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Die Angst vor dem Abstieg in Luxemburg

Luxemburg galt bisher als attraktiver Wirtschaftsstandort mit sehr guten Verdienstmöglichkeiten, auch für ausländische Pendler. Finanzielle Nöte waren lange ein Fremdwort, doch nun scheint die Wirtschaftskrise auch das Großherzogtum erreicht zu haben.

Von Tonia Koch | 15.11.2012
    "Die Regierung hatte nicht damit gerechnet, dass die Fraktionen sie dabei unterstützen würden, mehr zu sparen. Aber unterm Strich haben wir es doch fertig gebracht. Was zählt ist auch nicht der Weg, sondern das Ergebnis."

    Die Koalitionsfraktionen aus Sozialisten und Christsozialen im Luxemburger Parlament hatten Finanzminister Luc Frieden Anfang Oktober düpiert. Sie hatten ihn nach Hause geschickt. Die Aufgabenstellung war eindeutig, Spendierhosen ausziehen und viel mehr sparen als geplant. Im überarbeiteten Haushaltsentwurf, den die Regierung in der vergangenen Woche vorgelegt hat, erhöht sie nun die Solidaritätssteuer und den Spitzensteuersatz, was vor allem die gut verdienenden Bevölkerungsschichten in Luxemburg trifft. Außerdem streicht sie fast 300 Millionen Euro an Investitionen und setzt bei den Sozialleistungen den Rotstift an.

    Die fetten Jahre seien zwar vorbei, so der Budgetminister, aber nach wie vor gieße der Luxemburger Wohlfahrtsstaat ein Füllhorn an sozialen Leistungen über seinen Bürgern aus.

    "Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass sich der Haushalt nicht allein aus Maßnahmen zusammensetzt, wie das Defizit verringert werden kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Luxemburger Staat im kommenden Jahr 14 Milliarden ausgibt, die an die Leute, die hier wohnen und die in der Grenzregion wohnen, verteilt werden. Wir machen also schrecklich viel, trotz Sparens."

    Die luxemburgischen Gewerkschaften sehen die Dinge anders. Für sie sind die neuen Weichenstellungen in der Haushaltspolitik ein besorgniserregendes Anzeichen für Sozialabbau. Sie hatten deshalb Mitte Oktober in der Luxemburger Innenstadt zu einer Kundgebung aufgerufen. Der Platz Clairefontaine füllte sich zwar nur langsam. Aber schließlich war die Bronzestatue der luxemburgischen Großherzogin Charlotte, die das Areal ansonsten beherrscht, dann doch von Fahnen schwenkenden Demonstranten umringt. Etwa 2000 hatten die Organisatoren zusammengetrommelt.

    Das reichte, um gehört zu werden. Sowohl der luxemburgische Premier, Jean-Claude Juncker, als auch Außenminister Jean Asselborn arbeiten hier. Der Regierungssitz und das Außenministerium befinden sich direkt am Platz. Auch zum Krautmarkt, zur Abgeordnetenkammer, sind es nur ein paar Schritte. Dort soll bereits bis Ende des Jahres über einen ersten Einschnitt ins soziale Netz, über die Rentenreform entschieden werden. Betroffen davon sind alle: ob Arbeiter, Angestellte oder Beamte.

    "Angst um die Renten haben wir nicht, aber um Kürzungen haben wir Angst. Es ist nötig; wenn wir uns nicht zeigen, machen die, was sie wollen. Wir in Luxemburg sind gewohnt gute Renten zu haben; im Alter sollen wir auch gut entschädigt werden für die Arbeit, die man geleistet hat."

    Zunächst sind lediglich behutsame Einschnitte ins System geplant. Das Renteneintrittsalter liegt bei 65 Jahren und wird nicht angetastet. Wer will, kann bereits mit 57 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, das heißt, wenn er mindestens 40 Jahre lang eingezahlt hat. Auch daran wird nicht gerüttelt.
    Allerdings ändert sich die Rentenformel. Das bedeutet, die Renten sinken. Und wenn die Beschäftigten das aktuelle Rentenniveau halten möchten, müssen sie dafür drei Jahre länger arbeiten. Darüber hinaus müssen die Altersbezüge künftig nicht mehr im gleichen Maße steigen wie Löhne und Gehälter. Der eingebaute Automatismus kann ausgesetzt werden, für den Fall, dass es eng wird in den Kassen. Das klingt für ausländische Ohren nach Luxusproblemen. Ein Eindruck, dem die Demonstranten widersprechen.

    "Wenn ich auf meine Pension schaue, wir kommen zurecht und können uns auch etwas Kleines leisten, aber üppig, nein."

    Bei Durchschnittsrenten, die gut und gerne doppelt so hoch sind wie in Deutschland, sei die Reform problemlos zu verkraften, argumentiert hingegen Sozialminister Mars Di Bartolomeo.

    "Nun muss man wissen, wenn man Vergleiche zieht, dass die Durchschnittsrente in der Bundesrepublik bei 900 Euro liegt. Die Durchschnittsrente für Sesshafte in Luxemburg liegt jedoch zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Wenn man alles miteinander vergleicht, ist die Situation der Rentner in Luxemburg im Vergleich mit dem Ausland ohne Konkurrenz."

    Das gilt auch für die finanzielle Ausstattung der Pensionskasse. Zwölf Milliarden Euro liegen auf der hohen Kante, erläutert Di Bartolomeo.

    "Zurzeit strotzt das Pensionsregime nur so vor Gesundheit. Die Reserven sind viermal höher als die jährlichen Ausgaben. Oder in der Theorie würden die Reserven genügen, während vier Jahren die Renten auszubezahlen, ohne dass ein Euro hereinkommt."

    Genau deshalb halten es die Gewerkschaften für falsch, jetzt bei den Renten die Reißleine zu ziehen. Die Reform sei Aktionismus, nichts weiter, sagt Carlos Pereira, Rentenexperte des Allgemeinen Luxemburgischen Gewerkschaftsbundes.

    "Wenn die Projektionen, die momentan gemacht werden, richtig sind, dann sprechen wir von 2022, wo man vielleicht an die Reserven gehen muss; also gibt es keinen Grund, um jetzt Leistungsverschlechterungen durchzusetzen. Ich bin nicht überzeugt von diesem Blick in die Kristallkugel."

    Die komfortable Lage verdankt das Großherzogtum einer Art Jobwunder. Es hatte in den 80er-Jahren eingesetzt. Im Durchschnitt nahm die Beschäftigung seitdem jedes Jahr um vier Prozent zu. Im eigenen Land fanden sich schon bald nicht mehr so viele Arbeitskräfte wie nötig. Sie wurden deshalb nach und nach jenseits der Landesgrenzen in Belgien, Deutschland und Frankreich angeworben. Zurzeit pendeln tagtäglich 158.000 Menschen aus den Nachbarländern ins Großherzogtum.

    Sie stellen damit nahezu die Hälfte der Erwerbsbevölkerung. Kein Wirtschaftsbereich kommt ohne sie aus. Mit Ausnahme des Staatsdienstes sind sie überall zu finden, in der Stahlindustrie, dem Handel, in Hotels und Gaststätten, in Kliniken und Pflegeheimen und natürlich den Banken. Die meisten kommen aus Frankreich.

    "Ich arbeite in einem Hotel, auf dem Kirchberg." - "Seit 20 Jahren arbeite ich in einer Bank."

    In anderen Ländern wird im Zusammenhang mit ausländischen Arbeitskräften über Bildungsabschlüsse, kulturelle Eigenheiten oder über Sprachbarrieren gesprochen. Nicht so in Luxemburg. Die Bevölkerung ist mehrsprachig und beherrscht neben der Landessprache Luxemburgisch auch Deutsch und Französisch. Die Wirtschaft könnte es sich gar nicht leisten, im Ausland erworbene Abschlüsse nicht anzuerkennen.
    Das einzige Problem, das Luxemburg mit seinen Pendlern hat, ist der Transport. Das Großherzogtum selbst hat nur eine halbe Million Einwohner, doch morgens müssen 158.000 Menschen hinein und abends wieder hinaus. In Richtung Frankreich - auf der Strecke Luxemburg, Thionville, Metz - soll die Bahn es richten, sagt der für den Personenverkehr zuständige Bahnvorstand Marc Hoffmann.

    "Von Frankreich her gesehen haben wir jeden Tag 9.000 Leute, die mit dem Zug kommen; das sind etwa 15 Züge für die Spitzenstunden morgens und abends."

    Allzu große Probleme gebe es nicht, sagen die beiden Frauen, die auf ihre Regionalbahn nach Frankreich warten.

    "Das System funktioniert gut, im Moment sind sie allerdings oft zu spät." - "Ja, ja, das geht schon, eine Zeit lang habe ich es mit dem Auto probiert, stand aber nur im Stau, selbst wenn der Zug Verspätung hat, ist es immer noch angenehmer mit dem Zug."

    Allerdings ist die Taktzahl auf deutscher Seite längst nicht so hoch, noch nicht:

    Im Blitzlichtgewitter der Fotografen strahlen der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer und sein luxemburgischer Amtskollege Claude Wiseler Ende Oktober im luxemburgischen Verkehrsministerium um die Wette. Nach vielen Jahren ist es endlich gelungen, 20 Millionen Euro für die Modernisierung der Strecke Luxemburg-Trier bereitzustellen. Die Deutsche Bahn war lange nicht am Ausbau der Verbindung interessiert, da die hohen Investitionen die Strecke nicht schneller machen, sondern lediglich mehr Zugverbindungen erlauben. Das aber nutzt in erster Linie den Luxemburgern, und sie legen deshalb acht Millionen Euro auf den Tisch, damit auf deutscher Seite mit luxemburgischen Geld ein zweites Gleis gebaut werden kann. Aus Sicht des deutschen Verkehrsministers ist das gerecht:
    "Dass das gelungen ist, war ein Gemeinschaftswerk und so konnten wir die 20 Millionen in einer ganz fairen Weise aufteilen."

    "Alternativlos" heißt das bei Peter Ramsauers luxemburgischem Amtskollegen, Claude Wiseler.

    "Für uns ist diese Strecke extrem wichtig, weil es unsere einzige Verbindung an das deutsche Schienennetz ist; und wollen wir vom Individualverkehr immer mehr Leute auf den öffentlichen Transport bringen, dann müssen wir eine qualitativ und quantitativ ordentliche Strecke anbieten."

    Trotz beachtlicher Steigerungen der Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen bevorzugen noch immer 86 Prozent der Pendler das Auto. Jeden morgen und jeden Abend sorgen die Blechlawinen für kilometerlange Staus rund um das Land. Auch ohne Stau ist jeder Pendler jetzt schon im Schnitt 100 Minuten unterwegs, um morgens an den Arbeitsplatz zu kommen und abends wieder nach Hause. Noch lohne sich aufgrund der guten Verdienstmöglichkeiten in Luxemburg der Aufwand, sagt ein deutscher Metallfacharbeiter. Er hat sich in der Innenstadt unter die Demonstranten gemischt:

    "Bei mir sind es 40 Kilometer ein Weg. Andere Leute kommen 80, 100, 120 Kilometer jeden Tag rein. Das muss ja lukrativ bleiben; wenn diese Leute wegbleiben, dann geht die Wirtschaft schnell den Bach runter."

    Für die Wirtschaft des Landes, für die Sicherung des Lebensstandards der einheimischen Bevölkerung, sind die ausländischen Arbeitskräfte unverzichtbar. Wenn die Statistiken wieder einmal glänzen, wenn sie Luxemburg - wie so häufig - als Spitzenreiter bei Wachstum und Wohlstand ausweisen, dann haben die Pendler daran kräftig mitgewirkt. So liegt die Wirtschaftsleistung pro Einwohner mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Das, was die ausländischen Arbeitskräfte erwirtschaften, wird also der in Luxemburg wohnhaften Bevölkerung gutgeschrieben. Das verzerrt das Bild von den paradiesischen Zuständen vor Ort zwar ein wenig. Aber, gerade für Grenzgänger, die Erfahrungen aus den Heimatländern mitbringen, liege das Großherzogtum ganz nah am Schlaraffenland, sagt die deutsche Bankangestellte Christine Kawei.

    "Man kann es nicht mit Deutschland vergleichen, da liegen Welten dazwischen. Nur, es kann auf die Dauer nicht so weitergehen."

    Es sind deutsche Institute, wie die Stiftung Marktwirtschaft, die den Luxemburgern in letzter Zeit den Spiegel vorhalten. Ihr fürsorglicher Staat lebe massiv über seine Verhältnisse – so das Urteil deutscher Denkfabriken. Der luxemburgische Sozialstaat sei am Ende - es gibt keine Luxemburger Zeitung, die über diese von außen hineingetragene Schreckensvision nicht berichtet hätte. Der zuständige Minister Di Bartolomeo findet für diese Kritik allerdings unmissverständliche Worte.

    "Das ist Quatsch im Quadrat. Man muss wissen, dass diese Gutachter eine Agenda B haben, das heißt: solidar gebundene Systeme so schnell wie möglich durch private Regime zu ersetzen. Diese Projektion ist nichts wert, weil sie voraussetzt, dass wir nicht handeln, wir handeln."

    Handeln bedeutet, die Luxemburger greifen zunächst ins üppige Rentensystem ein, weil das Beschäftigungswachstum sich verlangsamt hat und schon bald immer weniger Erwerbstätigen immer mehr Rentnerinnen und Rentner gegenüberstehen werden. Die demografische Entwicklung macht auch vorm Großherzogtum nicht halt. Dem luxemburgischen Unternehmensverband erscheint der Reformansatz der Regierung jedoch halbherzig, so Direktor Pierre Bley.

    "Wir gehen davon aus, dass die Regierung mit diesem Gesetzesvorhaben nicht die Ambition hat, das System dauerhaft zu sanieren. Sondern, na ja, dass die nächste Regierung noch einen Schritt hinzulegen muss. Das ist aber nicht die richtige Art und Weise, weil jetzt das Zeitfenster gewesen wäre, um entschlossener weiterzugehen."

    Bley sitzt in einem der vielen Glaspaläste auf dem Luxemburger Kirchberg. Hier – knapp zwei Kilometer vom alten Stadtzentrum entfernt - residieren die europäischen Institutionen, Banken und Fondsgesellschaften. Hier denken und handeln die Menschen global. Hier liegt der Ausländeranteil bei Zwei-Dritteln und hier regiert das Kapital, vornehmlich ausländisches Kapital. Davor müsse sich jedoch niemand fürchten, sagt Bley.

    "Luxemburg hat immer von ausländischen Kapitalgebern gelebt, die Eisen- und Stahlindustrie, als die im 19.Jahrhundert gegründet wurde, das Gros war ausländisches Kapital, am Bankenplatz war das auch so, wir sind daran gewöhnt."

    Neu auf dem Plan sind die Scheichs aus Katar. Sie sind bereits an der Fluggesellschaft Cargolux beteiligt und haben sich soeben zwei luxemburgische Banken gekauft. Spektakulär war 2006 bereits der Einstieg des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal beim Stahlkonzern Arcelor. Mit der Übernahme wurde Arcelor/ Mittal zum größten Stahlproduzenten der Welt.

    Nach wie vor ist die Stahlindustrie der größte private Arbeitgeber in Luxemburg, aber der Konzern hat massive Absatzprobleme, sodass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis die ersten Werke im Süden des Landes oder entlang der französischen Grenze endgültig dichtgemacht werden.
    Die Probleme des luxemburgischen Bankenplatzes hingegen scheinen gelöst. Dieser war 2009 mächtig ins Wanken geraten, zeigt im Moment aber keine Symptome einer Krise. Über 60.000 Menschen verdienen bei Banken, Versicherungen und Vermögensgesellschaften ihr Geld. Die Branche steht für etwa 40 Prozent der Wirtschaftsleistung und sorgt für ein Viertel der Steuereinnahmen des kleinen Landes. Die Dominanz der Banken sei inzwischen allerdings derart übermächtig, dass mit einer neuen Form von Industriepolitik entgegengewirkt werden müsse, argumentiert Unternehmensvertreter Bley.

    "Wir setzen jetzt alles daran, die Industrie in Luxemburg wieder aufblühen zu lassen, von Reindustrialisierung sprechen wir, weil wir der Meinung sind, dass man ein Land nicht aufbauen kann, bloß auf einem Pillier. Das wäre nicht vorteilhaft und auch sehr risikoreich."

    Die Auseinandersetzungen um grundsätzliche Positionen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik werden härter in Luxemburg, wenn das Wachstum eine Pause einlegt und die Arbeitslosigkeit weiter steigt. Und dass es so kommen wird, daran zweifelt augenblicklich niemand. Im Zusammenhang mit dem Haushalt ist daher die Debatte um Fragen der sozialen Gerechtigkeit vom Fraktionsführer der luxemburgischen Sozialisten, Lucien Lux, erneut in Gang gesetzt worden.
    "Es gibt ein Wort, das wie eine Fata Morgana durch Luxemburg geistert. Das Wort: Sozialauswahl. Es ist dringend nötig, dass wir uns auf ein von allen getragenes Modell zur Sozialauswahl verständigen, um eine Reihe sozialer Transfers daraufhin zu überprüfen."

    Gesellschaftlich völlig unumstritten ist der Mindestlohn. Er liegt aktuell bei 1846 Euro im Monat und dabei soll es bleiben. Aber im Zusammenhang mit der automatischen Anpassung von Löhnen und Gehältern an die Preisentwicklung zum Beispiel wurde schon öfter über eine soziale Auslese, über eine Staffelung des Inflationsausgleichs gesprochen. Denn, wenn alle gleich behandelt werden, begünstigt dies die oberen Einkommensschichten. Auch die Studierendenbeihilfen wären sicher ein geeignetes Thema für eine Diskussion im Rahmen der sozialen Selektivität. Unabhängig vom Einkommen der Eltern spendiert der luxemburgische Staat jedem Luxemburger, der zu Hause oder im Ausland studiert, mindestens 6.500 Euro im Jahr. An dieser Stelle wären selbst die Gewerkschaften bereit, in die Debatte über eine soziale Auslese des Empfängerkreises dieser staatlichen Beihilfen einzusteigen.

    Übers Internet hat die Jugendsekretärin des allgemeinen luxemburgischen Gewerkschaftsbundes, Taina Bofferding, zum Protest gegen die wachsende Jugendarbeitslosigkeit aufgerufen. Die junge Frau hat sich, begleitet von einer Handvoll Gewerkschaftsvertreter, vor der Abgeordnetenkammer aufgebaut. Sie wirkt ein wenig nervös, ist nicht daran gewöhnt, Proteste zu organisieren. Sie testet das mitgebrachte Megafon.

    Eigentlich ist es überflüssig, denn es sind kaum Demonstranten gekommen. Die wenigen jungen Leute, die sich zeigen, lassen sich an einer Hand abzählen.

    "Ich denke, wir sind alle heute hier, um darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Problem europaweit gibt, das auch in Luxemburg immer größer zu werden scheint."

    Über 18 Prozent der jungen Leute unter 30 finden im reichsten Land der EU keinen regulären Job. In Berufsvorbereitungskursen oder einjährigen Praktika versuchen sie, Zeit zu überbrücken. Die Bezahlung in diesen Warteschleifen orientiert sich an den Mindestlöhnen. Ein großer Teil der arbeitslosen Jugendlichen steht deshalb immerhin nicht auf der Straße. Aber die Frage, ob die zahlreichen Eingliederungsmaßnahmen auch tatsächlich erfolgreich seien, ob sie also zu regulärer Beschäftigung führten, müsse dringend überprüft werden. Jetzt sei Gelegenheit dazu, sagt Taina Bofferding.

    "Wir haben im Herbst einige Debatten im Parlament, da muss über die Jugend gesprochen werden."

    Die Aktion der jungen Gewerkschaftsführerin endet mit einem Signalton und einer erstaunlichen Erkenntnis. Die luxemburgische Gesellschaft muss erst noch lernen, sich mit Problemen dieser Art überhaupt auseinanderzusetzen.