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Dicke Zellen können Krebs verursachen

Medizin.- Nach Ansicht des Deutschen Krebsforschungszentrums ist die weltweite Zunahme der Krebserkrankungen vor allem auf übermäßige Ernährung zurückzuführen. Mögliche Zusammenhänge zwischen starkem Übergewicht und Leberkrebs wurden nun auf einer Veranstaltung der Deutschen Leberstiftung diskutiert.

Von Michael Engel | 18.06.2012
    Versuche mit übergewichtigen Mäusen haben ergeben, dass sie viermal häufiger an Leberkrebs erkranken als normalgewichtige Tiere. Professor Stephan Herzig sucht im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg auf molekularer Ebene nach den Übeltätern. Sogenannte "Adipokine" - so seine Vermutung – könnten solche Substanzen sein, die einen Tumor in der Leber auslösen. "Adipokine" sind hormonartige Moleküle, die speziell vom Fettgewebe produziert werden.

    "Diese Botenstoffe wirken dadurch, dass sie im Blut transportiert werden zu anderen Organen und dort immer auf Rezeptoren treffen. Dort sind Antennen vorhanden für die entsprechenden Botenstoffe. Bekanntermaßen regulieren einige von diesen Botenstoffen zum Beispiel die Verbrennung von Fetten. Also die bauen Fett ab. Gleichzeitig sind aber offensichtlich dieselben Moleküle daran beteiligt, auch den Zellzyklus, Zellteilung zu beeinflussen. Also wir haben hier offensichtlich eine gemeinsame Nutzung von bestimmten Strukturen in einer Zelle, die sowohl den Stoffwechsel kontrollieren als auch Zellteilungsprozesse, die dann für das Tumorwachstum wichtig sein können."

    Neben den "Adipokinen" sieht Stephan Herzig noch andere Moleküle, die bei Übergewicht vermehrt auftreten und Leberkrebs fördern: Ein Zuviel an Blutzucker zum Beispiel kann die Signale in der Leberzelle in Richtung Tumor stellen.

    "Man kann tatsächlich davon ausgehen, dass aufgrund dieser großen Zahl von übergewichtigen Menschen, die wir momentan haben, weltweit und natürlich auch in Deutschland, dass tatsächlich Übergewicht das Rauchen wahrscheinlich inzwischen schon abgelöst hat als Hauptrisikofaktor für die Ausbildung von zum Beispiel Leberkrebs."

    Dabei ist kaum eine Krebsart so schwer heilbar wie Leberkrebs: In 70 Prozent der diagnostizierten Fälle ist eine operative Entfernung nicht mehr möglich, weil der Tumor zu spät erkannt wurde. Wenn doch, dann treten bei zwei Drittel der Patienten kurze Zeit später sogenannte "Rezidive" auf. Der Tumor kommt zurück. Hoffnung macht das Medikament "Sorafenib" – ein sogenannter "Multikinase-Inhibitor", der die Leberkrebszelle lähmt und tötet. Seit fünf Jahren setzen Mediziner wie Dr. Henning Wege vom Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf den Wirkstoff ein:

    "Also die Situation ist so, dass wir auch mit diesem neuen Präparat "Sorafenib" die Lebenserwartung der Patienten in den fortgeschrittenen Stadien im Schnitt um drei Monate verlängern können. Das hört sich jetzt nicht dramatisch an. Aber wir haben erstmals eine Substanz, die eine Wirksamkeit hat und können jetzt diese Substanz mit anderen kombinieren. Ich glaube, das ist die Hauptstoßrichtung in der Zukunft: Die Kombination unterschiedlicher Verfahren und auch die Weiterentwicklung dieses Konzeptes durch andere Substanzen - durch noch intelligentere, kleinere Moleküle."

    Mittlerweile werden verschiedene Substanzen klinisch erprobt, die ähnlich dem "Sorafenib" die sogenannten "Signalwege" in der Leberkrebszelle verändern und lebensnotwenige Stoffwechselprozesse stören. "Brivanib" ist so ein Kandidat, auch "Resminostat", das tief im Inneren der Zelle sogar die Aktivität von Genen unterdrücken kann. Verschiedene Studien erkunden derzeit die Eignung all dieser Substanzen als mögliche Medikamente gegen Leberkrebs – und machen Hoffnung. Für Forscher wie Henning Wege, die tagtäglich am Bett der betroffenen Patienten stehen, ist klar, dass aber nur eine Kombination verschiedener Substanzen zum Erfolg führen kann.

    "In zehn Jahren werden wir – glaube ich - soweit sein, dass wir erstens die Patienten viel früher diagnostizieren. Wir werden auch in der Lage sein in zehn Jahren aus einer Tumorbiopsie abzuleiten, welche Signalwege für das Tumorwachstum hauptverantwortlich sind. Und haben dann Substanzen, diese Signalwege gezielt zu blockieren. Das heißt, wir können die Patienten der einen oder anderen Substanz zuteilen. Und das Ziel wird sein bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium, die Erkrankung zu kontrollieren, aber bei einem Teil der Patienten auch den Tumor klein zu machen, um ihn dann vielleicht komplett zu vernichten."