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DFB-Elf soll "einfach mal gewinnen"

Der Fanbeauftragte des VfL Bochum, Ralf Zänger, reist zum EM-Auftaktspiel der Deutschen mit sechs Gleichgesinnten im Kleinbus nach Lemberg. Daher stehe für ihn ein 0:0 oder gar ein 1:2 gegen Portugal nicht zur Diskussion: Die Nationalelf solle sich zerreißen für einen Sieg, sagte er.

Ralf Zänger im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 09.06.2012
    Jürgen Zurheide: Wir wollen beim Fußball bleiben: 10.000 deutsche Fans werden heute Abend erwartet in Lemberg beim Spiel der deutschen Mannschaft, und da hinzukommen – das wissen wir ja –, ist nicht ganz einfach. Man kann fliegen, das ist teuer, mit dem Auto fahren, na ja, das ist eine beschwerliche und lange Strecke, aber es gibt nicht Wenige, die auch das versuchen.

    Und wir sind jetzt mit einem verbunden, nämlich Ralf Zänger, der Fanbeauftragte des VfL Bochum. Er ist mit einer Truppe Gleichgesinnter gestern losgefahren in Deutschland und wir haben ihn jetzt am Telefon. Zunächst mal sage ich: Guten Morgen, Herr Zänger!

    Ralf Zänger: Ja, schönen guten Morgen!

    Zurheide: Wo erreichen wir Sie denn gerade, irgendwo an der Autobahn, wahrscheinlich an der Raststätte?

    Zänger: Ja, wir sind an einer Raststätte, wir sind kurz vor Krakau, haben gute 1000 Kilometer weg.

    Zurheide: 1000 Kilometer weg, und wie viele haben Sie noch vor sich?

    Zänger: Etwas über 300.

    Zurheide: Etwas über 300, das heißt, man ist dem Ziel schon richtig nah gekommen. Jetzt erzählen Sie uns, wie Sie auf diese verrückte Idee gekommen sind, da loszufahren von Bochum spontan, um dieses Spiel der deutschen Mannschaft zu sehen.

    Zänger: Ja, die verrückte Idee begründet sich alleine durch den Preis. Fliegen ist alles nicht zu finanzieren, und dann ist man auf die Idee gekommen, zu fahren, und die Kosten legt man um, und dann ist es wesentlich billiger.

    Zurheide: Das heißt, Sie haben sich einen Bus gemietet. War denn das so einfach oder war es ein privater Bus, denn mit dem ...

    Zänger: Es ist ein privater Bulli und der ist bestückt mit sieben Personen, und das passt, und so fahren wir dann.

    Zurheide: Und Sie wechseln sich ab. Wann sind Sie losgefahren?

    Zänger: Gestern Abend um 20.45 Uhr.

    Zurheide: 20.45 Uhr und 300 Kilometer, wie viel brauchen Sie denn für die 300 Kilometer? Wie sind die Straßen dort? Ist das machbar?

    Zänger: Also wir sind bis jetzt sehr gut gefahren, wir sind jetzt hier noch in Polen, die Autobahnen waren alle frei und auch ganz gut ausgebaut, also wir sind sehr gut durchgekommen, haben wir vorhin selber schon mal ein kleines Resümee gezogen. Wenn wir so bis zum Ende durchkommen, sind wir sehr zufrieden.

    Zurheide: Wie reagieren die Menschen, wenn Sie tanken und wenn Sie sagen, wir fahren da hin, wir nehmen diese weite Strecke auf uns?

    Zänger: Im Bekannten- und Freundeskreis fragt man uns, ob wir verrückt sind, und hier haben wir aber kaum Kontakt zu Personen an der Tankstelle. Wir haben nur einmal tanken müssen, gut, an Mautstellen, aber das ist alles relativ normal, sage ich mal. Jetzt halten neben uns auch noch welche mit einem Pkw, auch Deutsche, ich sehe nur nicht das Kennzeichen, das ist auch ein Mietwagen.

    Zurheide: Spürt man denn so was wie eine EM-Euphorie im Lande? Merken Sie da was? Sind da Flaggen, sind da Fahnen?

    Zänger: Ja, das ist schon gegeben. Ich selber habe das nicht so wahrgenommen wie 2006 bei uns bei der WM, aber hier doch das eine oder andere Schild weist darauf hin und natürlich – einige polnische Fahrzeuge rot-weiß beflaggt oder ein Schal drin, das kann man schon sehen.

    Zurheide: Sagen Sie, wie sind Sie an die Tickets gekommen? Da hat es ja auch große Diskussionen gegeben und manch einer hat gesagt, hätte ich mal bis zum letzten Tag gewartet, da werden sie etwas preiswerter, weil die Schwarzmarktpreise wohl nicht nur angezogen sind, sondern sie sind rückläufig gewesen. Wie haben Sie Ihre Tickets bekommen?

    Zänger: Ganz normal bestellt, über den Verein haben wir die dann bestellt beim DFB und haben sie auch bekommen.

    Zurheide: Wie teuer waren die?

    Zänger: 70 Euro das Stück. Heute könnte man sicherlich vor Ort noch ein Geschäft machen, wenn man für 30 Euro eine kauft, aber das ist dann auch eine Kategorie drunter.

    Zurheide: Gut, außerdem ist dann das Risiko da, dass man möglicherweise dann vielleicht auch keine bekommt, wenn man schon vor Ort ist. Wie werden Sie übernachten, gehen Sie ins Hotel? Das war ja für viele Fans auch wohl schwierig, oder?

    Zänger: Ja, wir fahren nach dem Spiel wieder zurück Richtung Polen und werden dort in einem Hotel nächtigen und dann Sonntagmorgen wieder weiter Richtung Bochum fahren.

    Zurheide: Das heißt, Sie machen das wirklich nur für dieses eine Spiel?

    Zänger: So ist es, nur für dieses eine Spiel. Wahrscheinlich schütteln Sie jetzt auch den Kopf.

    Zurheide: In der Tat, man wundert sich.

    Zänger: Ja, es gibt auch solche Entscheidungen, und für Fußballspiele macht man schon mal außergewöhnliche Sachen, und es ist eine außergewöhnliche Maßnahme, die Euro ist ja auch nur alle vier Jahre, und dann fährt man mal.

    Zurheide: Wie haben Sie sich vorbereitet? Gab es besondere Vorkehrungen? Sie begleiten ja auch Fan-Projekte. Sind Sie mit jüngeren Leuten unterwegs, die Sie ansonsten auch begleiten, wo Sie sonst mit Ihrem VfL durch die Lande reisen?

    Zänger: Ja, so ist das, und die Vorbereitung ist natürlich auch, dass man sich ein bisschen schlaumacht und zumindest hier der Fahrer hat sich da auch im Vorfeld Gedanken gemacht, im Internet recherchiert, wir haben auch noch eine Versicherung abgeschlossen, eine Krankenversicherung fürs Ausland, dann die ganze Strecke geguckt und wo man hermuss und welche Wege man fahren kann. Also das war schon dahingehend dann auch gewissenhaft gemacht von ihm.

    Zurheide: Und was sagen Sie oder was rechnen Sie, wie viele Stunden haben Sie noch?

    Zänger: Das ist ja jetzt noch die Frage, wie lange das gleich am Grenzübergang dauert, wie schnell die uns in die Ukraine einreisen lassen oder eben auch nicht. Und normalerweise sagt man ja, für 330 Kilometer, wenn wir da noch vier Stunden fahren, dann ...

    Zurheide: Und habe ich das gerade richtig gehört, dass Sie möglicherweise an der Grenze sogar mit Schwierigkeiten rechnen?

    Zänger: Ja, mit Schwierigkeiten – ich sagte ja: Ich weiß nicht, was uns dort erwartet, inwieweit dort Kontrollen vorgenommen werden oder, oder, oder ob man uns durchwinkt und dann hat man halt die Grenze hinter sich, aber das ist jetzt so im Moment für uns die größte Unbekannte.

    Zurheide: Also da wünschen wir Ihnen auf jeden Fall schon mal viel Glück. Jetzt kann ich Sie natürlich nicht entlassen aus diesem Gespräch, ohne zu sagen: Welche Erwartungen haben Sie denn an das Spiel heute Abend? Klarer Sieg für die Deutschen oder, wie Jogi Löw sagt, gegen die Brasilianer Europas kann es auch schwierig werden, oder?

    Zänger: Ja, dann sage ich darauf: Von mir aus kann es auch schwierig werden gegen Portugal, aber dann sollen die sich zerreißen und sollen das Spiel einfach mal gewinnen und auch alle Leute, so wie auch uns, entschädigen dafür. Wenn man so eine Anreise auf sich nimmt, dann möchte man auch nicht mit einem 0:0 nach Hause fahren und schon gar nicht mit einem 1:2.

    Zurheide: Also dann hoffen wir mal, dass die deutsche Mannschaft heute Morgen Deutschlandfunk hört, vielleicht über Internet oder sonst wo, dann war das die richtige Aufforderung. Wir wünschen Ihnen gleich an der Grenze alles Gute, kommen Sie gut hin und vor allen Dingen, kommen Sie gut wieder zurück. Alle Grüße an die Kolleginnen und Kollegen, die da mit Ihnen sind. Das war Ralf Zängler, der Fan-Beauftragte des VfL Bochum, unterwegs in die Ukraine, danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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