
    May: Naja, wie man's nimmt. Die WM-Affäre wird noch andauern. Aber auch darüber hinaus gibt es einige Konfliktlinien im Verband. Das Verhältnis zwischen Profis und Amateuren ist immer noch extrem angespannt – auch wenn der neue Grundlagenvertrag, der den Geldfluss der reichen DFL mit ihren Milliarden-Fernsehverträgen an die Amateure regelt, verabschiedet wurde.
    Es gibt zwar etwas mehr – rund 25 Millionen überweisen die Profis an den DFB, aber vielen reicht das nicht. Und zum anderen ist die erste DFB-Pokalrunde ein großer Konfliktherd. Die Bundesligisten wollen nicht mehr gegen die Kleinen in dieser ersten Runde spielen und erst später einsteigen, damit sie im Ausland länger auf Werbetour gehen können. Für die Amateure ist das aber sakrosankt – eben als nunmehr einziges Ereignis wo man überhaupt noch mal auf die Großen trifft. Wo es so zu sagen eine Gemeinsamkeit gibt.
    Heckmann: Philipp May live vom DFB-Bundestag, der derzeit in Erfurt abgehalten wird. Schönen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.