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"Die Banken sind die Gewinner"

Irland hat Schulden in Milliardenhöhe gegenüber deutschen Banken, sagt Manfred Perlitz. Deswegen sei der Rettungsschirm auch für deutsche Banken entlastend. Jedoch müsse das System überdacht werden, da letztendlich der Steuerzahler die Schulden und das Risiko trage.

Manfred Perlitz im Gespräch mit Gerd Breker | 23.11.2010
    Gerd Breker: Der irische Ministerpräsident Cowen hält trotz wachsenden Drucks aus seiner eigenen Partei und seines Koalitionspartners an seinem Amt fest und er ist zu Neuwahlen erst Anfang kommenden Jahres bereit. Er wolle den Nothaushalt für das nächste Jahr durch das Parlament bringen und die Verhandlungen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds über das Rettungspaket für Irland erst erfolgreich beenden.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Finanzwissenschaftler Manfred Perlitz. Guten Tag, Herr Perlitz.

    Manfred Perlitz: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: In diesen Tagen, Herr Perlitz, haben wir gelernt, die Irland-Krise sei eigentlich eine Krise der irischen Banken. Wieso sind die denn in die Krise geraten?

    Perlitz: Nun, die irischen Banken, insbesondere die Anglo Irish Bank, hat sich sehr, sehr stark im Immobiliengeschäft in Irland eingekauft, hat das finanziert, und das führte zu einem extremen Immobilienboom. Um mal eine Zahl zu nennen: Irland hat eine Bevölkerung von 4,6 Millionen Einwohner. Im Moment stehen 350.000 Häuser in Irland leer. Fast 8 Prozent der Iren besitzen ein Haus eigentlich, das leer steht.

    Breker: Und diese Banken waren deswegen systemrelevant, weil ansonsten alle Häuslebauer davon betroffen gewesen wären?

    Perlitz: Genau. Diese Immobilienblase war natürlich finanziert durch diese Banken und wenn die Banken diese Finanzierung nicht vorgenommen hätten, wären diese Häuser auch nicht entstanden. Das führte natürlich Irland auch jahrelang in eine sogenannte Tiger-Staat-Situation und wir haben alle begeistert auf Irland geschaut ob der hohen Wachstumsraten, und auch des Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Irland war ja größer als das der Bundesrepublik Deutschland. Das sieht natürlich jetzt nach der Krise anders aus. Um Ihnen das mal zu verdeutlichen: die anderen Schuldnerstaaten, Spanien, haben eine Pro-Kopf-Verschuldung von rund 18.000 Euro, Griechenland von 19.000, Portugal von 22.000 Euro und Irland hat im Moment eine Verschuldung pro Kopf von 135.000 Euro. Das heißt also, hier wurde eifrig gewachsen auf Kosten anderer und die Rechnung soll jetzt die Europäische Union zahlen.

    Breker: In Irland wurde eifrig gewachsen und das vor allen Dingen auch mit dem Geld von Banken vom Festland. Also auch deutsche Banken haben viel Geld nach Irland geschickt?

    Perlitz: Ja. Der aktuelle Schuldenstand der Irländer gegenüber deutschen Banken beträgt rund 168 Milliarden Euro.

    Breker: Das bedeutet, mit dem Euro-Rettungsschirm, wenn er denn jetzt zur Anwendung kommt, retten wir irgendwo auch unsere eigenen Banken?

    Perlitz: Unsere eigenen Banken werden natürlich davon auch entlastet, aber dann muss man sich irgendwann doch mal diese Systemfrage stellen, denn ich glaube, hier ist etwas falsch im System. Ich möchte das mal kurz verdeutlichen. Stellen Sie sich einen Privatmann vor, der für ein Prozent Geld aufnehmen kann und das dann entsprechend mit fünf bis sieben Prozent anlegen kann in irische Anleihen, in griechische Anleihen, spanische Anleihen, portugiesische Anleihen. Das ist natürlich ein sehr sicheres Geschäft, solange der Schuldner sozusagen risikofrei ist. Wenn der Schuldner zurückzahlt, ist das also ein sehr schönes Geschäft. Und nun gibt es noch diesen Euro-Schutzschirm oder -Rettungsschirm der EU. Das heißt, selbst wenn der Schuldner wegfällt, kommen diese Renditen zu Stande, denn der Steuerzahler in Euro-Land - bei Irland wird sehr wahrscheinlich noch Großbritannien beitreten - trägt dann letzten Endes die Schulden und das Risiko.

    Breker: Und damit ist er der dumme und die Banken sind die Gewinner?

    Perlitz: Die Banken sind die Gewinner, die Investmentbanker machen mit einem risikolosen Geschäft enorme Gewinne, die sie dann auch in Milliardenboni dann entgegennehmen.

    Breker: Es geht ja möglicherweise weiter. Irland ist ja gar nicht der Schlusspunkt dieser ganzen Dominoserie. Als nächstes könnte ja Portugal folgen. Ist es immer das gleiche, dass am Ende die Banken profitieren und die Steuerzahler die dummen sind?

    Perlitz: Wenn dieser Euro-Rettungsschirm tatsächlich zum Greifen kommt - und das wird er ja wohl in den nächsten drei Jahren - und es keine Ersatzlösung gibt, wo also dann diejenigen, die also dann als Gläubiger in diesem Geschäft mit drin sind, nicht auch mithaften, wird es tatsächlich immer so sein, dass dann der Steuerzahler letzten Endes zunächst mal bürgt und dann, falls diese Bürgschaft fällig wird, dann auch zahlen muss. Sie haben recht: Portugal ist eigentlich von der Aufnahme neuer Anleihen, die alte Anleihen ablösen sollen, im Januar mit einem großen Betrag fällig, und wenn das also dann entsprechend im Januar von Portugal nicht gestemmt werden kann, ist der nächste Fall vorhanden. Irland ist dann eigentlich in dieser Umschichtung von Anleihen noch etwas später dran, die haben also noch zwei, drei Monate Zeit, nach Portugal auf den Finanzmärkten sich refinanzieren zu müssen.

    Breker: Herr Perlitz, muss man im Nachhinein dann nicht sagen, dass dieser Rettungsschirm, der Euro-Rettungsschirm, der da gestrickt wurde, mit einer heißen Nadel gestrickt wurde? Eigentlich ist dieser Schirm nur Flickwerk?

    Perlitz: Damals gab es wirklich wenig Alternativen, wirklich in kürzester Zeit ein völlig neues System zu entwickeln. Der Euro-Rettungsschirm hatte dann seine Berechtigung unter der Voraussetzung, dass sich wirklich die Politik um dieses System kümmert und neue Systeme entwickelt, die wirklich längerfristig überlebensfähig sind. Ein Euro-Rettungsschirm ist wirklich nur eine kurzfristige Lösung und deshalb müssen langfristige Lösungen davon ausgehen, dass derjenige, der wirklich auch am meisten von diesen Dingen profitiert, mit in die Haftung genommen wird. Und wenn uns das nicht gelingt - und das sieht ja im Moment so aus, dass jedes Land so ein bisschen sein eigenes Süppchen kocht -, dann werden wir in richtige Krisen kommen. Wenn ich mal eine Prognose stellen darf: Was sich jetzt in Europa abspielt, wird sich in einigen Jahren in Amerika in einer noch höheren Potenz abspielen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Finanzwissenschaftler Manfred Perlitz. Herr Perlitz, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Perlitz: Vielen Dank, Herr Breker, und schönen Tag.