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Die Angst vor den Bloggern

Im Internet hat sich in Russland eine Parallelöffentlichkeit entwickelt, die Missstände offen anprangert. Und die Betreiber wissen, was ihnen droht: Der bekannte Blogger Nawalny hat so dafür vorgesorgt, dass seine Website nicht durch seine Verhaftung verstummt.

Von Thomas Franke | 05.07.2013
    Es ist eine Binsenweisheit: Je manipulierter Medien sind, desto eher weichen die Menschen auf eine parallele Öffentlichkeit aus. In so einer parallelen Öffentlichkeit bewegt sich Nawalny und Nawalny hat eine Mission. Er möchte die herrschende Clique in Russland entmachten. Deshalb hat Nawalny eine Menge Dinge aufgedeckt. Wenn solche Informationen nicht auf herkömmliche Art ihren Weg in die Öffentlichkeit finden, hilft das Internet.

    In Russland ist die Parallelöffentlichkeit im Internet nicht mehr wegzudenken. Denn Russlands Massenmedien sind manipuliert und manipulieren selbst. Die Leute weichen aus. Zum Beispiel Maxim Blant, Wirtschaftsjournalist. Er hat sich aktiv in der Oppositionsbewegung engagiert, ist vor Wahlen durch das Land gereist, um den Leuten beizubringen, wie man soziale Medien benutzt.

    "Hab Fernseher, aber ich sehe nicht. Ich schaue kein Fernsehen, ich benutze nur das Internet und soziale Netzwerke. Ich beachte auch die Erklärungen Putins nicht so sehr, nur vor Wahlen. Und ich finde es sehr schlimm, wie er versucht, Klassenhass zu schüren, indem er die Kreativen als Gammler bezeichnet, die mit Geldern aus den USA und Israel bezahlt werden und das starke Russland ins Chaos stürzen wollen. Und dieser Blick ist typisch für solche Leute, die Feindbilder suchen und die diese Feindbilder für Russlands Probleme verantwortlich machen wollen."

    Solche Anschuldigungen sind in der Provinz erfolgreicher, als in den Zentren. In den Städten sind viele Russen ständig online, kommunizieren über die einschlägigen sozialen Netzwerke. Eine der jungen Kreativen ist Mariya Kiselyova aus Novosibirsk. Gemeinsam mit ihrem Freund Artjom Loskutov veranstalten sie Straßenaktionen, sogenannte Monstrationen. Da rufen sie auf, mit möglichst sinnfreien Parolen den offiziellen Kundgebungsbetrieb zu persiflieren: Nu schto? Na und?

    Vor diesen Aktionen kleben sie Plakate in Novosibirsk. Doch die werden von Behördenvertretern abgerissen. Ihre wahre Verbreitung finden sie im Internet. Ihre Seite heißt kissmybabuschka.com. Dort vertreiben sie auch T-Shirts zur Unterstützung von Pussy Riot.

    "Im Internet gibt es keine Zensur. Und du kannst sagen, was du für richtig hältst. Das ist sehr angenehm. Nun gibt es ein paar neue Gesetze, die vielleicht Zensur im Internet ermöglichen. Die Regierung kann dann jede Website schließen, die sie schließen möchten."

    Doch die Betreiber der Websites weichen dann auf andere Seiten aus. Auch Aleksej Nawalny betreibt mehr als eine Website und ist längst nicht mehr allein. Sein Antikorruptionsblog wird mittlerweile von einem Team gemacht. Nawalny ist klug. Er wusste vorher, was passieren kann, es gab mehrere Versuche, ihn zum Schweigen zu bringen.

    "Natürlich wird es weiter funktionieren. Es wäre für mich ein großes Problem und eine große Niederlage, wenn alles den Bach runterginge. Meine Seite Rosusnik funktioniert schon jetzt ohne mich. Für Rospil sammeln die Leute Geld. Es gibt eine Nachfrage nach diesen Projekten. Die sind richtig und nützlich. Deswegen wird die Arbeit auch von vielen Tausenden unterstützt."

    Rosusnik steht für Rossiski Usnik, quasi der russische Gefangene. Rospil für das Zersägen, das Abspalten von – in diesem Fall – Geld. Auf der Seite werden Fälle von Korruption veröffentlicht.

    Was da außerdem zu lesen ist, ist schon populistisch: Knappe Fragen, warum Lehrer zum Beispiel am Existenzminimum leben müssen, während andere nicht wissen, wohin mit ihrem Geld - treffen aber den Kern. Auf seiner Seite Rosjama, Russische Schlaglöcher, geht es genau um die. Die Straßen in Russland sind oft in schlechtem Zustand. Auf der Seite kann man lesen, wie man vorgehen muss, damit die Verantwortlichen handeln.

    Nawalny sieht gut aus. Er kann gut reden. Er kommt gut an. Auch seine rechtsnationale und rassistische Vergangenheit tut seiner Popularität auch unter Westjournalisten keinen Abbruch. Und er greift Putins Image als Saubermann direkt an. Navalny und seine Mitarbeiter durchschauen immer mal wieder die PR-Fassade und veröffentlichen das. Dieses Interview gab er übrigens dem unabhängigen Fernsehsender Doschd im April, als der Prozess gegen ihn begann. Gesendet wurde es im Internet.

    "Meine Leute werden genau so weitermachen und korrupte Menschen an den Pranger stellen. Ihr arbeitet als ehrliche Journalisten ja auch weiter, wenn einer verhaftet wird. Die Verhaftung eines Einzelnen bewirkt nichts. Das Ganze löst sich deshalb nicht auf. Denn wir sind viele. Sie können uns nicht alle einsperren."