Freitag, 19. April 2024

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DFB
"Unsouveräner geht es nicht"

In vier Wochen soll Bundestrainer Joachim Löw seine Analyse des WM-Vorrundenaus vorlegen. "Man spielt auf Zeit" und "ignoriert die berechtigte Kritik", sagt Sportjournalist Thomas Kistner im Dlf. "Dieser DFB wird nicht für voll genommen, insbesondere sein Krisenmanagement wird als katastrophal eingeschätzt."

Thomas Kistner im Gespräch mit Klaas Reese | 21.07.2018
    Der schwarz gekleidete Löw, von größerer Entfernung von oben fotografiert, geht mit gesenktem Haupt über den Rasen.
    17.06.2018, Russland, Moskau: Fußball: WM, Vorrunde, Gruppe F, 1. Spieltag: Deutschland - Mexiko im Luschnikistadion. Trainer Joachim Löw aus Deutschland geht während des Spiels an der Seitenlinie. (Christian Charisius / dpa)
    Im Fall Mesut Özil habe sich der DFB tief in den eigenen Fallstricken verheddert. DFB-Präsident Reinhard Grindel habe Özil ultimativ aufgefordert, sich zu erklären und dies mit der Erwartungshaltung der deutschen Fußballfans begründet. "Mehr Druck geht eigentlich nicht. Tatsächlich ist es eher Özil, der jetzt die Fäden in der Hand hält", sagt Thomas Kistner im Deutschlandfunk.
    Würde Özil aus der Nationalmannschaft zurücktreten, "wüsste die Ganze Fußballwelt, dass das vormals so erfolgreiche Integrationsmodell in der deutschen Fußballnationalmannschaft krachend gescheitert ist. Jedermann im Fußball kennt das Problem und weiß, dass es ein politisches ist und kein fußballtechnisches." Grindel habe sich selbst in eine äußerst unkomfortable Situation manövriert.
    Bekanntgabe des vorläufigen WM Kaders für die Fussball Weltmeisterschaft 2018 in Russland mit Bundestrainer Joachim Löw und DFB Präsident Reinhard Grindel.
    Bundestrainer Joachim Löw und DFB Präsident Reinhard Grindel. (imago sportfotodienst)
    Der DFB sitze in einer Falle, die er sich selbst gestellt habe: "Er hat keinen wirklichen Plan und so wie kurz vor dieser desaströsen WM die eigene Überheblichkeit dazu geführt hat, dass der Verband sich bei Löws Verkündigung des vorläufigen Kaders jegliche Nachfragen von Journalisten verbeten hatte, so bekamen auch jetzt die Landesfürsten einen Maulkorb verpasst. Also unsouveräner geht es nicht. Der oberste Verantwortliche dafür ist Präsident Reinhard Grindel", meint Thomas Kistner.
    Zum einen habe Grindel ohne jeden Grund die Vertragsverlängerung von Joachim Löw vor der WM durchgepeitscht. Eine mögliche Trennung dürfte für den DFB mit 16 Millionen Euro sehr teuer werden. "Auf eine Trennung wird es unweigerlich hinauslaufen, wenn Löw nicht schon gegen Frankreich und die Niederlande eine klare Trendwende mit dem Nationalteam vorweisen kann", so Kistner. Der DFB betreibe hier eine "Augen zu und durch"-Politik.
    "Ein sportpolitisches Leichtgewicht"
    Spätestens jetzt sähe man, dass der DFB ein Personalproblem habe. "Zum einen ist der DFB derlei Krisen nach zwölf Jahren sportlicher Erfolge nicht gewöhnt, zum anderen hat er aber auch mit Reinhard Grindel ein sportpolitisches Leichtgewicht an der Spitze. Klar ist eines: wenn die beiden großen Themen der nächsten Wochen, die Löw-Reform und die EM-Bewerbung 2024, gegen die Wand gefahren werden - oder auch nur eins der beiden Themen - dann wird Grindel nicht im Amt zu halten sein."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu.