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Die Billig-Kurie
"Low cost papale" als neuer Trend im Kirchenstaat

Papst Franziskus lebt einfach. Das ist bekannt. Neu ist: Immer mehr Bischöfe und Kardinäle eifern ihm nach. Sie kaufen billige Messgewänder, lassen sich nicht mehr chauffieren, besuchen exklusive Partys nur noch diskret. Nicht nur die Bekleidungshäuser, die auf Kleriker spezialisiert sind, sprechen von einem Trend zum "low cost papale". Ihr Umsatz sinkt, wenn sich der Trend zur Billig-Kurie fortsetzt.

Von Thomas Migge | 24.08.2015
    Papst Franziskus im Vatikan, wo er bei seiner jährlichen Weihnachtsbotschaft an Kardinäle, Bischöfe und Priester "15 Krankheiten" innerhalb der Kurie angeprangert.
    Immer mehr seiner Bischöfe und Kardinäle tun es Papst Franzikus gleich und sind auch mal zu Fuß unterwegs. (AFP / ANDREAS SOLARO)
    Die Tageszeitung "la Repubblica" spricht vom "low cost papale", vom päpstlichen low cost. Der Trend geht demnach, frei übersetzt, in Richtung "Billig-Kurie". Der Begriff trifft es, mein Vatikanexperte Marco Politi von der Tageszeitung "Il Fatto Quotidiano":
    "Die Kurie von Franziskus präsentiert sich nicht mehr rein doktrinär und verbissen. Er zeigt sich verständnisvoll für die Probleme der Menschen und so will er auch leben, unter den Leuten. Auf demonstrativ zur Schau gestellte päpstliche Insignien gibt er nichts. Seine Kirche, sagt er, präsentiere sich wie ein Feldlazarett für die vielen Verwundeten, die es in der Welt gibt"
    Und dazu passen keine kostbar verzierten Stolen und von Hand gefertigtes Schuhwerk aus feinstem Kalbsleder. Das bekommen die verschiedenen Geschäfte in der römischen Via de' Cestari seit einiger Zeit zu spüren. Geschäfte, die Kleider für Geistliche jeden Standes im Angebot führen, aber auch liturgische Utensilien aus teuren Edelmetallen, verziert mit nicht weniger kostspieligen Edelsteinen.
    Auch auf seine Messgewänder, die Kaseln, gibt Franziskus nicht viel. Leider meint Manfredo Valdini, der in einem der römischen Geschäfte für Klerikerkleidung arbeitet und ein Fachmann auf seinem Gebiet ist, weshalb ihn das Desinteresse des Papstes an solchen Dingen nicht nur enttäuscht, sondern auch ein wenig ärgert:
    "Der Kragen einer Kasel zum Beispiel, der muss perfekt sitzen, also nicht zu nah am Hals, aber das scheint den Heiligen Vater nicht zu interessieren. Der Stoff einer Kasel: das muss eine besondere Seide sein"
    Franziskus hingegen scheint sich um Raffinessen von Material und Schnitt nicht besonders zu kümmern.
    Das gilt seit einiger Zeit auch für immer mehr Bischöfe und Kardinäle aus dem Umfeld des Papstes. Zum großen Leidwesen der Geschäftsinhaber in der Via de' Cestari: sie machen deutlich weniger Umsatz. Verkäufer Valdini ist davon überzeugt, aber das sagt er nur, wenn das Mikrofon ausgeschaltet ist, dass viele Spitzengeistliche jetzt "auf billig machen, um dem Papst zu gefallen". Da sie wissen, dass die Gewänder, die Franziskus trägt, rund 120 Euro kosten, geben sie nicht mehr, wie bisher, für neue Kardinalsgewänder zwischen 600 und 800 Euro aus, sondern kaufen von der Stange, klerikale Konfektionsware. Bei "De Ritis", verrät die Angestellte Giovanna Salustri, bleiben aufwändig verzierte Brustkreuze für Bischöfe, die zwischen 200 und 500 Euro kosten, liegen. Sie werden nicht mehr gekauft.
    Da vollziehe sich ein tiefgreifender Wandel, meint Giacomo Galeazzi, Vatikanexperte der Zeitung "La Stampa":
    "Der Papst lehnt sich auf gegen eine alte Welt, die bisher resistent gegen jeden Wandel war. Es ist, als würde man sich ein altes Foto aus der Sowjetunion vor der Prestrojka anschauen. Nehmen Sie sich doch nur mal bestimmte Kardinäle wie Tarcisio Bertone – mit seiner 700 Quadratmeter großen Privatwohnung! Eine andere Welt."
    Vorbei sind die Zeiten, in denen Kirchenfürsten aus dem Vatikan regelmäßig in teuren römischen Restaurants essen gingen. Zum Beispiel ins elegante "L'Eau Vive" beim Pantheon. Das wird zwar von Missionsschwestern betrieben, ist aber trotzdem nichts für schmale Pilgerbörsen.
    Vorbei auch die Zeiten, in denen die besonders lebenslustigen unter den Kardinälen und Bischöfen, die fest in Rom leben, regelmäßig "salotti" frequentierten. Das sind mondäne Dinner-Parties bei den Gattinnen wichtiger Unternehmer. In den "salotti" trifft sich Roms feine und einflussreiche Welt – da fehlten Spitzengeistliche nie. Sandra Carraro, Gattin eines Ex-Bürgermeisters von Rom und Gastgeberin eines solchen Salotto, verrät, dass zwar immer noch einige wenige Bischöfe und Kardinäle zu ihr kommen, aber weitaus diskreter als in der Vergangenheit.
    Vorbei sind auch die Zeiten, in denen früh morgens mehr als 40 Limousinen die päpstliche Garage im Vatikan verließen, um Würdenträger bei ihren Wohnungen abzuholen und zum Arbeitsplatz zu chauffieren. Franziskus nutzt einen schlichten Kleinwagen. Dass immer mehr seiner Bischöfe und Kardinäle es ihm gleichtun oder zu Fuß unterwegs sind, oder gar mit einem öffentlichen Verkehrsmittel, wie er in Buenos Aires, das freut den Papst und ist ganz in seinem Sinne.