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Die Antarktis schmilzt ein bisschen

Polarforschung. - Dass Grönland seit einigen Jahren dramatisch schmilzt, daran besteht unter Wissenschaftlern kaum ein Zweifel mehr. Bei der Antarktis, dem anderen großen Eispanzer der Erde, ist die Sache etwas komplizierter. Von dort kamen in den vergangenen Jahren widersprüchliche Nachrichten. Auf einer Konferenz in Washington wurden nun neue Daten vorgestellt.

Von Monika Seynsche | 12.09.2007
    Es sei eine Menge Arbeit gewesen, sagt Jonathan Bamber von der Universität von Bristol. Zusammen mit sechs Kollegen hat der britische Glaziologe über Jahre hinweg Fernerkundungsdaten gesammelt und ein regionales Klimamodell analysiert.

    " Wir haben versucht, so genau wie möglich zu bestimmen, wie viel Eis in den einzelnen Regionen der Antarktis verloren geht und wie viel neu hinzukommt. Das Ergebnis ist: die gesamte Antarktis verliert jedes Jahr etwa 140 Gigatonnen Eis. "

    140 Gigatonnen - diese Menge würde ausreichen, um die gesamte Bundesrepublik Deutschland drei Jahre lang mit Wasser zu versorgen. Aber so groß die Zahl auch wirkt, für die Antarktis ist sie klein, betont Ted Scambos vom Nationalen Schnee und Eisdatenzentrum im US-amerikanischen Boulder.

    " Die Antarktis befindet sich immer noch fast im Gleichgewicht: denn es fallen unvorstellbar große Mengen Schnee und gleichzeitig gehen fast ebenso große Mengen Eis durch das Abbrechen von Eisbergen verloren. Die Differenz ist verglichen damit sehr klein. "

    Deshalb mussten Jonathan Bamber und seine Kollegen bei ihren Berechnungen so akkurat wie möglich sein. Mit Hilfe eines regionalen Klimamodells haben sie die Schneemassen geschätzt, die über dem gesamten Kontinent fallen. Aus Satellitendaten stammen die Geschwindigkeiten der Eisströme und die Dicke des Eispanzers: anhand dieser beiden Größen konnten sie ermitteln, wie viel Eis verloren geht. Das Klima in der Antarktis ist so kalt, dass kaum Eis schmilzt. Aufgrund der Schwerkraft schiebt sich das Eis von der Mitte des Eispanzers zum tiefer gelegenen Rand und dann ins Meer. Eisberge brechen ab und so verliert die Antarktis Masse. Ted Scambos untersucht seit Jahren mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen die Geschwindigkeiten einzelner Gletscher und Eisströme in der Antarktis. Für ihn ist die Arbeit von Jonathan Bamber und dessen Kollegen ein wichtiger Schritt.

    " In den Neunzigern haben wir noch in jedem unserer Artikel darauf hingewiesen dass wir unbedingt herausfinden müssen, ob die Eismassen der Antarktis schrumpfen oder wachsen. und jetzt können wir mit Gewissheit sagen: sie schrumpfen und wir wissen im Detail wo die Problemgebiete liegen und wie stark sie aus dem Gleichgewicht geraten sind. "

    Denn die Antarktis verliert nicht überall gleich viel Eis. Zwei Gebiete seien es, die ihm Sorgen bereiteten, sagt Jonathan Bamber. Die Westantarktis und die Antarktische Halbinsel verlören große Mengen Eis, sagt er. Die Westantarktis allein, also jener Bereich südlich des Pazifiks zwischen Südamerika und Neuseeland, sei für zwei Drittel des gesamten Eisverlustes verantwortlich. In der Ostantarktis dagegen seien Gewinne und Verluste fast ausgeglichen.

    " Die Westantarktis ist ein mariner Eispanzer: Die Erde auf der das Eis ruht, liegt deutlich unterhalb des Meeresspiegels und die Gletscher und Eisströme enden nicht an Land sondern im Meer. Dadurch ist das Eis hier wesentlich anfälliger für Veränderungen des Ozeans als in der Ostantarktis. "

    Trotz allem macht sich Jonathan Bamber um die Antarktis weniger Sorgen als um Grönland. Denn seine Beobachtungen der letzten zehn Jahre deuten darauf hin, dass die gesamte Antarktis heute kaum mehr Eis verliert als damals. In Grönland dagegen verschwindet seit einigen Jahren jedes Jahr mehr Eis als im Jahr zuvor.