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Diagnosemethode
Bakterien liefern Krebsnachweis

Die Heilungschancen bei Leberkrebs sind relativ hoch, wenn man die Tumoren früh entdeckt und entfernt. Herkömmliche Diagnosemethoden erkennen die Tumoren erst, wenn sie etwa einen Zentimeter groß sind. Doch US-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich auch schon einen Millimeter große Metastasen nachweisen lassen - mit Darmbakterien.

Von Lucian Haas | 28.05.2015
    Das Anatomische Modell eines Menschen, aufgenommen in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
    Anatomisches Modell eines Menschen (picture alliance / dpa / Emily Wabitsch)
    Wenn es darum geht, kleine Tumoren im Körper frühzeitig aufzuspüren, setzt der Biologe Tal Danino vom Massachusetts Institute of Technology auf ungewöhnliche Verbündete: Bakterien.
    "Bakterien können im Inneren von Tumoren wachsen. Das tun sie sogar sehr spezifisch. Das haben Forscher schon vor mehr als 100 Jahren beobachtet. Wir hatten die Idee, dass solche Bakterien, nachdem sie in Tumoren gewachsen sind, uns die Präsenz des Tumors anzeigen könnten."
    Gemeinsam mit Kollegen von der Universität von San Diego in Kalifornien machte Tal Danino Versuche an Mäusen mit Leberkrebs. Die Forscher nahmen einen als harmlos bekannten Stamm von Escherichia-coli-Bakterien. Unter dem Namen Mutaflor wird er schon lange als probiotisches Mittel zur Regulierung der Darmflora eingesetzt. Die Mäuse bekamen die Bakterien oral verabreicht. Die Forscher konnten nachweisen, dass einige der Bakterien durch die Darmwand in den Blutkreislauf und so in die Leber der Mäuse gelangten, wo sie sich in Tumoren vermehrten. In tumorfreien Organen fanden sich keine Spuren der Bakterien.
    "Tumoren besitzen einen sogenannten nekrotischen Kern. In diesem Bereich befinden sich viele abgestorbene Krebszellen, es gibt kaum Sauerstoff. Das Immunsystem des Körpers dringt in den nekrotischen Kern nicht vor. Wenn nun Bakterien dort hinein gelangen, können sie sich ungestört vermehren, ohne vom Immunsystem bekämpft zu werden."
    Synthetische Biologie
    Um die Bakterienkolonien für den Nachweis der Tumoren nutzen zu können, griffen Tal Danino und Kollegen auf Methoden der synthetischen Biologie zurück. Sie fügten in die Bakterienzellen ein Stück ringförmige DNA ein, ein sogenanntes Plasmid. Darauf hatten sie Gene platziert, mit denen die Bakterien eine spezifische Signalkette in Gang setzen können.
    "Die Bakterien produzieren ein Enzym namens Lac-Z. Dieses Enzym spaltet spezielle Markermoleküle. Dabei wird eine Art Farbstoff frei, der auch in den Urin gelangt. Wir können dann am Urin der Mäuse erkennen, ob die Tiere Lebertumoren besitzen."
    Ist der Mäuseurin rot statt gelb, sind eindeutig Tumoren vorhanden. Und dieser Nachweis funktioniert deutlich empfindlicher als herkömmliche Techniken.
    "Bakterien können schon in Tumoren wachsen, die nur einen Millimeter groß sind. Bildgebende Verfahren erkennen Tumoren erst ab etwa einem Zentimeter Größe."
    Einsatz bei der Krebsdiagnostik bei Menschen
    Bis gentechnisch veränderte Bakterien nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Menschen zur Krebsdiagnostik genutzt werden können, sind noch viele Sicherheits- und Zulassungsfragen zu klären. Tal Danino denkt allerdings schon weiter. Er will die Bakterien künftig auch therapeutisch einsetzen. Entsprechend programmiert, könnten sie in den Tumoren gezielt Giftstoffe absondern, die dann die Krebszellen abtöten.