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Dialogorientiertes Serviceverfahren
Die Länder drängeln, die Hochschulen zögern

Die Hochschulen in Rheinland-Pfalz zögern noch, am sogenannten Dialogorientierten Serviceverfahren für die Vergabe von Studienplätzen teilzunehmen. Doch vom kommenden Wintersemester an will das Mainzer Hochschulministerium alle Hochschulen auf die Teilnahme verpflichten.

Von Anke Petermann | 31.03.2015
    Die Uni Mainz nimmt teil am Dialogorientierten Serviceverfahren (DOSV), aber nicht für alle Fächer und nicht im Sommersemester. Denn die zentrale Onlinevergabe, so bemängelt Bernhard Einig, Leiter der Abteilung Studium und Lehre, sei nicht zugeschnitten auf die Besonderheiten des Abiturs in Rheinland-Pfalz. Wer hier nicht das Turboabitur G8 ablegt, macht die Prüfung nach achteinhalb Jahren und hat soeben das Zeugnis bekommen, knapp nach Ablauf der DOSV-Fristen fürs Sommersemester.
    "Wir würden ja systematisch unsere rheinland-pfälzischen AbiturientInnen von der Vergabe und vom Start zum Sommersemester ausschließen. Das ist rechtlich nicht zulässig, nicht vermittelbar, und wir wollen das gar nicht. Unseren regionalen Verfahren - da haben wir durch gesetzliche Regelungen untermauert, Regelungen entwickelt, dass die Bewerber die ersten vier Tage im April nutzen können, um ihre Zeugnisse vorzulegen, und bleiben dann voll im Rennen."
    Auch die Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben Probleme mit den Fristen des DOSV. Ihre eigenen Verfahren ermöglichen ihnen, Zulassungsbescheide schon so früh zu verschicken, dass die Studierenden sich noch vor Semesterbeginn in Vorkursen fit machen können. "Das ist wichtig für unser heterogenes Bewerberpotenzial", betont Heidi Mikoteit-Olsen, Kanzlerin der Hochschule Koblenz:
    "Das sind ja beruflich Qualifizierte, da sind Leute ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung dabei, Leute, die schon beruflich tätig waren. Dass die an diesen Vorkursen teilnehmen können, um einen guten Start ins Studium zu bekommen, deswegen ist dieser zeitliche Aspekt ganz besonders wichtig, und das sollte sich durch das Dialogorientierte Serviceverfahren nicht verzögern."
    Echte Probleme oder nur Anlaufschwierigkeiten?
    Probleme, die sich durch Anpassung des Systems an die Hochschulen und umgekehrt lösen lassen, davon ist Thomas Deufel, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Hochschulministerium, überzeugt. Dass die Hochschulen klagen über den großen Aufwand, der mit dem DOSV verbunden sei, nimmt Deufel zur Kenntnis, erklärt die Probleme aber zu Anlaufschwierigkeiten.
    "Besonders groß sind diese Probleme natürlich dann, wenn Hochschulen gleichzeitig mit dem DOSV für einige Studiengänge und für andere mit eigenen Verfahren arbeiten. Das gibt doppelten Aufwand, das wissen alle Beteiligten. Ich gebe ganz offen zu, dieser Aufwand lässt sich nur verringern, wenn man tatsächlich alle Studiengänge ins DOSV bringt. Dann habe ich mit nur einem Verfahren den dort vorgesehen Aufwand."
    Rheinland-Pfalz hatte die verpflichtende Teilnahme am DOSV mit allen örtlich zulassungsbeschränkten Fächern bislang ausgesetzt. Doch das SPD-geführte Wissenschaftsministerium erwägt, sie vom kommenden Semester an greifen zu lassen. Nur wenn bundesweite alle Hochschulen mit allen Fächern dabei seien, funktioniere die zentrale Onlinevergabe reibungslos, meint Staatssekretär Deufel. Bernhard Einig, Leiter der Abteilung Studium und Lehre der Uni Mainz, fürchtet dagegen, dass der Mitmachzwang den Hochschulen intelligente Kombinationsmöglichkeiten entzieht, mit denen sie Studienplätze besonders effizient vergeben. An der Uni Mainz waren im soeben abgelaufenen Wintersemester 94 Prozent besetzt.
    "Das gilt nicht nur in Mainz, sondern das gilt auf jeden Fall - da haben wir die Zahlen abgefragt - das gilt für alle Hochschulen in Rheinland-Pfalz, dass sie ebenfalls nach Abschluss des Verfahrens, dass sie so gut wie keine unbesetzten Plätze mehr haben, und ich würde sogar unterstellen, das gilt für die meisten Hochschulen in Deutschland so."
    Notstand oder nicht?
    Und was ist mit den 14.000 Studienplätzen, die laut Pressemeldungen in Deutschland angeblich unbesetzt blieben? Eine Phantomzahl, meint Einig, der auch im Rat der Stiftung für Hochschulzulassung sitzt.
    "Meine These wäre, von den 14.000 Studienplätzen dürften im Endeffekt 80 Prozent ohne Bewerber geblieben sein."
    Kein Notstand also - und deshalb auch keine Notwendigkeit, alle Hochschulen, auch gegen deren Willen in ein zentrales Verfahren mit Funktionsmängeln zu zwingen, meint Einig. Im Stiftungsrat zeichne sich ein Gegenvorschlag ab, nämlich die großen, örtlich zulassungsbeschränkten Fächer Psychologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften ins DOSV zu bringen:
    "Eine kleine Hochschule, die ein spezifisches Lehrangebot hat, muss nicht zwangsläufig im DOSV zu einem besseren Ergebnis gebracht werden, die kriegen ihre Studienplätze auch so los, die braucht man nicht. Sondern man muss konsequent von den Bewerberströmen her denken, das ist in meinen Augen das bessere und klügere Verfahren."