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Die Achse der Guten

Der französische Premier Jean-Marc Ayrault ist heute in Berlin. Die Außen- und Verteidigungsminister aus Frankreich, Deutschland, Polen, Italien und Spanien treffen sich in Paris, um über die Mali-Mission und europäische Verteidigungspolitik zu sprechen - und da ist einiges schon weiter gediehen, als Berlin meint.

Von Ursula Welter | 15.11.2012
    Die Initiative ist von uns ausgegangen, sagt Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, aber in gutem Einverständnis mit Deutschland. Schon bei ihrem ersten Treffen nach dem Wahlsieg der Sozialisten im Frühsommer habe sein Amtskollege Thomas de Maizière gesagt, es müsse etwas geschehen. Europa müsse sich besser abstimmen in Verteidigungsfragen.

    Drei Gründe dafür sieht Frankreich: Die klare Orientierung der USA am asiatisch-pazifischen Raum, die Haushaltszwänge aller europäischen Staaten, es muss gespart werden, und die zunehmenden Bedrohungen, dauerhafte und neue Konflikte weltweit.

    Man könne, sagt Frankreichs Verteidigungsminister, viele Erklärungen abgeben, es gehe aber um Taten, zu allererst um operationelle Zusammenarbeit. Das jüngste Beispiel dafür sei Mali:

    Jede Krise, so Le Drian, brauche eine europäische Antwort, das sei es, was die Verteidigungsminister Italiens, Spaniens, Polens, Deutschlands und Frankreichs heute zu Protokoll geben wollten. Aus Sicht der Pariser Regierung müsse es eine gemeinsame Strategie der Europäer in Sachen Cyber-Verteidigung geben, aber auch beim Einsatz von Drohnen. Diese Frage stehe im Raum, ob Europa in Zukunft nicht auch beim Einsatz der unbenannten Flugsysteme enger kooperieren sollte.

    Frankreich setzt also auf operationelle Zusammenarbeit, bedauert gleichzeitig, dass es im industriellen Sektor vorläufig nicht zu einer engeren Abstimmung kommt, nachdem die Großfusion zwischen EADS und dem britischen Rüstungskonzern BEA, nicht zuletzt an deutschen Widerständen, gescheitert ist.

    Dabei kooperiert Frankreich in Verteidigungs- und Rüstungsfragen sehr eng mit Großbritannien. Eine "entente cordiale" auf vielen Ebenen, die der frühere französische Staatspräsident Sarkozy in die Wege geleitet hat und die sein Nachfolger Hollande fortsetzen will. Gemeinsame Manöver, gemeinsame Pilotenausbildung, der Aufbau einer britisch-französischen Eingreiftruppe, Zusammenarbeit im Nuklearbereich - die Kooperation zwischen London und Paris ist weitreichend, und die Fachleute sagen, in Berlin sei dieser Vertrag lange Zeit unterschätzt worden.

    Die britisch-französische Sicherheitsallianz ist keine exklusive Angelegenheit, sagt Verteidigungsminister Le Drian, mancher europäische Nachbar schaue auf diese "entente" mit einer gewissen Skepsis, Eifersucht gar. Auch hier müsse man pragmatisch sein, die Allianz sei sinnvoll, sie werde fortgesetzt, aber mit der größten Transparenz für alle Partner in Europa. Partner, die offenbar lange nicht gedacht hätten, dass das atlantisch geprägte Großbritannien und das stets auf Souveränität pochende Frankreich derart eng zusammenrücken würden in Verteidigungsfragen.

    Paris, das unter der konservativen Führung des Präsidenten Sarkozy in die Kommandostrukturen der NATO zurückgekehrt war, hat unterdessen unter dem neuen, sozialistischen Staatschef prüfen lassen, ob die atlantische Allianz der rechte Platz für Frankreich sei. Ein Bericht des früheren Ministers Vedrine dazu wurde dem Staatspräsidenten gestern vorgelegt.

    Die Frage eines Rückzugs Frankreichs aus den NATO-Strukturen stelle sich heute nicht, sagte Hollande, aber wir müssen besser Acht geben, um die Interessen Frankreichs in der Organisation zu verteidigen. Damit spielt der Präsident nicht zuletzt auf wichtige Posten, auf Schlüsselpositionen an, die Paris beansprucht.

    Den Einsatz der Europäer in Mali deutet Frankreich unterdessen als erfreuliche Entwicklung und richtigen Schritt auf dem Weg zur besseren Kooperation in Verteidigungsfragen.

    Frankreich und Europa würden die afrikanischen Einheiten logistisch unterstützen, auch in Sachen Ausbildung, aber in keinem Fall werde Frankreich in Mali intervenieren, weder mit Bodentruppen noch mit Luftstreitkräften, betont Francois Hollande.

    Sein Verteidigungsminister wertet unterdessen Mali als Beispiel auch für gute Zusammenarbeit mit Deutschland. Sicher, Berlin hab im Falle Libyen Vorbehalte gehabt, auch der Irakeinsatz sei anders bewertet worden, aber deshalb müsse niemand an den Möglichkeiten einer europäischen Verteidigungspolitik zweifeln. Die Entscheidungsprozesse in Deutschland seien, historisch begründet, nun einmal komplizierter als in anderen Ländern. Das müssen wir akzeptieren, sagt Jean-Yves Le Drian. Und der Fall Mail zeige, dass man sich um die deutsche Position keine Sorgen machen müsse, er so Frankreichs Verteidigungsminister, sei jedenfalls nicht beunruhigt.