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Die AfD vor ihrem Bundesparteitag
Liberal oder national?

Während der Landesvorsitzender der AfD Thüringen, Björn Höcke, im Osten die Massen begeistert, will man ihn in westdeutschen Wahlkämpfen der AfD nicht haben. Seine deutschnationalen Parolen gefallen vielen nicht. Streit liegt so vor dem Bundesparteitag am Wochenende in der Luft.

Von Henry Bernhard und Uschi Götz | 26.11.2015
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    Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke. (Imago)
    "Manche sehen in ihm den Propheten; manche sehen in ihm den Leibhaftigen. Entscheiden sie selbst: Björn Höcke. Höcke, Höcke, Höcke."
    Die Demonstration der AfD in Erfurt vergangene Woche, die letzte vor der Winterpause. Nach vier eher mittelmäßigen Rednern spricht endlich der, auf den die 3.500 Demonstranten gewartet haben: Björn Höcke. Landesvorsitzender der AfD Thüringen, Fraktionsvorsitzender im Landtag, das Zugpferd der AfD, vor allem im Osten.
    "Ich sage es noch einmal; ich habe es oft genug in aller Deutlichkeit gesagt: Ich liebe mein Volk.":
    Björn Höcke ist es gelungen, über zwei Monate hinweg in Erfurt jede Woche Tausende Menschen auf die Straße zu bringen, zu Demonstrationen der AfD - gegen die Asylpolitik von Bundes- und Landesregierung. Nirgendwo sonst in der Republik ist der AfD eine solche Mobilisierung gelungen. Anfangs war Björn Höcke selbst erstaunt über den Erfolg, später verschärfte er seine Attacken, nicht nur auf einzelne Politiker, sondern auch auf das politische System der Bundesrepublik.
    - "Liebe Freunde, es hilft alles nix: Wir müssen unser Land, wir müssen unseren Staat, wir müssen unser Volk vor der Politik der Altparteien schützen. Für mich ist die AfD die letzte friedliche Chance, die unser Land hat, liebe Freunde."
    - "Bravo. AfD, AfD, AfD, AfD."
    Gegen die Asylpolitik von Bundes- und Landesregierung
    Björn Höcke ist ein gepflegter, sportlicher Mann, 43 Jahre alt, Sport- und Geschichtslehrer. Noch vor einem guten Jahr, im Thüringer Landtagswahlkampf, stand er in der Öffentlichkeit für Positionen, die Jahre zuvor FDP oder CDU vertreten hatten.
    "Die CDU hat sich zu einer modernen Großstadtpartei entwickelt, und dadurch haben sie gewisse wertorientierte Positionen fallenlassen in der CDU. Und das hat natürlich zu einem Vakuum geführt. Und dieses Vakuum besetzen wir."
    Außerdem wolle er erst einmal in die Politik hineinschnuppern, Opposition lernen, sich zurückhalten. Aber schon am Wahlabend des 14. September 2014, mit knapp elf Prozent der Wählerstimmen im Rücken, ließ Höcke andere Töne anklingen.
    "Ich verspreche euch eins: Wir fangen jetzt erst an! Diese Partei wird zu einer blauen Bewegung werden, zu einer blauen Bewegung, die unser gesamtes Vaterland in eine bessere Zukunft führen wird. Ich danke euch!"
    Björn Höcke hat inzwischen die Straße als ein Podium entdeckt. Heute sieht er sich als Visionär, der berufen ist, Deutschland zu retten. "Bewegung", "Vaterland", "Volk", "Gemeinschaft", "Volksempfinden", "natürliche Geschlechterordnung". Höckes Vokabular ist in der Welt der völkischen Denker der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts verankert. Er präsentiert Bismarck und die Kaiserzeit als vorbildhaft, hält engen Kontakt zur Neuen Rechten, sein Verhältnis zur NPD ist unklar. In Erfurt marschiert schon mal die ganze Thüringer Landesspitze der NPD mit ihren alten Wahlplakaten mit, nur das Parteilogo fehlt. Höcke hat damit kein Problem. Immer an der Grenze zur Eindeutigkeit spielt er mit Begriffen aus der NS-Zeit, mit völkischen Floskeln, mit Ressentiments gegen Fremde:
    "Deutschland, liebe Freunde, Deutschland war die Heimat unserer Vorfahren, Deutschland muss die Heimat unserer Kinder bleiben. Deutschland ist unsere Heimat, unser Land, und unsere Nation - Dankeschön!"
    Mitglieder und Anhänger der AfD mit Deutschlandfahnen bei einer Demonstration
    Mitglieder und Anhänger der AfD mit Deutschlandfahnen bei einer Demonstration (picture alliance / dpa / Candy Welz)
    Damit kommt er in Erfurt gut an. Offenen Widerstand gegen den völkisch-nationalistischen Kurs aus den eigenen Reihen gibt es in Thüringen nicht. Hinter vorgehaltener Hand nennen manche Parteimitglieder Höckes Auftritte "unsäglich", sie sprechen von seinen Alleingängen, offene Diskussionen gebe es nicht.
    Ähnlich verhält sich die AfD auch im Thüringer Landtag: Vergangene Woche provozierte sie einen Eklat, als sie versuchte, den Sprecher der rechts außen positionierten Deutschen Burschenschaft als Fraktions-Praktikanten in den Innenausschuss des Landtages zu setzen. In den Reden und Anträgen der Fraktion geht es – neben wenigen sachlichen Beiträgen – oft nur um Provokation.
    "Gestern Abend habe ich einem meiner vielen Kinder zugeschaut, wie der mit dem Wasserfarbkasten gespielt hat. Er mischte Rot und Grün. Und wissen sie, was rauskam? Braun! Haha; ich dachte, das kann doch nicht wahr sein!"
    "Ich stelle fest: Wir brauchen keine Willkommenskultur für Einbrecher."
    Im Landtag brachte das der AfD eine Rekordzahl von Rügen und Ordnungsrufen ein. Außerdem schrumpfte die AfD-Fraktion durch einen Rauswurf und zwei Austritte von 11 auf 8 Abgeordnete. Draußen auf der Straße aber geht das Konzept auf. Reden, Sprechchöre, Björn Höcke als Hauptakt, gerne auch mit Unterstützung aus anderen Bundesländern, wie etwa Christina Baum, stellvertretende Landesvorsitzende in Baden-Württemberg.
    "Wenn Frau Merkel sagt, "Deutschland wird sich verändern.", dann wissen wir ganz genau, was sie meint. Sie will Deutschland in ein multikulturelles Krisengebiet verwandeln! PFUI!"
    Im März 2016 wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Für die AfD in der Post-Lucke-Ära ist das die erste große Bewährungsprobe. Schafft sie den Einzug in den Landtag? Laut Umfrageergebnissen gilt das zurzeit als wahrscheinlich. Das wäre dann das erste Mal, dass in einem westdeutschen Flächenstaat die AfD in ein Landesparlament einzieht.
    In Baden-Württemberg gibt es keine Scharfmacher vom Format Höckes. Der Ton im Wahlkampf ist moderater als in Thüringen. Für die baden-württembergische AfD ist Höcke eine Belastung, das sagt zwar keiner offen, aber es klingt in allen Gesprächen durch. Die Rechtskonservativen haben im Südwesten einen eigenen politischen Weg eingeschlagen: Sie setzen sie auf eine Lücke, die im beginnenden Landtagswahlkampf immer deutlicher wird: der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf gilt vielen als profillos, manchem CDU-Wähler ist der Kurs seiner Partei in der Flüchtlingsfrage zu unklar. Hier setzt die AfD an: Im Wahlkampf zielt sie auf CDU-Wähler und Nichtwähler ab:
    "Dies ist das Thema, das den Menschen in unserem Land wie kein Zweites unter den Nägeln brennt."
    Jörg Meuthen: beim AfD-Landesparteitag im Oktober im schwäbischen Horb am Neckar wurde er zum Spitzenkandidaten gewählt:
    "Und es ist eine schlichte Ungeheuerlichkeit, wenn von uns einige aus Gründen einer vermeintlichen Political Correctness, mit der Migrationspolitik doch bitte sehr keinen Wahlkampf zu machen und das eben aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Wie sollte man das angesichts dieser Situation bitte sehr tun? Und wer würde dann überhaupt noch zur Wahl gehen? Die Wahlbeteiligung ist sowieso schon erschreckend gering und sie ist so gering, weil diese Themen ausgespart werden."
    Die Straße als Podium entdeckt
    Mit Frauke Petry ist Meuthen auch Bundessprecher der AfD. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft in Kehl und Studiendekan an der Fakultät für Wirtschafts-, Informations- und Sozialwissenschaften.
    Der 54-Jährige ist das einzige prominente Gesicht unter den Landtagskandidaten in Baden-Württemberg. Bekannte Vertreter, wie etwa der Tübinger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, haben der AfD bereits den Rücken gekehrt.
    Meuthens zentrale Themen auf dem Landesparteitag sind Zuwanderungspolitik und die Innere Sicherheit. Doch er drückt sich gewählt aus. Er bittet die rund 320 Anhänger, "Maß und Mitte" einzuhalten und nicht durch "lächerliche Aktionen" – wie er es nennt - Schlagzeilen zu liefern. Der Vater von fünf Kindern wird in Horb sehr persönlich: "Bin ich ein Rassist?", fragt er in die Halle und erzählt dann von seinen Patenkindern in Afrika:
    "Sehen so für sie nationalistische Ausländerhasser aus? Dies also an die Adresse der nicht wenigen da draußen, die mir und uns unterstellen, wir würden Hassbotschaften in die Welt senden. Bin ich am Ende ein Rassist, mit meinen vier schwarzen Patenkindern, die ich schon länger habe, als es die AfD überhaupt gibt?"
    Meuthen hält seine AfD für eine liberal-konservativ-bürgerliche Partei. Hass und Ausländerfeindlichkeit hätten in der Partei keinen Platz, betont Meuthen immer wieder. Mit mindestens 10 Prozent in den Landtag: Das ist Meuthens erklärtes Ziel. Eine Koalition strebt er nicht an:
    "Wir können auch Opposition."
    Für Grüne und SPD stellt sich diese Frage erst gar nicht. Und die Südwest-CDU hat sich bereits früh gegen eine Kooperation mit der AfD ausgesprochen. Spitzenkandidat Wolf hat bereits betont, es werde keine Koalition mit der AfD geben.
    Zurzeit zählt die baden-württembergische AfD laut einem Sprecher rund 2.700 Mitglieder. Wöchentlich kämen durchschnittlich 10 bis 15 neue Mitglieder hinzu. Etwa ein Drittel kommt angeblich von der CDU, aber auch zahlreiche SPD Mitglieder seien darunter. Einer davon ist der Herrenberger AfD-Landtagskandidat Miguel Klauss:
    "Guten Abend meine Damen und Herren. Ich freue mich über ein volles Haus, zu unserem öffentlichen Stammtisch von Herrenberg/ Gäu, hier in Deckenpfronn zum öffentlichen Stammtisch:"
    Der 29-jährige Fach- und Betriebswirt begrüßt rund 50 Gäste in einer Gaststätte in Deckenpfronn bei Böblingen:
    "Wo ich herkomme? Ich bin eigentlich so eher von der SPD gekommen, ich komme aus einer Arbeiterfamilie, da war es so ein bisschen Tradition, die SPD zu wählen,."
    Doch von der SPD fühlte er sich irgendwann nicht mehr vertreten. Er trat in die AfD ein:
    "Nachdem Sigmar Gabriel gesagt hat, wir müssen solidarisch sein mit Griechenland. Das habe ich nicht verstanden. Deswegen habe ich mich von der SPD abgewandt, das war ein Punkt unter vielen und war dann auch erst heimatlos."
    Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke spricht am 07.10.2015 in Erfurt (Thüringen) auf einer Demonstration gegen die Asylpolitik. 
    Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke spricht auf einer Demonstration gegen die Asylpolitik. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Jetzt ist die AfD seine politische Heimat, auch wenn er nicht alle ihre Positionen vertritt. Sollte er es in den Landtag schaffen, will der 29-jährige dazu beitragen, die AfD wieder in die, wie er es nennt "normale Mitte" zu rücken. Die AfD werde zu Unrecht von den Medien als rechtspopulistisch bezeichnet:
    "Und dieses Wort rechtspopulistisch jedes Mal vor dem Parteinamen ist in Wirklichkeit eine Medienkampagne, das muss man einfach sagen, weil vor allen anderen Parteien steht kein Zusatz, irgendwie."
    Doch auch ehemalige Mitglieder, wie der frühere AfD- Mitbegründer Joachim Starbatty aus Tübingen, sprechen von einem "Rechtsruck" der Partei. Hans-Olaf Henkel, einst AfD- Vize, bezeichnet die neue AfD als "NPD light". Klauss bedauert die Austritte:
    "Dass Lucke gegangen ist, fand ich auch sehr schade. Er war wirtschaftlich auf jeden Fall eine Fachkompetenz, ganz klar. Ist auch teilweise ein Verlust aber wie gesagt: Die Partei hat sich programmatisch überhaupt nicht verändert, also die ist genauso weiterhin und ich denke: Henkel schießt jetzt gegen uns, das machen alle von denen – leider- aber das kümmert mich eigentlich nicht, wir haben größere Probleme hier in Deutschland."
    Die Flüchtlingsfrage: In Landtagswahlprogramm der AfD in Baden-Württemberg nimmt sie einen großen Teil ein. Darin ist von "Einwanderungswahn" und "Willkommensdiktatur" die Rede. Und von der Änderung des Grundrechts auf Asyl. Es solle durch ein Bundesgesetz eingeschränkt werden. Damit würde eine Unterscheidung zwischen politischer Verfolgung, Armutsmigration und Flucht vor Kriegen möglich. Außerdem sollten Auffangzentren für Asylbewerber in den Herkunftsregionen eingerichtet werden.
    In Baden-Württemberg hat die grün-rote Landesregierung verstanden, dass nun schnell gehandelt werden muss, um der AfD das Protestpotenzial unter den Wählern zu nehmen. Sie setzt nun wesentliche Punkte das neu verhandelten Asylbeschleunigungsgesetz im Eiltempo um. Ministerpräsident Winfried Kretschmann:
    "Die Leitlinie dabei ist ganz klar und eindeutig rechtskräftig vollziehbare Ausreisende müssen das Land verlassen."
    SPD-Innenminister Reinhold Gall ergänzt:
    "Das heißt im Klartext, wir werden alles, was an Möglichkeiten besteht, beispielsweise regelmäßig verkehrende Fluglinien dort Plätze belegen, wir werden die Omnibuslinien, die es in die Balkanländer gibt dazu nutzen und wer diese Möglichkeit dann nicht nutzt, da werden wir dann auch konsequent das Thema Rückführung im Sinne von staatlichen Handeln betreiben."
    "Höcke, Höcke, Höcke, Höcke."
    "Liebe Freunde, ihr spürt, wie mein Herz für mein Volk und mein Land bebt!
    Zurück nach Thüringen, zu Björn Höcke. Tausende hat er im Herbst auf die Straße gebracht, um gegen die bundesdeutsche Asylpolitik zu protestieren und ihm zuzujubeln. Das machte Björn Höcke bundesweit populär. Und brachte ihm unter anderem eine Einladung in Günter Jauchs Talkshow ein.
    "Die Phraseologie des Herrn Bundesjustizminister Maas erinnert mich tatsächlich an die Endphase der DDR."
    Höcke pöbelte wie gewohnt und drapierte eine Deutschlandfahne auf seinem Sessel.
    "Unsere Nationalflagge, und die werde ich jetzt hier auf meine Lehne hängen."
    Ein bizarrer Auftritt, der seinen Fans gefiel, nicht aber allen AfDlern. In der Berliner Parteizentrale hagelte es in den darauffolgenden Tagen Austrittserklärungen, um die 20 pro Tag. Die Parteispitze war entsetzt. Parteichefin Frauke Petry versandte deshalb eine Mail an alle Mitglieder, in der sie sich eindeutig von Björn Höcke, dessen Aussagen und dessen Stil distanzierte. Sie mahnte "Respekt gegenüber dem politischen Gegner" an und verwahrte sich dagegen, dass "in einer emotional aufgeheizten Situation" "billige Reflexe" bedient würden, die eher Rechtsextremen anstünden als der AfD. Björn Höcke vertrete nicht die die große Mehrheit der Mitglieder seiner Partei, sondern einzig und allein Thüringen. Auch einen geplanten Auftritt in Erfurt sagte Frauke Petry ab.
    "Mir war es wichtig zu sagen, dass der Bundesvorstand und die Mehrheit der Partei diesen Stil nicht gutheißt; und deswegen halte ich es für richtig, dass ich dort an der Stelle nicht spreche."
    Während Höcke in Erfurt, im Osten überhaupt, die Massen begeistert, will man ihn in westdeutschen Wahlkämpfen der AfD nicht haben. Man kann in der AfD nicht mit, aber auch nicht recht ohne ihn. Im Osten wird er gebraucht. Zu vormodern aber kommen seine deutschnationalen Parolen daher, zu nah an NS-Rhetorik sind viele seiner Sprachbilder gebaut, um im Westen zu reüssieren. Und wollte er anfangs auch nur in die Thüringer Landespolitik reinschnuppern, so will er nun doch am ganz großen Rad drehen.
    "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Merkel scheitern muss, damit Deutschland und Europa gerettet werden können, liebe Freunde. Merkel muss weg. Merkel muss weg. Merkel muss weg. Merkel muss weg."
    Neuerdings sieht er auch eine Alternative zur Kanzlerin:
    "Wir brauchen eine neue Bundeskanzlerin. Wir brauchen einen neuen Bundeskanzler. Und der kann nur aus der AfD kommen, liebe Freunde."
    Er zählt darauf, dass Deutschland durch den Flüchtlingszustrom in eine tiefe Krise, ja in den Staatszerfall gerät. Weimarer Verhältnisse – passend zu seiner Rhetorik.
    "Dann sind wir in einer Situation, in der die Bundesrepublik schon lange nicht mehr gewesen ist. Und dann kann ich mir vorstellen, dass die AfD in zwei Jahren als vielleicht stärkste Partei in den Bundestag einzieht. Das ist für mich keine Utopie, das ist für mich eine realistische Zielsetzung, selbstverständlich."
    Noch hält er sich bedeckt, von Kandidaturen für den Bundestag, den Parteivorstand oder die Parteispitze hält er sich fern.
    "Natürlich kann man sich immer mal vorstellen, auch im Bund aktiv zu werden. Und was dann bei der nächsten Bundesvorstandswahl sein wird, die ja noch anderthalb Jahre hin ist, das kann ich jetzt wirklich noch nicht sagen."
    Eine Zeit lang hatte sich Björn Höcke nach Petrys öffentlichem Rüffel zurückgenommen. Aber nun, vor dem Bundesparteitag, hat er noch einmal mit dem Brandenburger AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland nachgelegt: "Fünf Grundsätze für Deutschland" haben sie aufgestellt. Von "Deutschland ist nicht verhandelbar" bis ...
    - "Die Deutschen müssen mündig werden! Und Erfurt – die Stadt der Mutbürger – ist der Ort, es einmal deutlich auszusprechen."
    - "Höcke, Höcke."
    Parteichefin unsicher und angeschlagen
    Mit den völkischen und rechtsnationalen "Fünf Grundsätzen für Deutschland" begeben sich die beiden Landeschefs Höcke, Thüringen, und Gauland, Brandenburg, eindeutig auf bundespolitisches Gebiet. Ein Feld, für das Frauke Petry Höcke ausdrücklich die Kompetenz abgesprochen hat. Außerdem will sie ja die Mitte gewinnen. Entsprechend entsetzt reagiert sie auch auf Nachfragen zu dem Vorstoß der beiden.
    "Für die Bundes-AfD steht der Bundesvorstand, vertreten durch seine beiden Sprecher."
    Stefan Maas
    "Das heißt, das war wieder ein Alleingang, und wie ist der zu bewerten?"
    Frauke Petry
    "Das möchte ich jetzt nicht kommentieren."
    Stefan Maas
    "Das ist die diplomatische Formulierung für: Sie hätten sich das anders gewünscht?"
    Frauke Petry
    "Ich glaube, ich habe die Frage beantwortet!"
    Noch Minuten später ringt Petry um Luft. Die gezielte Kompetenzübertretung von Höcke und Gauland stellt ihre Macht als Parteichefin und auch ihre politische Linie direkt vor dem Bundesparteitag entschieden infrage. Aus ihrem Umfeld heißt es, dass sie unsicher und angeschlagen wirke. Und Björn Höcke bringt sich bundespolitisch offensichtlich in Stellung.
    Wird er das auch auf dem Satzungsparteitag am Wochenende tun? Zu vermuten ist, dass Höcke lieber noch abwartet und der schleichenden Demontage der Parteichefin Petry aus sicherer Entfernung zuschaut.